Architekt Gustav Peichl
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1928–2019

Gustav Peichl ist tot

Der Stararchitekt und Karikaturist Gustav Peichl ist tot. Er verstarb am Sonntag im Alter von 91 Jahren nach kurzer Krankheit in seinem Haus in Wien-Grinzing, wo er seit 1962 lebte. Das teilte die Familie der APA mit. Die Architekturwelt verliert einen ihrer kreativsten Proponenten.

Zu den zentralen Arbeiten des Architekten Peichl gehören sieben ORF-Landesstudios, das neue Haus der Kammerspiele München, die Bundeskunsthalle Bonn und nicht zuletzt das Karikaturmuseum in Krems mit dem Ironimus-Kabinett. Hier schloss sich der Kreis zur zweiten Passion des am 18. März 1928 in Wien geborenen Peichl, der zeit seines Lebens mehr als 12.000 Karikaturen und 30 Bücher veröffentlichte.

Peichl studierte nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule Mödling und der Bundesgewerbeschule in Linz an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Clemens Holzmeister. Schon während des Studiums entstanden politische Karikaturen, mit denen er in Zeitungen wie „Kurier“, „Express“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Presse“ Erfolg hatte und zum veritablen Medienstar avancierte. Mit legendären TV-Sendungen („Die Karikatur der Woche“, „Der Jahresrückblick in der Karikatur“) erreichte Peichl alias „Ironimus“ ein Millionenpublikum.

Architekt Gustav Peichl
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„Ironimus“ machte Peichl bekannt

Sein Markenzeichen war die runde Brille, an der ihn jeder erkannte. Beim Zeichnen war es der feine, leicht zittrige Tuschestrich, ohne Kolorierung, ohne große Gesten, präzise auf die Pointe konzentriert. Für „Ironimus“ gab es kein Tabu. Was er aber ausschloss, war das Ordinäre, nie ging er mit seinen Karikaturen unter die Gürtellinie. Sein Credo lautete: „Mit Humor etwas ausdrücken und versuchen, lustig zu sein, aber nicht geschmacklos.“

Mit Zeichnungen Studium finanziert

Elf Bundeskanzler zeichnete Peichl, Bruno Kreisky war ein „großartiges Opfer“, für ihn hegte er – selbst als konservativ eingestuft – tiefe Bewunderung. „Wenn die politische Karikatur noch nicht erfunden wäre, für ihn müsste man sie erfinden.“ Er sei dankbar gewesen für jede Karikatur. „Egal, ob sie gut oder schlecht war. Er wusste mit seiner Intelligenz, dass sie ihm nützt“, so Peichl. Kreiskys Nachfolger Fred Sinowatz zählte ebenfalls zu seinen Lieblingen. „Sinowatz war zwar kein guter Politiker, aber ein interessanter Mann und sehr gebildet.“

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Architekt Gustav Peichl
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Die runde Brille war Peichls Markenzeichen
ORF-Landesstudio Eisenstadt
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Peichl war auch für den Entwurf des ORF-Landesstudios Burgenland zuständig
Messe Wien
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Als Architekt zeichnete Peichl auch für die Messe Wien verantwortlich
Architekt Gustav Peichl mit einer Ironimus-Zeichnung
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Peichl war als „Ironimus“ auch für seine Karikaturen bekannt
Karikaturmuseum Krems
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Das Karikaturmuseum in Krems trägt ebenfalls Peichls Handschrift

Für den „Meilenstein der österreichischen Karikatur“, wie ihn Kollege Gerhard Haderer titulierte, war ein guter Politiker einer, „der ein Gesicht hat“. „Dem (Helmut, Anm.) Zilk etwa ist die Dynamik geradezu aus den Augen herausgeschossen. Eine Meisterin der Damenklasse war die Hertha Firnberg.“ Grundsätzlich kursierte unter Politikern der Satz: „Es ist schlimm, von ‚Ironimus‘ karikiert zu werden, aber es nicht zu werden, ist noch schlimmer.“

„Ich zeichne, seit ich denken kann“, machte Peichl einmal seine Obsession deutlich. Nur 20 Prozent seiner Zeit habe er aber mit Karikaturen verbracht. Er begann damit, um sein Architekturstudium zu finanzieren, zunächst als „Pei“, ab 1949 unter dem Pseudonym „Ironimus“. Das Pseudonym brauchte Peichl, um gegen eventuelle Repressalien der russischen Besatzungsmacht abgesichert zu sein. Im Laufe der Zeit wurde aus dem Hobby aber ein Zweitberuf.

Zahlreiche Architekturprojekte

1955 öffnete er sein eigenes Architekturbüro in Wien und errang bald internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. Als Architekt zeichnete er auch für die Messe Wien verantwortlich sowie die Burgtheater-Probebühne im Arsenal und die Erdfunkstelle Aflenz. Klare Formgebung, die Verwendung von Sichtbeton und spielerische Akzente sind für seinen Stil charakteristisch. „Wenn sich ein Architekt mit dem Zeitgeist verheiratet, ist er sehr bald Witwer“, charakterisierte Peichl einmal seinen Zugang.

ORF-Landesstudio Eisenstadt
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Peichl war auch für den Entwurf des ORF-Landesstudios Burgenland zuständig

Von 1973 bis 1996 leitete Peichl die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1987/88 auch als Rektor fungierte. Peichl nahm zweimal an der Architekturbiennale in Venedig und an der documenta in Kassel teil.

Zahlreiche Auszeichnungen weltweit

Zahlreiche Auszeichnungen – wie der Große Österreichische Staatspreis, der Mies van der Rohe Award, der Goldene Ehrenring der Kammer der Architekten und der Architekturpreis Berlin – würdigten sein Schaffen. In Berlin öffnete 2013 das Gustav-Peichl-Archiv, 2014 wurde in Wien der Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung gestiftet. 100 Ausstellungen widmeten sich zudem seinem Werk.

Bis zuletzt war er als Karikaturist aktiv, unter anderem brachte er im August 2019 im Amalthea-Verlag das Buch „Offene Geheimnisse“ mit späten Zeichnungen und Collagen heraus. Im Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee (Bayern) wurde Ende September 2019 die Einzelausstellung „Ironimus / Cartoons von 1948 bis 2018“ eröffnet, die bis Jänner 2020 läuft. Peichl hinterlässt zwei Söhne sowie eine Tochter. Seine Frau verstarb 2013.

Politik und Kultur bestürzt

Zahlreiche Politiker und Kulturinstitutionen zeigten sich bestürzt über den Tod Peichls und würdigten sein Schaffen. „Mit Gustav Peichl haben Architektur und Karikatur eine prägende österreichische Persönlichkeit verloren“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er sei eine wachsame Stimme gewesen, die Modernität und Tradition gleichzeitig verbunden habe, betonte der Bundespräsident. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezeichnete Peichl als „scharfzüngigen Beobachter der Politik“.

TV-Hinweis

Der „kulturMontag“ in ORF2 bringt um 22.30 Uhr einen Nachruf auf Peichl, gefolgt von der Dokumentation „Gustav Peichl: Der Doppeltäter – Am Anfang war der Strich“. Ö1 wiederholt Freitagnachmittag ein „Im Gespräch“ mit Peichl.

Peichl habe mit den ORF-Landesstudios Architekturgeschichte geschrieben, so ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz, und als Architekt „wesentlich zum unverwechselbaren Erscheinungsbild des ORF beigetragen“. Er habe den Weg des ORF geebnet zu seiner heutigen Nähe zum Publikum als modernes und verbindendes Medienunternehmen. Peichl sei nicht nur beeindruckender Künstler, sondern auch als Mensch ein Gesamtkunstwerk gewesen, so Christoph Thun-Hohenstein, Generaldirektor des Museums für Angewandte Kunst (MAK). „Wer immer die Ehre und Freude hatte, ihm persönlich zu begegnen, wird seinen Intellekt und Wortwitz unvergessen in Erinnerung behalten.“ „Mit Gustav Peichl verliert Österreich eines seiner großen Genies des Geisteslebens wie der Architekturgeschichte“, hieß es auch von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder.

„Trauere um meinen ältesten Freund“

Peichls Karikaturen seien „bis heute wertvolle Zeitdokumente der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung unseres Landes“, so Kulturminister Alexander Schallenberg. ÖVP-Chef Sebastian Kurz bezeichnete Peichl als Architekt prägend für die österreichische Baukultur sowie als Karikaturist für die politische Landschaft „wie kein anderer“. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) würdigte Peichl, er habe viel zur Weiterentwicklung und internationalen Positionierung des Bundeslandes beigetragen.

SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda verwies gleichfalls auf die Doppelnatur Peichls, den er stets als bereichernden Gesprächspartner empfunden habe. NEOS-Kultursprecher Sepp Schellhorn zeigte sich ebenfalls tief betroffen, Peichls Kunst „war politisch, pointiert, jedoch nie feindselig oder untergriffig“. Betroffen zeigte sich auch der einstige „Kurier“-Herausgeber und nunmehrige NEOS-Politiker Helmut Brandstätter auf Twitter, wo auch der einstige „Kurier“-Chefredakteur Peter Rabl schrieb: „Ich trauere um meinen ältesten Freund.“