Verkehrsstau
ORF.at/Günther Rosenberger
Immer mehr Pendler

Wiener am längsten zum Job unterwegs

Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer oder jede zweite Arbeitnehmerin pendelt. Hatten vor zehn Jahren 45 Prozent ihren Arbeitsplatz außerhalb ihres Wohnorts, so sind es nun bereits 55 Prozent. Am längsten sind im Schnitt jene unterwegs, die aus Wien hinauspendeln.

48 Prozent pendeln innerhalb ihres Bundeslands, sechs Prozent verdingen sich in einem anderen Bundesland, ein Prozent im Ausland. Das geht aus dem Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) hervor.

Den größten Pendleranteil gibt es im Burgenland (81 Prozent), gefolgt von Niederösterreich (68 Prozent). Das hat vor allem mit der Nähe zu Wien zu tun. Angesichts des großen Jobangebots ist der Anteil der Pendler mit 27 Prozent in Wien am niedrigsten. Allerdings brauchen rund zwei Drittel der Wiener Pendlerinnen und Pendler länger als 30 Minuten, um in die Arbeit zu kommen – in ganz Österreich ist es nur ein Drittel.

85 Prozent mit Auto

85 Prozent der Pendler sind mit dem Auto unterwegs, Spitzenreiter sind hier das Burgenland und Oberösterreich, wo 96 Prozent das Auto nutzen. Wobei zu den Autopendlern auch jene gezählt sind, die zur Anreise einen Mix aus Auto und „Öffis“ nutzen. Knapp ein Fünftel nutzt zumindest abschnittsweise auch öffentliche Verkehrsmittel. In Wien ist dieser Anteil mit 69 Prozent viel höher, in Westösterreich mit 27 (Vorarlberg) beziehungsweise 22 Prozent (Tirol) auch überdurchschnittlich.

Belastung für Familienleben

Laut der Umfrage sind Menschen, die lange pendeln müssen, aber nicht zwangsläufig unzufriedener mit ihrem Job. Das hängt laut Arbeiterkammer damit zusammen, dass die Langpendler vor allem gut ausgebildete Männer mit einem gut bezahlten Vollzeitjob sind: „Der Anteil an Führungskräften ist bei Pendlern mit langen Wegstrecken von über einer Stunde doppelt so hoch wie bei Beschäftigten mit kurzen Pendlerstrecken“, so die AK OÖ.

Sehr wohl aber beklagt das Gros der Pendlerinnen und Pendler, dass sich die lange An- und Rückreise zum und vom Job negativ auf Familienleben und Freizeit auswirkt. Je länger die Wegzeit in die Arbeit, desto schlechter wird die Vereinbarkeit mit dem Privatleben eingeschätzt. Während 85 Prozent der Beschäftigten, die weniger als 15 Minuten zur Arbeit brauchen, Arbeit und Privatleben gut oder sehr gut unter einen Hut bringen, sind es bei jenen, die zumindest eine Stunde zu ihrem Arbeitsplatz unterwegs sind, nur 68 Prozent.

Einblick in Arbeitswelt

Vierteljährlich lässt die AK seit mehr als 20 Jahren 1.000 Arbeitnehmer befragen. Dabei werden viele Aspekte des Arbeitslebens, von den Arbeitszeiten bis zur Jobsicherheit, abfragen. Dazu kommen Sonderauswertungen wie etwa zum Pendeln.

Pendeln als Politthema

Die Pendler könnten in den nächsten Jahren auch ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit geraten. Denn angesichts der Klimakrise gab es zuletzt vermehrt Forderungen nach Einführung einer CO2-Abgabe. Während in der Industrie der Ausstoß an Treibhausgasen zumindest rückläufig ist, steigt er im Bereich Verkehr noch immer. Die nächste Regierung wird einen konkreten Klimaplan entwickeln und umsetzen müssen, damit Österreich die von der EU im Gefolge des Pariser Klimaabkommens beschlossenen nationalen Ziele bis 2030 erreichen kann. Andernfalls drohen im schlimmsten Fall Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Ende Oktober forderte etwa WIFO-Chef Christoph Badelt in der ORF-„Pressestunde“, dass klimaschädliches Verhalten teurer werden muss. An einer Bepreisung für Emissionen führe auch kein Weg vorbei. „Solange das Emittieren von CO2 nichts oder so wenig kostet wie jetzt, wird unser marktwirtschaftliches System nicht funktionieren“, sagte Badelt.

„Führt kein Weg vorbei“

Badelt ist jedenfalls der Meinung, dass falsche Anreize gesetzt werden. An einer Bepreisung wird seiner Meinung nach „kein Weg vorbeiführen“. Der WIFO-Chef sprach sich in dem Zusammenhang auch dafür aus, „von den Schwarz-Weiß-Malereien aus dem Wahlkampf“ wegzukommen – etwa beim Thema Pendler. Bei der Pendlerproblematik gehe es nicht um den berühmten Waldviertler Autofahrer, sagte er.

Menschen aus verschiedenen sozialen Situationen seien davon betroffen, viele Faktoren seien zu beachten. „Man kann sich das in Simulationen sehr genau anschauen“, merkte Badelt an. Was es auf jeden Fall brauche, sei ein Zeitplan, denn politische Entscheidungen müssten rasch getroffen werden. „Solange das nicht eingepreist ist, zahlt es die Allgemeinheit“, warnte Badelt.

Bündel an Maßnahmen möglich

Auch eine Reform bei der Pendlerpauschale könnte dann wohl zur Debatte stehen. Fachleute betonen seit Längerem, dass es ein ganzes Bündel an Maßnahmen braucht. Einerseits, um Menschen den Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel wie Rad, E-Bike und „Öffis“ zu erleichtern. Andererseits braucht es – um das Pendeln zu verringern – eine andere Organisation von Arbeit: etwa die Förderung von Home-Office und generell einer Kultur, in der weniger die zeitliche Präsenz von Arbeitnehmern im Vordergrund steht und mehr die Erledigung vereinbarter Aufgaben.