WikiLeaks-Gründer Julian Assange
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Vergewaltigungsvorwurf

Schweden ermittelt nicht mehr gegen Assange

Die Voruntersuchungen gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange in Schweden wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung werden niedergelegt. Der Vorfall liege mittlerweile neun Jahre und damit so lange zurück, dass sich die Beweislage deutlich abgeschwächt habe, erklärte die stellvertretende Direktorin der schwedischen Strafverfolgung, Eva-Marie Persson, am Dienstag.

Zwar hielten die Ermittler die Klägerin für glaubwürdig und ihre Informationen für zuverlässig, doch reichten die Beweise für eine Verurteilung nicht aus, so Persson. Sie sei deshalb nach langer Abwägung zu dem Schluss gelangt, dass es keinen Grund gebe, die Ermittlungen fortzusetzen.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft könne jedoch angefochten werden. Assange war vorgeworfen worden, im August 2010 eine Schwedin vergewaltigt zu haben. Der heute 48-Jährige hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seit April sitzt Assange in Großbritannien eine fast einjährige Haftstrafe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen ab.

Sieben Jahre in ecuadorianischer Botschaft

Zuvor hatte er sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London aufgehalten, um einer Auslieferung nach Schweden wegen der Vergewaltigungsvorwürfe zu entgehen. Gegen ihn lag ein europäischer Haftbefehl vor. Er befürchtete, zunächst nach Skandinavien und schließlich an die USA ausgeliefert zu werden. Diese Option ist nun ausgeschlossen.

Die schwedische Staatsanwältin Eva-Marie Persson
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Eva-Marie Persson, stellvertretende Direktorin der schwedischen Strafverfolgung

Ermittlungen schon einmal eingestellt

Die schwedischen Ermittlungen waren 2017 schon einmal eingestellt worden, weil es nicht gelungen war, die Vorwürfe gegen den jahrelang in der Botschaft lebenden Assange ausreichend zu untersuchen. Die Schuldfrage konnte damals nicht geklärt werden. Im Mai 2019 hatte die schwedische Staatsanwaltschaft ihre Voruntersuchungen aber wieder aufgenommen und einen Haftbefehl beantragt – was das zuständige Bezirksgericht in Uppsala aber im Juni ablehnte. Die Strafverfolgung hatte darauf verzichtet, gegen die Ablehnung des Haftbefehls in Berufung zu gehen.

Auslieferungsantrag der US-Justiz

Eine mögliche Auslieferung an die USA ist aber noch nicht vom Tisch, weil die US-Justiz einen Auslieferungsantrag gestellt hat, der von den Briten zugelassen wurde. Die Verhandlung zu dem Gesuch beginnt am 25. Februar 2020. In Großbritannien war Assange im April zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt worden, weil er mit der Flucht in die Botschaft gegen Kautionsauflagen verstoßen hatte. Dagegen hatten seine Anwälte zunächst Berufung eingelegt, diese dann aber im Juli fallen gelassen.

Die USA wollen Assange wegen des Vorwurfs vor Gericht stellen, der Whistleblowerin Chelsea Manning geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan zu veröffentlichen. Bei einer Verurteilung in allen 18 Anklagepunkten drohen ihm 175 Jahre Haft.

„Lassen Sie uns jetzt den Fokus auf die Bedrohung legen, vor der Herr Assange seit Jahren warnt: die kriegerische Strafverfolgung der USA und die Bedrohung, die diese für das First Amendment darstellt“, erklärte WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson nach der schwedischen Bekanntgabe. Im First Amendment, dem ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, sind Freiheiten wie die Rede- und Pressefreiheit festgeschrieben.