US-Präsident Donald Trump auf einer Wahlveranstaltung in Mississippi
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Vier Bundesstaaten

Wahlen als Gradmesser für Trump

Am Dienstag wird in den US-Bundesstaaten Virginia, Kentucky und Mississippi gewählt – eine gute Woche später folgt Louisiana. In den USA wird gespannt auf den Ausgang der Wahlen gewartet. Denn im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2020 gelten sie als Gradmesser – nicht zuletzt für den republikanischen US-Präsidenten Donald Trump. Das geplante Amtsenthebungsverfahren gegen ihn ist das dominierende Thema.

Von den vier Staaten, die vor 2020 noch einmal zu den Urnen rufen, wird einer sowohl von Demokraten als auch von Republikanern in Washington besonders genau beobachtet: Virginia. Virginia ist der einzige der vier Staaten, in dem die parteiliche Kontrolle im Abgeordnetenhaus und Senat in Gefahr ist. Derzeit halten die Republikaner in beiden Kammern des einst tiefroten Bundesstaates nur noch eine hauchdünne Mehrheit. Allerdings: Die Mehrheit im Abgeordnetenhaus wurde nach langem Gezerre Anfang 2018 per Los entschieden.

„Es deutet einiges darauf hin, dass die Republikaner Probleme haben“, schreibt die „New York Times“ („NYT“). Die Demokraten konnten deutlich größere Summen an Spendengeldern eintreiben, auch ein rasantes Bevölkerungswachstum in multikulturellen Vororten spielt ihnen in die Hände. Die Republikaner konnten hingegen seit zehn Jahren auf nationaler Ebene keine Wahl mehr für sich entscheiden. Auch auf föderaler Ebene ist die Ausgangslage in dem „Swing-State“, also einem jener Bundesstaaten, deren Ergebnisse für den Ausgang der Präsidentschaftswahl entscheidend sind, nicht ideal.

„Swing-State“ Virginia als demokratische Festung?

So konnten die Republikaner dort laut „Washington Post“ selbst von Skandalen um demokratische Politiker im Februar nicht profitieren. Einem Politiker wurde sexuelle Belästigung vorgeworfen, ein weiterer war in einen Skandal um rassistische Jahrbuchfotos verwickelt. „Den Schwung, den wir in diesen Bundesstaatswahlen, bei Spenden und freiwilligen Helfern sehen können, ist auf die Anti-Trump-Energie zurückzuführen“, sagte der Demokrat Joshua Cole.

Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Senatorin Elizabeth Warren
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Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren besuchte eine Wahlkampfveranstaltung in Virginia

Bei der Präsidentschaftswahl 2016 lag Trump nur wenige Prozentpunkte hinter der Demokratin Hillary Clinton. Einer Umfrage des Roanoke College vom August zufolge sind inzwischen aber nur noch 27 Prozent der Bevölkerung von Virginia für Trump, 53 Prozent sprachen sich gegen ihn aus. Von Wahlkampfauftritten in Virginia sah der US-Präsident – anders als in den „roten Staaten“ Louisiana, Mississippi und Kentucky – ab. Als Ersatz schickte er Vizepräsident Mike Pence.

Die Demokraten sind sich ihrer starken Ausgangslage hingegen bewusst. Sie konnten nicht nur das Spendenduell gewinnen, sondern schickten auch einige politische Schwergewichte als Wahlkampfunterstützung nach Virginia. Die Präsidentschaftskandidaten Elizabeth Warren, Kamala Harris, Joe Biden und Cory Booker besuchten allesamt Wahlkampfveranstaltungen in dem Bundesstaat. „Was auch immer hier passiert, wird dabei definieren helfen, was 2020 möglich sein wird“, sagte Beto O’Rourke, der seine Präsidentschaftskandidatur inzwischen beendet hat.

Republikaner setzt auf Wut

Eine wesentliche Rolle bei den Wahlen in Virginia sowie den Gouverneurswahlen in Louisiana, Mississippi und Kentucky dürfte auch die Debatte über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump spielen. Dabei geht es um Bestrebungen Trumps, die Ukraine zu Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Biden und dessen früher für eine ukrainische Gasfirma tätigen Sohn zu bewegen. Der Fokus auf die Debatte ist kaum in einem anderen Bundesstaat so deutlich spürbar wie in Kentucky.

Denn der amtierende republikanische Gouverneur Matt Bevin, der gegen den Demokraten Andy Beshear antritt, führt dort eine Kampagne, die fast ausschließlich auf ein mögliches Impeachment-Verfahren abzielt. Unterstützt wurde er bei Wahlkampfauftritten – wie auch die republikanischen Kandidaten in Mississippi und Louisiana – von Trump.

Der amtierende republikanische Gouverneur von Kentucky, Matt Bevin und sein demokratischer Herausforderer Andy Beshear
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Der „verhassteste US-Gouverneur“ Matt Bevin (rechts) fokussiert sich im Duell mit Andy Beshear (links) auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump

„Das Beshear-Bevin-Rennen repräsentiert den ersten, besten Indikator darüber, ob die Republikaner Wut über das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nützen können, um ihre ländliche Wählerschaft zu mobilisieren – oder, ob die Demokraten von einer zunehmend urbanen Wählergruppe, die von einem ihrer Meinung nach gesetzeswidrigen Präsidenten neuen Antrieb bekommen, profitieren“, schreibt die „New York Times“.

„Trump“-Faktor als Zünglein an der Waage

Wählerinnen und Wähler versucht Bevin – der laut „NYT“ als einer der verhasstesten Gouverneure der USA gilt – zu mobilisieren, indem er seinen Kontrahenten mit dem Amtsenthebungsverfahren in Verbindung bringt. Dieser wiederum ist bemüht, in puncto Trump nicht anzuecken und sich auf regionale Themen zu fokussieren. Angesprochen darauf, ob Beshear Trump für einen „guten Mann“ hält, meinte dieser: „Ich kenne ihn nicht.“ Er könne aber mit jedem Präsidenten zusammenarbeiten, der Kentucky hilft.

Offenbar fährt Bevin mit der Kampagne nicht schlecht – denn obwohl der Demokrat Beshear lange Zeit in Umfragen führte, konnte der für seine „grobe Rhetorik“ bekannte Bevin jüngst aufschließen. Dass das mit seiner Kampagne Hand in Hand geht, ist naheliegend: Wenngleich die USA auf nationaler Ebene in der Impeachment-Frage gespalten scheint, sprachen sich einer Umfrage von Mason-Dixon Polling & Strategy zufolge 65 Prozent der Menschen in Kentucky gegen ein Amtsenthebungsverfahren aus.

„Wütende Mehrheit“ durch drohendes Verfahren?

Trump hatte 2016 sowohl in Kentucky als auch in Mississippi einen klaren Sieg eingefahren. Und weil Trump dort nach wie vor relativ beliebt scheint, erwartet sich das Weiße Haus – ebenso wie in Louisiana – einen deutlichen Aufwind für den Präsidenten, indem dort bewiesen werde, dass er religiöse Konservative sowie die Arbeiterklasse noch an die Urnen bringt – unabhängig von oder gerade wegen der Konfrontation in Washington, schreibt die „Washington Post“.

Dass ihm die Aufregung über ein drohendes Impeachment-Verfahren nütze, sagte der US-Präsident indes auch vor Tausenden Anhängern bei einer Wahlkampfveranstaltung in Mississippi: „Wir hatten noch nie eine größere Unterstützung als jetzt.“ Die von den Demokraten veranlassten Untersuchungen würden eine „wütende Mehrheit“ der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl entstehen lassen.

Politische Spaltung in USA verschärft sich

Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten blieben Wahlkampfveranstaltungen der demokratischen Anwärter für den Gouverneursposten in Mississippi und Kentucky hingegen fern – selbst in Louisiana, wo bei der Wahl am Samstag nächste Woche der Demokrat und amtierende Gouverneur John Bel Edwards in Umfragen weiterhin haushoch führt. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 ging allerdings auch Louisiana an Trump.

In einer TV-Konfrontation mit seinem republikanischen Pendant Eddie Rispone ging Edwards auf Abstand von den Demokraten in Washington: „Du sprichst über irgendeinen generischen Demokraten, der nur in deinem Kopf existiert. Du sprichst nicht über mich.“ Er befände sich im direkten Mittelfeld des politischen Spektrums, so Edwards. Auch der republikanische Senator John Neely Kennedy vermutet, dass die tägliche Nachrichtenflut über ein mögliches Verfahren gegen Trump Edwards schade.

Die Polarisierung der USA zeigte sich auch in einer Prognose der University of Virginia, die ein enges Rennen zwischen Republikanern und Demokraten am 3. November 2020 voraussagt. Nach derzeitigem Stand käme demnach jede Seite auf 248 Stimmen im Wahlkollegium, das den Präsidenten formell wählt. Die Mehrheit liegt bei 270 Stimmen.