Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU)
picturedesk.com/dpa Picture Alliance/Marcel Delamer
Führungsstreit

Böses Blut in der CDU

Nach dem Wahldebakel in Thüringen spitzt sich der Macht- und Richtungskampf in der CDU zu. Für die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist es bereits die vierte Wahlschlappe seit ihrem Antritt – und sie gerät nicht nur deswegen unter Druck. Doch auch Kanzlerin Angela Merkel bleibt nicht verschont.

Seit Monaten wird in der CDU betont, man müsse trotz aller Wahlniederlagen und Streitigkeiten mit dem Koalitionspartner SPD in der Personalfrage Einigkeit zeigen. Das gelingt spätestens seit der Wahl in Thüringen, bei der die CDU fast minus zwölf Prozent einstecken musste, nur bedingt – und am Dienstag kochte die Debatte endgültig hoch.

Verantwortlich war ein Frontalschlag von Friedrich Merz gegen Merkel. Der Ex-CDU-Fraktionschef und nunmehrige Lobbyist forderte ein vorgezogenes Ende von Merkels Kanzlerinnenschaft und nannte das Erscheinungsbild der deutschen Regierung „einfach grottenschlecht“. Seit Jahren legten sich „wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Bundeskanzlerin“ über das Land, so Merz zum ZDF.

Merz gegen zwei weitere Jahre Merkel

Das Ergebnis in Thüringen sei ein „großes Misstrauensvotum gegenüber der Großen Koalition“. Er könne sich „schlicht nicht vorstellen, dass diese Art des Regierens in Deutschland noch zwei Jahre dauert bis zum Ende dieser Wahlperiode“, sagte er. Merz hatte im Vorjahr für Merkels Nachfolge kandidiert, war aber der jetzigen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer unterlegen. Trotzdem wird spekuliert, dass Merz sich noch immer für kanzlerfähig halten könnte. Kramp-Karrenbauer nahm er jetzt allerdings ausdrücklich in Schutz: Sie habe „dabei nach meiner Beobachtung kaum eine negative Rolle gespielt“, so Merz mit Blick auf Thüringen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Annegret Kramp-Karrenbauer (r, CDU)
APA/dpa/Kay Nietfeld
Merkel stand am Dienstag im Zentrum der Kritik

Doch Kramp-Karrenbauer ist auch ganz ohne Merz’ Kritik reichlich angeschlagen. Die CDU kassierte in der Zeit ihres Vorsitzes minus 7,3 Prozent in Sachsen, minus 7,4 Prozent in Brandenburg und minus 11,7 Prozent in Thüringen, dazu kommt ein Absturz von 6,4 Prozent bei der EU-Wahl. Die Partei wird rechts von der Alternative für Deutschland (AfD) bedrängt, auch im Umgang mit der Linken ist sie innerlich uneins: Ein Gesprächsangebot des Thüringer CDU-Chefs Mike Mohring an die Linksparte sorgte für so großen innerparteilichen Zwist, dass er es wieder zurückzog.

Streit mit SPD, Kritik von junger CDU

Flankiert werden die Wahlniederlagen von öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten mit der SPD. Sichtbar wurde das zuletzt in der Nordsyrien-Politik: Dort fand ein „Koalitionsstreit auf offener Weltbühne“ statt, wie es in der deutschen Presse hieß. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte gemeinsam mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu öffentlich einen Vorschlag Kramp-Karrenbauers zur Errichtung einer UNO-geführten „Sicherheitszone“ harsch abgekanzelt, nachdem Kramp-Karrenbauer ihrerseits offenbar ohne Abstimmung mit dem Außenministerium den Plan öffentlich gemacht hatte. In Deutschland ungewöhnlich – in der Außenpolitik galt bisher, mit einer Stimme zu sprechen.

Aber auch aus der eigenen Partei muss Kramp-Karrenbauer Querschüsse einstecken. Zuletzt stellte Junge-Union-Chef Tilman Kuban in der Vorstandssitzung offen die Frage nach der Kanzlerkandidatur. Kramp-Karrenbauer ging daraufhin in die Offensive: Sie forderte Kritiker auf, im Streit um die Kanzlerkandidatur Farbe zu bekennen. Sie wolle diese Entscheidung dem Parteitag im nächsten Jahr vorlegen. Wer immer meine, die Frage müsse jetzt entschieden werden, habe beim Parteitag in knapp vier Wochen dazu Gelegenheit. Daraufhin legte Kuban nach: Er sieht in Gesundheitsminister Jens Spahn einen möglichen Kanzler.

„Zwischen Ratlosigkeit und Angststarre“

Auch die deutsche Medienlandschaft ortet eine profunde Krise in der Partei. Die CDU pendle „zwischen Ratlosigkeit und Angststarre“ und wisse nicht, „was und wen sie will“, schrieb etwa der „Tagesspiegel“. Für die CDU werde es, „nachdem schon die SPD in ein tiefes Loch gefallen ist, immer schlimmer, nicht besser“, urteilte auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem Kommentar: Der „Keim des Scheiterns liegt nicht in den Ländern, sondern im Bund“, hieß es. Der CDU drohe das gleiche Schicksal wie der SPD, analysierte die Politologin Ursula Münch gegenüber der ARD-„Tagesschau“.

Die Unionsspitze versucht unterdessen zu kalmieren. Innenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte Merkels Arbeit: „Ich teile die Kritik von Friedrich Merz nicht“, sagte Seehofer. Die Union sei aber fraglos in einer schwierigen Lage. „Nach langer politischer Erfahrung weiß ich, dass in einer solchen Lage Disziplin die beste Eigenschaft ist.“ Auch Spahn forderte eine Konzentration der Union auf Sachdebatten. Diese würden „immun gegen Personaldebatten“ machen. Vorerst nicht zu Wort gemeldet hat sich Merkel.