Nach ersten Ermittlungen der Polizei löste sich während des Vortrags plötzlich ein Mann aus der Reihe der rund 20 Zuhörerinnen und Zuhörer in der privaten Schlosspark-Klinik in der Nähe des Charlottenburger Schlosses. Der bewaffnete Unbekannte stürmte auf den Dozenten zu. Ein Polizist, der zufällig unter den Zuschauern saß, versuchte noch, den Mann aufzuhalten. Der Beamte, der nicht im Dienst war, wurde dabei selbst schwer verletzt.
Mehrere Menschen aus dem Publikum halfen schließlich zusammen, um den Täter festzuhalten und der Polizei zu übergeben. Um 18.59 Uhr ging bei Feuerwehr und Polizei ein Notruf ein, Rettungssanitäter und Notarzt eilten zu Hilfe. Sie konnten dem schwer verletzten Spitzenmediziner nicht mehr helfen – ein Wiederbelebungsversuch bei Weizsäcker blieb erfolglos.
Eine Mordkommission nahm Ermittlungen auf, Notfallseelsorger waren an Ort und Stelle, um Zuschauer und Mitarbeiter der Klinik zu betreuen. Am Mittwoch wurde ein Kondolenzbuch aufgelegt: „Alle Mitarbeiter haben die Möglichkeit, in einem geschützten Raum ihre Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen“, teilte die Klinik mit.
Tatverdächtiger polizeilich nicht bekannt
Zu den Hintergründen der Tat und möglichen Motiven des Täters machte die Polizei noch keine Angaben. Bestätigt wurde Mittwochfrüh, dass der Tatverdächtige 57 Jahre alt ist und der Polizei bisher unbekannt war. Es handle sich um einen Deutschen, der kein Patient der Klinik gewesen, sondern als Gast zum Vortrag gekommen sei. „Das Tatmittel war ein Messer“, sagte eine Polizeisprecherin. Zur Zurechnungsfähigkeit des Mannes lägen bisher keine Erkenntnisse vor. Noch am Mittwoch sollte ein Ermittlungsrichter darüber entscheiden, ob der Verdächtige in Untersuchungshaft oder in eine psychiatrische Einrichtung kommt.
Die Polizei ermittelt laut der Sprecherin in alle Richtungen. Beamte sollen auch die Familie Weizsäckers dazu befragen, ob es eine Bedrohungslage gegeben haben könnte. Nach von der Polizei später bestätigten Informationen der „Bild“-Zeitung (Onlineausgabe) kommt der Verdächtige aus Rheinland-Pfalz. Er habe dort seinen festen Wohnsitz und keinen in Berlin. Seine Wohnung sei durchsucht, aber nichts Auffälliges gefunden worden. Das Blatt berichtete auch, der Mann sei „psychisch auffällig“. Es sei unklar, ob eigene Angaben zu seinem Motiv zutreffend seien. Die Polizei wollte sich zu Details zunächst nicht äußern.
Der 59-jährige Fritz von Weizsäcker hinterlässt seine Frau und drei gemeinsame Kinder. Die Schwester des Ermordeten, Beatrice von Weizsäcker, postete auf Instagram das Bild eines Kreuzes und schrieb dazu: „Gib acht auf meinen Bruder …“ Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker würdigte seinen getöteten Cousin: „Ich fand ihn ganz wunderbar. Ich habe ihn ungewöhnlich lieb gehabt.“ Er habe keine Ahnung, was hinter dem Verbrechen stecken könnte, so Ernst Ulrich von Weizsäcker, der früher SPD-Bundestagsabgeordneter war.
Beileidsbekundungen der Politspitze
Fritz von Weizsäcker war Mitglied der FDP. Deren Chef Christian Lindner bekundete auf Twitter seine Trauer: „Mein Freund Fritz von Weizsäcker wurde heute Abend in Berlin erstochen“, schrieb er. „Ein passionierter Arzt und feiner Mensch. Neulich noch war er bei uns zuhause zum Grillen. Ich bin fassungslos und muss meine Trauer teilen. Einmal mehr fragt man sich, in welcher Welt wir leben.“
Ihr Beileid bekundete auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Es ist ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker, und die Anteilnahme der Bundeskanzlerin, sicher auch der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt, geht an die Witwe, an die ganze Familie“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch ein Sprecher des Innenministeriums sagte, der tödliche Messerangriff auf Weizsäcker sei „mit Entsetzen“ zur Kenntnis genommen worden.
Opfer stammte aus prominenter Familie
Der 1960 in Essen geborene Mediziner Fritz Eckhart Freiherr von Weizsäcker stammte aus einer sehr bekannten Familie. Sein Vater Richard war von 1984 bis 1994 Bundespräsident, zuvor für die CDU Regierender Bürgermeister von Westberlin. Fritz von Weizsäcker war das jüngste seiner vier Kinder.
Der Chefarzt an der Berliner Schlosspark-Klinik hatte eine lange Karriere als Mediziner hinter sich. Zu seinen Stationen zählten neben Freiburg die Harvard Medical School in Boston und das Universitätsspital Zürich. Seit 2005 war Weizsäcker Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik in Berlin-Charlottenburg. Er galt als Experte für Leber- und Gallenwegserkrankungen.