Mitglieder des britischen Parlaments bei der Abstimmung
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Brexit-Poker

Briten wählen vorzeitig im Dezember

Im ewigen Brexit-Poker geht – wie es scheint – etwas voran: Das britische Parlament hat für die von Premierminister Boris Johnson geforderte vorgezogene Neuwahl am 12. Dezember gestimmt. Johnson hofft auf eine klare Mehrheit, um das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament zu bekommen.

Das Gesetz wurde am Dienstagabend vom Unterhaus mit einer Mehrheit von 438 zu 20 Stimmen verabschiedet. Noch am Montag war ein Antrag Johnsons auf eine Neuwahl am Widerstand der Labour-Opposition gescheitert. Eigentlich ist laut britischem Wahlgesetz eine Zweidrittelmehrheit notwendig, um eine vorgezogene Neuwahl auszulösen. Ohne Labour-Unterstützung war das nicht zu erreichen. Regulär hätte in Großbritannien erst wieder 2022 gewählt werden sollen.

Doch mit dem am Dienstag im Eilverfahren durch das Unterhaus gepeitschten Neuwahlgesetz konnte dieses Erfordernis umgegangen werden. Den Ausschlag für den Erfolg hatten die kleineren Oppositionsparteien, die Schottische Nationalpartei (SNP) und die Liberaldemokraten (Lib Dems), gegeben. Sie signalisierten bereits am Wochenende ihre Unterstützung für eine Neuwahl.

Gezerre um Wahltermin

Einziger Streitpunkt war der genaue Wahltermin. Während Johnson erst am 12. Dezember wählen lassen wollte, sprachen sich die SNP und Liberale für den 9. Dezember aus. Die Regierung setzte sich schließlich durch. Das vom Unterhaus beschlossene Gesetz über die Neuwahl wird nun an das Oberhaus des britischen Parlaments weitergeleitet. Dort soll es bereits am Mittwoch zur Diskussion gestellt werden, die Zustimmung gilt jedoch als sicher. Damit könnte das Parlament bereits kommende Woche aufgelöst werden.

Mitglieder des britischen Parlaments und Premierminister Boris Johnson im Unterhaus
AP/Jessica Taylor/UK Parliament/Jessica Taylor
Das vom Unterhaus beschlossene Gesetz über die Neuwahl wird nun an das Oberhaus des britischen Parlaments weitergeleitet

Labour Party ließ Widerstand fallen

Mit der Unterstützung der kleineren Parteien für das Neuwahlgesetz hatte die Labour Party ihr Veto verloren, weil schon eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung ausreichte. Die Sozialdemokraten stehen derzeit in den Umfragen relativ schlecht da. Die Traditionspartei versprach sich von einer Neuwahl im kommenden Jahr bessere Chancen.

Trotzdem gab die Labour Party ihren Widerstand gegen eine Neuwahl am Dienstag auf. Ein ungeregelter Brexit sei nun ausgeschlossen, daher werde Labour einer Parlamentswahl zustimmen, sagte Parteichef Jeremy Corbyn während der Debatte. „Es ist Zeit für einen echten Wandel. Ich habe immer gesagt, dass wir eine Wahl unterstützen werden, wenn ein ‚No Deal‘ vom Tisch ist“, sagte der 70-Jährige.

Riskantes Spiel der Konservativen

Für die Konservativen sehen die Umfragewerte derzeit recht gut aus. Doch der Urnengang ist nicht ohne Risiko: Bereits Johnsons Vorgängerin Theresa May hatte sich 2017 mit einer vorgezogenen Neuwahl verrechnet und ihre knappe Mehrheit verspielt. Johnson hat sein wichtigstes Wahlversprechen bereits gebrochen: „Komme, was wolle“, werde er das Land am 31. Oktober aus der EU führen, hatte er angekündigt. Lieber wolle er „tot im Graben“ liegen, anstatt eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen.

Doch er konnte seinen mit der EU nachverhandelten Brexit-Deal nicht rechtzeitig durch das Parlament bringen. So blieb ihm am Ende nichts anderes übrig, als doch einen Verlängerungsantrag nach Brüssel zu schicken. Die Brexit-Frist wurde um bis zu drei Monate verlängert. Es war bereits die dritte Verschiebung.

Womöglich „letzte Chance“

Am Dienstag segneten die EU-Staats- und -Regierungschefs den Brexit-Aufschub offiziell ab, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. „An meine britischen Freunde […] bitte nutzt diese Zeit bestmöglich“, schrieb Tusk weiter – „es könnte die letzte Chance sein.“ Der EU-Austritt soll nun spätestens am 31. Jänner erfolgen. Er ist aber auch eher möglich, wenn eine Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingt.

Entscheidend für einen Wahlerfolg Johnsons könnte werden, ob es ihm gelingt, die Schuld für die weitere Verzögerung der Opposition in die Schuhe zu schieben. Konkurrenz muss er vor allem von der Brexit-Partei von Nigel Farage fürchten, die einen EU-Austritt ohne Abkommen als idealen Weg anpreist. Zudem muss er hoffen, der Labour Party Stimmen abzujagen.

Corbyn kündigt „größte Wahlkampagne aller Zeiten“ an

Diese kündigte am Dienstag „die größte Wahlkampagne aller Zeiten“ an. Man werde „total vereint, total entschlossen“ in diesen Wahlkampf gehen, so Corbyn. Unstimmigkeiten in seiner Partei sieht er betont gelassen: „Labour liebt eine Debatte. Die Partei liebt aber auch das Ende einer Debatte, wir gehen da jetzt raus, um zu gewinnen.“

Johnsons Torys wollen beim Wahlkampf unterdessen offenbar einmal mehr auf den Brexit setzen. Die britische Nachrichtenagentur PA bezog sich auf eine Quelle in der Partei, wonach man bei einem Wahlsieg „den Brexit erledigen“ will – was ja auch Johnson bisher versprochen hatte. Nur beim Datum wollte man bremsen: Ein Austritt vor 2020 werde wohl nicht geschehen. „Vermutlich Anfang Jänner, aber 2020 würde es dann um unsere nationalen Prioritäten gehen“, hieß es.