Grüne und türkise Spielfiguren
ORF.at/Carina Kainz
Austausch der Nettigkeiten

Neue Töne zwischen ÖVP und Grünen

Seit Beginn der Sondierungen von ÖVP und Grünen sind die Töne freundlicher geworden. Einst war von „Haschtrafiken“ der Grünen die Rede. Diese wiederum sprachen noch im jüngsten Wahlkampf von der ÖVP-„Schnöseltruppe“. Heute dominiert die Freundlichkeit, egal ob seitens der Jägerschaft oder des linken Flügels der Grünen. Das sei aber keine Vorleistung für eine Koalition, so ein Experte, sondern schlicht professionell.

Am Freitag verkünden ÖVP und Grüne, ob sie in ernsthafte Verhandlungen eintreten. Viel über Inhalte lassen sich die beiden Hauptverhandler, ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler, während der Sondierungen nicht entlocken. Die Informationen sind meist atmosphärischer Art: Die Gespräche seien „konstruktiv“, „mit großem Respekt“ oder „gegenseitigem Bemühen“ geführt worden.

Deutlicher werden andere, aus dem Umfeld der beiden Chefs, und darunter teils von überraschender Stelle. So gab am Wochenende etwa die Jägerschaft einer möglichen Koalition von ÖVP und Grünen ihren Sanktus. Der frühere Vizekanzler und Landesjägermeister Josef Pröll (ÖVP) sagte, aus Ländern mit grüner Beteiligung habe man „noch keine Hiobsbotschaften“ gehört.

Wirtschaft mit „innerlicher Sehnsucht“

Auch aus der Wirtschaft kommen sanfte Töne Richtung Grüne. Gerade im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie herrscht traditionell Konfliktbereitschaft, sei es bei Themen wie einer CO2-Steuer, der Schuldenbremse oder der dritten Piste für den Wiener Flughafen. In Zeiten der vertrauensbildenden Maßnahmen will die Wirtschaft aber offenbar eher auf Gemeinsamkeiten verweisen.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer nannte etwa eine Koalition von ÖVP und Grünen „sicher realistisch und spannend“, sie verkörpere eine „gewisse innerliche bürgerliche Sehnsucht“, ein „Green New Deal auf Österreichisch“ sei möglich. Die Wiener Wirtschaftskammer, sonst auch eher auf Kriegsfuß mit den Wiener Grünen, forderte jüngst sogar die Vervielfältigung eines grünen Kernprojekts, der Begegnungszonen.

Die pragmatische Begründung für den Schwenk: eine Studie, die positive Effekte errechnet hat. Wurde beim Umbau der Wiener Mariahilfer Straße noch vor Umsatzeinbrüchen gewarnt, hieß es nun: „Wir müssen die Straßen zurückerobern“. Zuletzt sah Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ keine fundamentalen Hürden für eine Koalition mit den Grünen. Nicht einmal bei der Migrationspolitik liege man so weit auseinander.

Neue „Bilder im Kopf“ bei Grünen

Auch die Grünen gaben zuletzt versöhnliche Wortspenden ab. Wiens Vizebürgermeisterin und Grünen-Chefin Birgit Hebein, auch Mitglied in Koglers Sondierungsteam, sagte in einem Puls24-Interview: „Es ist wie im richtigen Leben. In dem Augenblick, wo man Menschen direkt begegnet, verändern sich auch die Bilder im Kopf.“ Hebein hatte sich noch vor der Wahl sehr ablehnend über eine mögliche Koalition mit der ÖVP geäußert. Sigrid Maurer, Vizeklubchefin der Grünen, sagte gegenüber der „Presse“ über Kurz: „Ich denke schon, dass man ihm vertrauen kann.“

ÖVP und Grüne: Sondierungen gehen weiter

Bis Ende der Woche will ÖVP-Chef Sebastian Kurz entscheiden, ob aus den Sondierungsgesprächen auch offizielle Koalitionsverhandlungen mit den Grünen werden.

Allerdings sei er jemand, „bei dem man nicht sofort das Gefühl hat, man kennt sich aus“. Kurz habe eine „erstaunliche Karriere in den letzten Jahren hingelegt“, aber für Maurer ist er nach wie vor „ein bisschen ungreifbar“. Der Ton sei nun auf beiden Seiten gemäßigter, so Maurer. Die ÖVP sei „viel heterogener, als es oft scheint“.

Filzmaier: „Wäre ein bisschen zu billig“

Diese Art, während der Sondierungen in der Öffentlichkeit miteinander umzugehen, könne aber nicht schon als Vorleistung für eine ÖVP-Grünen-Koalition gewertet werden, so der Politologe Peter Filzmaier am Montag gegenüber ORF.at. „Das wäre ein bisschen zu billig“, wenn nur ein paar freundliche Worte reichen würden. Knackpunkt sei immer noch, sich auf inhaltlicher Ebene zu treffen.

Die Wortspenden von Parteien oder nahestehenden Organisationen dürfe man nicht überbewerten. Wirtschaftskammer-Chef Mahrer etwa, der auch Präsident des ÖVP-Wirtschaftbundes ist, versuche, sich pragmatisch als Vertreter einer Teilorganisation zu positionieren. Aus seiner Sicht gebe es keinen Grund, die Sondierungsgespräche mit den Grünen zu torpedieren, so Filzmaier. Dabei würde nur das Image der Beteiligten Schaden nehmen.

In der FPÖ als alternativem Verhandlungspartner für die Volkspartei sehe Mahrer „keinen Wettbewerbsvorteil“. Die Grüne Maurer hingegen werde in ihren Worten überinterpretiert. Sie habe weiterhin Skepsis ausgedrückt, was eine Zusammenarbeit mit der ÖVP betrifft.

„Message Control hin oder her“

Beide Parteien hätten jüngst schlicht ihre Kommunikation professionalisiert. Denn egal, wie die Sondierungen ausgehen werden – ob Einigung oder nicht –, nur so könne ein Imageschaden für beide Seiten verhindert werden, so der Politologe. Die Erkenntnis komme ohnehin spät. „Die Parteien wären schon seit Langem besser beraten gewesen, das Image der eigenen Branche nicht durch gegenseitiges Schlechtmachen zu torpedieren.“ Nicht umsonst habe die Politik einen „übel beleumundeten Ruf“.

Aber einen größeren Masterplan hinter der neuen Kommunikation, der alle Organisationen und potenziellen Wortspenden umfasse, sieht Filzmaier nicht. „Message Control hin oder her: Da überschätzt man wohl die Spin-Fähigkeiten der Parteien. Die wissen ja selber nicht, wie die Gespräche schlussendlich ausgehen.“