Menschen vor dem Brandenburger Tor auf der Berliner Mauer
APA/AFP/dpa/Peter Kneffel
9. November 1989

Berlin feiert 30 Jahre Mauerfall

Vor genau 30 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen. Sie teilte von 1961 an Deutschland in Ost und West, ehe der DDR-Politiker Günter Schabowski am 9. November 1989 die „unverzügliche“ Grenzöffnung verkündete. Die Bilder tanzender Menschen auf der Mauer gingen um die Welt. Deutschland gedenkt der Ereignisse am Samstag mit zahlreichen Festivitäten.

Schabowski kündigte bei einer internationalen Pressekonferenz, eher beiläufig auf die Frage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrman, die Reisefreiheit für DDR-Bürgerinnen und -Bürger an. Auf Nachfrage, ab wann diese in Kraft trete, sagte Schabowski „Das tritt nach meiner Kenntnis (…) ist das sofort, unverzüglich.“ Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer – um 21.15 Uhr passierten die ersten DDR-Bürger die innerdeutsche Grenze. Das Ende der Mauer war nach über 28 Jahren besiegelt.

Der Fall der Mauer wurde das symbolträchtige Zeichen des Endes der DDR, gleichzeitig war der Mauerfall aber nur ein Teil des Umsturzes in Ostdeutschland. Bis zur endgültigen Wiedervereinigung der DDR mit der Bundesrepublik dauerte es noch fast ein ganzes Jahr, am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Einheit offiziell vollendet. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starben in den mehr als 28 Jahren ihres Bestehens mindestens 140 Menschen durch das Grenzregime.

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Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Die Bilder der Stunden und Tage nach der innerdeutschen Grenzöffnung gingen um die Welt
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die den Osten verließen, wurden im Westen mit Applaus empfangen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Auf der Mauer wurde getanzt und gefeiert
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Die Meldung über den Mauerfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Die Freude über ein Wiedersehen war groß
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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In den folgenden Tagen wurden bei Demonstrationen Teile der Mauer abgetragen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Nach und nach wurde die Mauer niedergerissen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
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Menschen strömten über die innerdeutsche Grenze

Merkel sieht Angleichung als langen Prozess

Die Angleichung zwischen Ost und West wird nach Ansicht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel jedoch noch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich erhofft. „Bei manchem, von dem man gedacht hat, dass es sich zwischen Ost und West angleichen würde, sieht man heute, dass es doch eher ein halbes Jahrhundert oder länger dauert“, sagte Merkel der „Süddeutschen Zeitung“ (Wochenendausgabe).

Staatsspitzen zu Gast in Berlin

In Berlin trafen am Samstag der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Merkel zu einer zentralen Veranstaltung in der Mauer-Gedenkstätte zusammen. Steinmeier empfing zuvor die Präsidenten der Slowakei, Polens, Tschechiens und Ungarns im Schloss Bellevue, bevor sie zusammen zu der Veranstaltung in der Gedenkstätte in der Berliner Bernauer Straße fuhren. Die Straße gilt als Symbol der deutschen Teilung. Als die Mauer 1961 errichtet wurde, lag die Häuserfront der Straße im Osten, der Gehsteig im Westen.

Steinmeier dankte den Bürgerinnen und Bürgern der vier Staaten für ihren maßgeblichen Beitrag zur Wiedervereinigung. „Ohne den Mut und den Freiheitswillen der Polen und Ungarn, der Tschechen und Slowaken wären die friedlichen Revolutionen in Osteuropa und die deutsche Einheit nicht möglich gewesen“, sagte er. Steinmeier appellierte an die Europäer, weiter engagiert an der Einheit des Kontinents zu arbeiten. Nicht alle Hoffnungen und Ziele beim Einreißen des Eisernen Vorhangs seien erreicht worden. „Freiheit und Demokratie, Wohlstand und Zusammenhalt in Europa bleiben große und anspruchsvolle Ziele.“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zündet an einer Gedenkstätte an der ehemaligen Berliner Mauer eine Kerze an
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Merkel nahm an der Veranstaltung zum Jahrestag des Falls der Mauer teil

Merkel rief unterdessen dazu auf, Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten. Zugleich forderte sie die Menschen bei den zentralen Feierlichkeiten in Berlin am Samstag auf, sich nicht entmutigen zu lassen. „Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheit begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann“, sagte Merkel in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren „Todesstreifen“ an der Bernauer Straße.

Feiern entlang der früheren innerdeutschen Grenze

In Berlin wird am Samstag mit umfangreichen Feierlichkeiten und einer großen Bühnenshow am Brandenburger Tor des 30. Jahrestags des Mauerfalls gedacht. Die Show am frühen Abend wird von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller eröffnet, Steinmeier hält eine kurze Rede.

Bei Gedenkveranstaltungen ab dem Abend entlang der früheren innerdeutschen Grenze von Bayern bis Schleswig-Holstein wollen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport auf den Mauerfall und die drei Jahrzehnte danach zurückblicken. Am einstigen Grenzübergang Marienborn zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ist ein Festival mit Auftritten verschiedener Bands geplant.

Van der Bellen: Sieg für Mut, Freiheit und Demokratie

Auch in Österreich wurde der Jahrestag des Falls der Mauer gewürdigt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf Facebook, am 9. November 1989 sei „vielleicht zum ersten Mal“ die Idee eines vereinten Europas „tatsächlich greifbar nahe“ gewesen. „Damals, am 9. November 1989, haben der Mut, die Freiheit und die Demokratie einen Sieg errungen.“

Damals wie heute sei es „eine einfache Wahrheit, dass wir gemeinsam stärker sind als alleine“, betonte der Bundespräsident in der bereits am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. „Der 9. November 1989 und die darauffolgenden Tage haben sich in das kollektive Gedächtnis von uns allen eingeprägt“, so Van der Bellen, der von „Schicksalsstunden für unseren Kontinent“ sprach. „Denn mit der Mauer fiel auch der Eiserne Vorhang endgültig. Vorangegangen waren die ersten freien Wahlen in Polen, bei denen die Opposition siegte, und die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn.“

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bezeichnete den Fall der Berliner Mauer als „Zäsur in der Geschichte unseres Kontinents und unerlässlich für die Einheit Europas“: „Bei allen noch immer bestehenden Herausforderungen und Unterschieden leben wir heute in eng verbundener europäischer Nachbarschaft, geprägt von Frieden und Freiheit. Das ist keine Selbstverständlichkeit und muss von allen Generationen bewahrt und verteidigt werden“, so Bierlein laut einer der APA am Samstag übermittelten Stellungnahme.

74 Prozent finden, dass ihr Leben besser geworden ist

Nach einer Studie im Auftrag der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finden 74 Prozent der Menschen, dass das Leben nach dem Mauerfall besser geworden ist – gleichermaßen in Ost und West. Mehr als drei Viertel empfinden die Öffnung der Grenzen als Glücksfall. Aktuell denken aber 41 Prozent, dass die Unterschiede zwischen den Menschen in Ost- und Westdeutschland gegenüber Gemeinsamkeiten überwiegen.