Mann mit Kinderwagen vor dem Bundeskanzleramt
ORF.at/Roland Winkler
Kinder, Wirtschaft, Klima

Lange Wunschliste an künftige Regierung

ÖVP und Grünen sind gerade erst in Koalitionsverhandlungen getreten. Die Liste mit Wünschen an eine zukünftige Regierung ist aber bereits lang. Und die Forderungen lassen mögliche Knackpunkte der Regierungsverhandlungen erkennen.

Wünschen kann man sich alles, lautet ein viel genutztes Sprichwort. Das gilt umso mehr, wenn noch gar nicht geklärt ist, an wen sich die Forderungen im Detail richten werden. Und so sind die Wochen und Monate der Koalitionssuche auch immer eine Phase der Forderungen und Wünsche – an eine zukünftige Regierung eben.

Die Wunschlisten und Forderungskataloge zeichnen dabei nicht nur ein Bild der Vorstellungen und Ansprüche innerhalb einer Gesellschaft. Sie lassen auch erahnen, welche Herausforderungen sich bei Koalitionsverhandlungen auftun können. Das gilt zurzeit umso mehr, als mit ÖVP und Grünen zwei Parteien mit teils sehr unterschiedlichen Positionen an einer Regierung feilen. Dazu kommt: Bei vielen Forderungen spielt das Erbe der ehemaligen Regierung aus ÖVP und FPÖ maßgeblich mit hinein.

WKÖ wünscht sich ÖVP-FPÖ-Pläne

Ganz unverhohlen Bezug auf die geplatzte ÖVP-FPÖ-Koalition nahm vergangene Woche etwa die Wirtschaftskammer (WKÖ). Die Interessenvertretung wünschte sich von einer künftigen Regierung eine Steuerreform, wie sie bereits ÖVP und FPÖ geplant hatten. Fünf Milliarden Euro weniger an Steuern und Abgaben hätte das Paket umfasst. Es war zwar bereits ausverhandelt, das vorzeitige Ende der Koalition machte einer Umsetzung aber einen Strich durch die Rechnung.

Karlheinz Kopf, Harald Mahrer und Christoph Schmidt
www.picturedesk.com/SEPA.Media/Martin Juen
Die WKÖ-Spitze meint zu wissen, „was Österreich jetzt braucht“

Neben einer Senkung der Steuer- und Lohnnebenkosten hat die WKÖ auch die Punkte „Bürokratie abbauen“, „Innovationen fördern“, „Bildung verbessern“ und „Investitionen stärken“ in ihrem Forderungskatalog. Es ist davon auszugehen, dass die WKÖ-Forderung auch direkt Eingang in die Koalitionsverhandlungen findet. Leitet WKÖ-Präsident Harald Mahrer doch für die ÖVP die Steuerungsgruppe Wirtschaft und Finanzen.

Kinderarmut im Visier

Die Grünen wiederum würden wohl viele jene Forderungen unterschreiben, die diese Woche die Armutskonferenz an eine zukünftige Regierung herangetragen hat. Das Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen in Österreich bezog sich dabei ebenfalls auf ein Vorhaben der ehemaligen Regierung – wenngleich nicht positiv. Die von ÖVP und FPÖ durchgezogene Mindestsicherung müsse zurückgenommen oder zumindest inhaltlich überarbeitet werden, so die Armutskonferenz.

Fotoaktion der Armutskonferenz in Wien
APA/Helmut Fohringer
Die Armutskonferenz brachte ihre Forderungen vor den Ort der Koalitionsverhandlungen

Eine der zentralen Forderungen: Kinder sollen aus der Mindestsicherung herausgenommen werden. Stattdessen soll eine eigene Kindergrundsicherung aufgebaut werden. Die Bekämpfung der Kinderarmut war neben dem Klima- und Umweltschutz eines der großen Anliegen der Grünen im Wahlkampf. Und auch in den vergangenen Tagen betonte Grünen-Obmann Werner Kogler mehrfach, wie viel das Thema seiner Partei bedeute.

Die Forderung nach einer Kindergrundsicherung kam am Dienstag auch von der Bundesjugendvertretung (BJV). Die gesetzliche Interessenvertetung aller Kinder und Jugendlichen in Österreich wünschte sich neben der Reform der Sozialhilfe auch ein neues Unterhaltsrecht. Darüber hinaus solle die Regierung unter Beiziehung von Experten einen „Nationalen Aktionsplan für Kinderrechte“ ausarbeiten.

Kinder und Jugendliche spielen auch eine Rolle in der Forderung der Diakonie nach einer Sozialmilliarde. Das Geld soll nach den Wünschen der evangelischen Hilfsorganisation unter anderem für die Kinder- und Jugendhilfe verwendet werden. Daneben wünscht sich die Diakonie Verbesserungen im Flüchtlingswesen und im Hospizbereich.

Pflege als Spaltpilz mit den Ländern

Letzteres fällt in den großen Bereich Pflege, zu dem zuletzt ebenfalls Forderungen laut wurden, etwa von der Caritas und der Sozialwirtschaft Österreich. Mehr Unterstützung vom Bund erwarten sich auch die Bundesländer. Als sich die Sozialreferenten der Länder Ende Oktober in Linz trafen, stand am Ende auch eine Resolution an die künftige Regierung. Eine zentrale Forderung darin: Die Absicherung des Bundespflegefondsgesetzes über 2021 hinaus. Das Gesetz regelt, wie viel Geld die Länder für den Aus- und Aufbau der Pflege erhalten.

Gruppenbild der  Landeshauptleutekonferenz
APA/Herbert Pfarrhofer
Die Länder brachten sich bereits zum Thema Pflege in Stellung

Die Stimmung zwischen Bund und Ländern ist in Bezug auf die Pflege ohnehin angespannt. Der Streit über die Höhe der Gelder, die der Bund nach dem Wegfall des Pflegeregresses an die Länder zahlt, erregt seit Monaten die Gemüter der Landesobleute. Man habe einstimmig beschlossen, „sich Richtung Bund aufzumachen, um das Geld zu bekommen“, hieß es vergangene Woche von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP).

Forderung nach „Superministerium“

Zweifellos eine gewichtige Rolle in den Koalitionsverhandlungen wird auch der Klimaschutz spielen – nicht nur, weil mit den Grünen jene Partei am Verhandlungstisch sitzt, die sich das Thema ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat. Naturgemäß sehr prononcierte Forderungen äußerte in dem Zusammenhang die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Neben einem Klimabudget von zwei Milliarden Euro und einer ökosozialen Steuerreform wünscht sich die NGO ein „Superministerium für Klimaschutz mit Umwelt, Klima, Energie, Landwirtschaft, Verkehr und Infrastrukur in einer Hand“.

Die tatsächlichen Chancen für die Einrichtung eines solchen Ressorts mögen denkbar gering sein. Die Forderung, den Klimaschutz in der Regierung auf möglichst breite Beine zu stellen, war zuletzt aber von vielen Seiten zu hören. Wenngleich die Zugänge teils recht unterschiedlich ausfielen. Die von Attac, Global 2000, Südwind und Gewerkschaften gegründete Plattform Anders nannte etwa in ihren Forderungen an eine künftige Regierung die „neoliberale Handelspolitik“ als eine der Gründe für die Klimakrise. Während für die Industriellenvereinigung (IV) „ein starker, attraktiver Wirtschaftsstandort“ auch das „Fundament“ für den Klimaschutz bildet.

Herausforderung Arbeitsmarkt

Um einen solchen Wirtschaftsstandort zu sichern, wünscht sich die IV unter anderem auch eine „Strategie für qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung“ und dazu passend ein eigenes Staatssekretariat für Zuwanderung und Integration – also ein Amt, wie es ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor seiner Kür zum Außenminister bekleidete. IV-Präsident Georg Kapsch wünscht sich überdies, „dass Aslywerber, die in Österreich eine Lehre begonnen haben, diese auch fertig machen können“.

In den Arbeitsmarkt spielen – kaum überraschend – auch viele Forderungen der Arbeiterkammer (AK) hinein. Die Interessenvertretung wünschte sich zum Beispiel zusätzliche Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich für Langzeitarbeitslose über 45 Jahren. Für Weiterbildung und berufliche Neuausbildung soll es ein „Qualifizierungsgeld“ geben. Und für das Arbeitsmarktservice forderte die AK mehr Personal anstatt des geplanten Stellenabbaus.

Bildungswünsche von Volksschule bis Uni

Mehr Geld forderte auch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) – in dem Fall für die Unis. Die Ausgaben für den Hochschulsektor müssten von derzeit 1,5 auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, heißt es in dem Forderungskatalog, den die ÖH diese Woche vorstellte. Neben bekannten Forderungen wie der Abschaffung aller Zugangsbeschränkungen plädiert die Studierendenvertretung darin auch dafür, dass die Agenden Bildung, Wissenschaft und Forschung auch in Zukunft in einem Ministerium gebündelt bleiben.

Dieses Ministerium wäre dann letztlich auch der Adressat der Forderungen der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB). Die wissenschaftliche Vereinigung der österreichischen Bildungsforscherinnen und -forscher richtete sich diese Woche freilich direkt an die Verhandlungsteams von ÖVP und Grüne und rief sie zu einem „Rückbau lernhinderlicher Bildungsmaßnahmen“ auf.

Vor allem die verpflichtende Wiedereinführung der Ziffernnoten in den ersten Volksschuljahren ist der ÖFEB ein Dorn im Auge. Aber auch das Sitzenbleiben in der Volksschule oder verpflichtende Deutschklassen stören die Expertinnen und Experten. Dabei sind die kritisierten Maßnahmen noch relativ jung. Sie waren allesamt erst von der vergangenen ÖVP-FPÖ-Regierung auf den Weg gebracht worden.