Polizist in Ausrüstung geht einer Tatortabsperrung entlang
APA/AFP/Anthony Wallace
Hongkong-Proteste

Polizist schoss auf Demonstranten

Bei den Protesten in Hongkong hat es am Sonntag eine neue Eskalation gegeben. Ein Polizist schoss einem 21-jährigen Demonstranten mit scharfer Munition in die Brust – der Mann befindet sich mittlerweile in stabilem Zustand. Bereits am Donnerstag und Freitag hatte der Tod eines Studenten die Proteste gefährlich angeheizt. Am Montag kam es zu chaotischen Szenen in Hongkong. Unter anderem wurde ein Mann in Brand gesetzt.

Der aktuelle Fall wurde gefilmt und live online gestreamt. Auf einem in Sozialen Netzwerken geteilten Video ist zu sehen, wie ein Polizist zunächst aus nächster Nähe seine Waffe auf einen anderen Demonstranten richtet. Es kommt zu einem Handgemenge zwischen den beiden Männern. Währenddessen kommt der 21-Jährige auf den Beamten zu. Der Polizist schießt auf den jungen, vermummten Mann und feuert zwei weitere Schüsse in eine andere Richtung ab.

Anschließend ist zu sehen, wie der 21-Jährige zu Boden fällt und von zwei Polizisten fixiert wird. Laut der „South China Morning Post“ wurde er ins Spital gebracht und operiert. Die Polizei bestätigte den Vorfall. Der 21-Jährige habe versucht, dem Polizisten die Waffe zu entwenden. Die Einsatzkräfte gaben weiters an, dass Beamte auch an zwei weiteren Orten in der Stadt am Montag ihre Dienstwaffen gezogen hätten. Verantwortlich dafür seien die illegalen Taten der „Randalierer“ gewesen. Gerüchte über einen weiteren Todesfall wiesen sie zurück.

Polizist hält Waffe auf Demonstranten
AP/Cupid Producer
Der Schuss wurde dokumentiert und das Video verbreitet

In einer zweiten Gewalteskalation wurde ein Mann angezündet. Laut einem Bericht der „South China Morning Post“ kam es zu einem Streit zwischen Demonstrierenden und dem Mann. Während der Auseinandersetzung wurde der Mann mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet. Er soll Verbrennungen zweiten Grades auf einem Drittel der Hautoberfläche erlitten haben. Auch diese Tat wurde gefilmt und online verbreitet. Über den oder die Täter war vorerst nichts bekannt.

Dritter Angeschossener

Der 21-jährige Angeschossene befindet sich ebenfalls auf der Intensivstation, soll aber mittlerweile in stabilem Zustand sein. Seit dem Ausbruch der Antiregierungsproteste im Juni war es das dritte Mal, dass ein Demonstrant von der Polizei angeschossen wurde. Der Vorfall ereignete sich inmitten einer Welle neuer schwerer Zusammenstöße zwischen der Protestbewegung und der Polizei. Die Demonstrierenden blockierten an mehreren Orten in der Stadt Straßen, legten Feuer und warfen mit Pflastersteinen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschoße ein. Zudem kursierte ein Video, in dem ein Motorradpolizist durch eine Gruppe von Demonstranten raste.

Erneut wurde der öffentliche Nahverkehr an vielen Stellen lahmgelegt. Eine Universität wurde durch einen Brandsatz schwer beschädigt, in einer anderen verbarrikadierten sich zahlreiche Demonstranten. Auch in dem Spital, in dem der 21-Jährige behandelt wurde, ergab sich ein spontaner Protest gegen Polizeigewalt, dem sich auch Krankenhauspersonal anschloss. Mehrere Universitäten strichen am Montag den Unterricht.

Joshu Wong sieht Polizeistaat

Joshua Wong, eines der bekanntesten Gesichter der Demokratiebewegung, forderte ein Ende der Polizeigewalt. „Nicht wir haben die Gewalt eskaliert, sondern die einzige Seite, die eskaliert, ist die Polizei“, sagte Wong der britischen BBC. „Aus Hongkong wird ein Polizeistaat gemacht.“ Wong appellierte an den US-Senat, einen Gesetzesentwurf im US-Abgeordnetenhaus zur Unterstützung der Demokratiebewegung in Hongkong anzunehmen. Der bekannte Aktivist forderte die internationale Gemeinschaft auf, nicht mehr wegzuschauen.

Mann nach Parkhaus-Sturz tot

Die Proteste entzündeten sich erneut am Tod eines Studenten am Freitag. Der 22-Jährige war an seinen schweren Verletzungen gestorben, nachdem er vergangene Woche am Rande von Protesten von einem Parkhaus gestürzt war. Viele warfen der Polizei vor, für den Sturz verantwortlich zu sein. Laut den Behörden wurde der Student etwa 120 Meter von einer Stelle gefunden, an der die Beamten Tränengas eingesetzt hatten.

Auch am Wochenende war es in Hongkong erneut zu Ausschreitungen gekommen. Seit mittlerweile sechs Monaten demonstrieren zahlreiche Hongkonger gegen die eigene Regierung. Sie kritisieren einen wachsenden Einfluss der Pekinger Führung auf die ehemalige britische Kronkolonie, die nach dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ zu China gehört. Immer wieder kommt es dabei zu schweren Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten. Die Furcht wächst, dass China aggressiv eingreifen könne.