Marie Yovanovitch
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Ukraine-Anhörung

Trump wettert gegen Ex-Botschafterin

Am zweiten Tag der Impeachment-Anhörungen gegen US-Präsident Donald Trump hat die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine ausgesagt. Trump attackierte sie während ihrer Befragung am Freitag im Repräsentantenhaus per Twitter. Dem Präsidenten wird nun „Einschüchterung“ vorgeworfen – er weist die Anschuldigungen zurück. In der Nacht setzten Aussagen eines US-Diplomaten Trump indes noch weiter unter Druck.

Überall, wo Marie Yovanovitch hingegangen sei, habe sich die Lage verschlechtert, schrieb Trump auf Twitter. Yovanovitch wurde bei der Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss auf den Tweet angesprochen. „Es ist einschüchternd“, sagte sie. Der Ausschussvorsitzende Adam Schiff warf Trump „Einschüchterung von Zeugen in Echtzeit“ vor. Bereits zuvor hatte Yovanovitch unter Eid ausgesagt, sie habe sich von Aussagen Trumps bedroht gefühlt.

Trump verteidigte sich später bei einem Auftritt im Weißen Haus und wies den Vorwurf zurück, er versuche, Zeugen einzuschüchtern. „Ich habe ein Recht auf freie Meinungsäußerung, genau wie andere Leute.“ Der Präsident sagte, er habe an diesem Freitag erstmals Teile der öffentlichen Anhörungen angeschaut. Was sich dort abspiele, sei eine Schande, kritisierte er. Den Republikanern würden wichtige Verfahrensrechte verweigert. Das Ganze sei ein „Witz“. Auch das Weiße Haus verteidigte Trump. „Der Tweet war keine Einschüchterung von Zeugen“, so Trumps Sprecherin, Stephanie Grisham. „Es war schlicht die Meinung des Präsidenten, zu der er berechtigt ist.“

Marie Yovanovitch
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Yovanovitch sagte am Freitag vor dem US-Repräsentantenhaus aus

Ex-Botschafterin sieht „Rufmordkampagne“

Der demokratische Ausschussvorsitzende Schiff sagte zum Auftakt der öffentlichen Sitzung, Yovanovitch sei von US-Präsident Trump als „Hindernis“ bei der Umsetzung seiner „persönlichen und politischen Agenda“ betrachtet und deshalb entlassen worden. Der Republikaner Devin Nunes sprach dagegen von „Watergate-Fantasien“ der Demokraten.

Yovanovitch sah sich bei der Anhörung als Opfer einer „Rufmordkampagne“ infolge ihres Engagements gegen Korruption in der Ukraine. Sie machte dafür korrupte ukrainische Beamte, aber auch Trumps persönlichen Anwalt Rudy Giuliani verantwortlich. „Ich verstehe Herrn Giulianis Beweggründe nicht, mich anzugreifen.“

Yovanovitch sagte, sie habe am Abend des 24. April während eines Empfangs in der Botschaft einen Anruf des US-Außenministeriums erhalten. Sie sei aufgefordert worden, mit dem nächsten Flugzeug nach Washington zurückzukehren. Dort sei ihr gesagt worden, dass Trump das Vertrauen in sie verloren habe. „Es war furchtbar, das zu hören. Es wurde kein echter Grund genannt, warum ich gehen musste.“

„Sie wird ein paar Sachen durchmachen“

Die frühere Botschafterin wurde auch auf das Gesprächsprotokoll des Telefonats zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski am 25. Juli angesprochen, das im Zentrum der Ukraine-Affäre steht. Trump regte in dem Gespräch Ermittlungen gegen Hunter Biden an, den Sohn von Trumps demokratischem Rivalen im Präsidentschaftskampf, Joe Biden. Über die abberufene US-Botschafterin in Kiew sagte Trump darin: „Sie wird ein paar Sachen durchmachen.“ Yovanovitch sagte: „Das klang wie eine Bedrohung.“

Trump sagte Selenski laut Gesprächsprotokoll auch, die frühere Botschafterin bedeute „bad news“. Yovanovitch sagte am Freitag: „Ich war schockiert. Absolut schockiert und am Boden zerstört.“ Sie habe nicht glauben können, dass der Präsident der USA mit einem anderen Staatschef so über eine Botschafterin spricht. Yovanovitch zeichnete auch ein verheerendes Bild des US-Außenministeriums, das „von innen ausgehöhlt“ werde.

Bericht: US-Diplomat bestätigt direkte Intervention

Unterdessen bestätigte einem CNN-Bericht zufolge ein weiterer US-Diplomat eine direkte Intervention Trumps in der Ukraine-Affäre. Der US-Nachrichtensender CNN veröffentlichte in der Nacht auf Samstag Aussagen des Diplomaten David Holmes bei Anhörungen im US-Repräsentantenhaus. Holmes sagte demnach aus, dass er am 26. Juli in einem Restaurant in Kiew ein Telefonat Trumps mit dem US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, mithörte.

Holmes sagte, er habe Trumps „sehr laute“ Stimme am Telefon wiedererkannt. Trump habe sich bei Sondland erkundigt, ob der ukrainische Präsident wie von ihm gewünscht Ermittlungen gegen die Bidens einleiten werde. Sondland habe geantwortet, dass Selenski „alles tun wird, was Sie von ihm verlangen“.

Die Bedeutung der Aussage von Holmes liegt darin, dass das fragliche Telefonat auf den 26. Juli datiert ist. Lange war davon ausgegangen worden, dass nur ein direktes Telefonat zwischen Trump und Selenski vom 25. Juli in der Frage herangezogen werden könne, ob Trump sich im Umgang mit Selenski Amtsmissbrauch zuschulden kommen ließ.

Demokraten sehen Machtmissbrauch Trumps

Die US-Demokraten im Repräsentantenhaus führen Untersuchungen, die zu einem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump führen könnten. Sie werfen ihm vor, seine Macht missbraucht zu haben, um die ukrainische Regierung dafür zu gewinnen, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen. Es besteht der Verdacht, dass Trump Militärhilfe an das Land in Höhe von rund 400 Millionen US-Dollar als Druckmittel einsetzte. Trump spricht von einer „Hexenjagd“.

Schon am Mittwoch hatten Abgeordnete der Demokraten und der Republikaner im US-Kongress zwei Zeugen öffentlich befragt – das erste Mal seit Aufnahme der Impeachment-Ermittlungen Ende September. Der geschäftsführende US-Botschafter in der Ukraine, William Taylor, machte dabei neue – für Trump belastende – Angaben.

Die Demokraten sahen Vorwürfe gegen Trump danach untermauert. „Die vernichtende Zeugenaussage hat Hinweise auf Bestechung (…) erhärtet und dass der Präsident seine Macht missbraucht und seinen Eid verletzt hat“, sagte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, am Donnerstag in Washington.

Telefonat im Zentrum der Affäre

Pelosi betonte am Mittwoch aber, dass über die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens noch nicht entschieden sei. Im Zentrum der Ukraine-Affäre steht ein Telefonat Trumps mit seinem ukrainischen Kollegen Selenski am 25. Juli. Darin ermunterte Trump Selenski zu Ermittlungen, die Joe Biden hätten schaden können.

Trump wirft Biden vor, in seiner früheren Funktion als US-Vizepräsident Anstrengungen unternommen zu haben, um seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Hunter Biden war bei einem Gaskonzern in der Ukraine beschäftigt. Joe Biden hat gute Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl nächstes Jahr. Trump will für die Republikaner zur Wiederwahl antreten.

Trump-Vertrauter Stone verurteilt

Auch in einer anderen Causa steht Trump unter Druck: Roger Stone, langjähriger Vertrauter des US-Präsidenten, wurde am Freitag in mehreren Anklagepunkten in Zusammenhang mit der Russland-Affäre für schuldig befunden. Geschworene sahen es in Washington nach zweitägigen Beratungen als erwiesen an, dass der 67 Jahre alte Stone unter anderem Falschaussagen gemacht und Justizermittlungen behindert hat. Im Februar soll das Strafmaß festgelegt werden. Stone hatte alle Vorwürfe zuvor zurückgewiesen.

Roger Stone
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Der Trump-Vertraute Stone wurde am Freitag mehrfach schuldig gesprochen

Trump spielt Ball an Clinton

US-Präsident Trump kommentierte auf Twitter, dass auch andere – beispielsweise die demokratische Präsidentschaftskandidatin 2016, Hillary Clinton – wegen möglicher Falschaussagen untersucht werden müssten. „Haben sie nicht gelogen?“, schrieb Trump. „Eine Doppelmoral wie nie zuvor in der Geschichte unseres Landes?“

Stone war im Jänner in Florida festgenommen und später unter Auflagen freigelassen worden. Hintergrund sind die Ermittlungen von Sonderermittler Robert Mueller dazu, ob es im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Absprachen des Trump-Lagers mit Vertretern Russlands gab. Stone hatte 2015 für Trump gearbeitet – bei den Vorbereitungen für den Präsidentschaftswahlkampf 2016. Er stand auch danach weiter in engem Kontakt mit ihm, als eine Art informeller Berater.