Der frühere FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache
picturedesk.com/Georges Schneider
Von Pool bis Grabstelle

Strache weist neue Spesenvorwürfe zurück

Wartungsarbeiten an einem Swimmingpool, eine Whirlpool-Reparatur, Nachhilfestunden für eines seiner Kinder oder Kosten für die „Grabstelle Strache“ – die neuen Spesenvorwürfe gegen Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache sind sehr umfassend und kommen zu einer Zeit, in der die FPÖ Wien über den Parteiausschluss Straches berät. Er selbst weist die neuen Details aus dem Ermittlungsakt als falsch zurück – er habe „nachweislich“ alles selbst bezahlt.

In einem ausführlichen Facebook-Posting dementierte er, ein Spesenkonto geführt zu haben. Lediglich seine Referentin habe eine „Handkassa mit Verrechnungsgeld“ geführt, um die laufenden Bargeldauslagen („Rechnungen für Benzin, Übernachtungen, Essens- und Restaurantrechnungen, Getränkeeinladungen, Musikspenden und ‚Lokalrunden‘, Blumen und Mitbringsel für Gastgeber, Bewirtung bei Einladung in der Dienstwohnung etc.“) abzudecken.

Es sei „vereinzelt“ vorgekommen, dass er einen seiner Sicherheitsmänner oder besagte Referentin aus Zeitnot „private Erledigungen durchführen“ habe lassen, die er, Strache, ihnen aber stets „persönlich ersetzt“ habe. Sein Ex-Bodyguard sei darauf angesetzt gewesen, ihn, Strache, zu bespitzeln und Beweise gegen ihn zu sammeln. Weil er keine „belastenden Beweise“ gegen ihn finden habe können, „begann er solche offensichtlich zu konstruieren“.

Ermittelt müsse werden, ob der Sicherheitsmann „Restaurantrechnungen ‚umgewandelt‘ und bei meiner Referentin ein zweites Mal eingereicht hat, um sich unrechtmäßig zu bereichern und mich falsch zu belasten“, so Strache. „Fest steht aber schon jetzt, dass die medial kolportierten Kosten für Pool, Schulgeld, Nachhilfestunden und sonstige Privatausgaben nachweislich von mir bezahlt wurden“, so Strache.

Ersatzbelege in Restaurants organisiert?

Die Vorwürfe (Wartungsarbeiten an einem Swimmingpool, Whirlpool-Reparatur, Nachhilfestunden für eines seiner Kinder und anderes) sollen aus Einvernahmeprotokollen hervorgehen, berichtete Ö1 unter Berufung auf eine mit den Ermittlungen vertraute Person. Einvernommen wurden insbesondere Straches ehemaliger Leibwächter und die frühere Assistentin des Ex-FPÖ-Chefs.

Der frühere Bodyguard soll Ersatzbelege für Einkäufe Straches organisiert haben, die von der Partei nicht als Spesen akzeptiert worden wären, so der Verdacht der Ermittler. Ö1 liegt ein Aktenteil vor, in dem Kriminalisten beispielhaft skizzieren, wie die Verrechnung funktioniert haben soll: „Strache lässt von seinem Leibwächter Einkäufe um 300 Euro beschaffen. Der liefert Strache den Einkauf und übergibt die Rechnung an Straches Assistentin. Sie gibt ihm 300 Euro, teilt ihm aber mit, dass sie einen anderen Beleg braucht für die Buchhaltung. Der Leibwächter hat Kontakte in die Gastronomieszene, beschafft so eine 300-Euro-Originalrechnung von einem Lokal und übergibt sie der Assistentin. Die verbucht ein Arbeitsessen. Dabei hat Strache die auf der Rechnung angeführten Speisen und Getränke nicht selbst konsumiert. Die FPÖ hat also einen privaten Einkauf finanziert“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Beispiel aus dem Spesen-Akt
Ö1

Rechnung für „Grabstelle Strache“

Die Zeitung „Österreich“ berichtete zudem von angeblich seitenweise kopierten Strafzetteln für Falschparken und einem mutmaßlich verrechneten 500-Euro-Einkauf in einem Gucci-Geschäft.

Und dem „Kurier“ zufolge taucht der Posten „Winterservice Bewässerungsanlage“ in der Abrechnungsliste auf, ebenso die Rechnung einer Friedhofsgärtnerei für die „Grabstelle Strache“ für 167 Euro. Auch stellte ein Steinmetzmeister dem Bericht zufolge dem Freiheitlichen Parlamentsklub eine Rechnung über 570 Euro zu, die über das Spesenkonto verrechnet wurde. Im Portfolio des Steinmetzmeisters: Grabsteine und „Wohnen mit Natursteinen“.

Anwalt: „Von meinem Mandanten privat bezahlt“

Gegenüber Ö1 nahm auch Straches Anwalt Johann Pauer zu den schweren Vorwürfen Stellung: „Die aufgezählten Belege wurden von meinem Mandanten privat bezahlt. Dieser Vorwurf kann ausgeschlossen werden, die Vorwürfe sind falsch.“ Straches Anwalt weiter: „Wenn sie vom Verrechnungskonto bzw. von der Kassa der Referentin geführt wurden, wurden sie alle ersetzt.“

Neue Details in Spesenaffäre

Es gibt neue Details aus dem Ermittlungsakt zu Straches Spesenabrechnung. Er soll private Poolwartungsarbeiten und Nachhilfestunden der Partei verrechnet haben.

Es sei „nie in die Buchhaltung hineingeflossen“, vielmehr sei die „Handkassa an den Steuerberater gegangen“, der sei für die „ordnungsgemäße Buchhaltung“ zuständig gewesen. Der Steuerberater habe die Rechnungen dann in „privat“ und „politisch veranlasst“ getrennt und Ersteres Strache in Rechnung gestellt. Der Sicherheitsmann habe diesen Vorgang nicht erkannt und habe deswegen die Vorwürfe erhoben – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Intensive Ermittlungen

Der Verdacht der Staatsanwaltschaft Wien und der „SoKo Ibiza“ lautet auf Untreue oder Veruntreuung. Durch die Verrechnung von Spesen, die eigentlich Privatausgaben waren, soll der FPÖ ein Schaden von Zehntausenden Euro entstanden sein. Zudem geht es um die mutmaßliche Überschreitung der Spesenobergrenze von 10.000 Euro, die das Parteipräsidium Strache zugestanden haben soll.

Aufgeflogen sein soll die Affäre durch Telefonabhörmaßnahmen im Rahmen der „Ibiza“- und Causa-Casinos-Ermittlungen. Ein Staatsanwalt oder Ermittler soll sich laut Ö1 dabei an eine vier Jahre zurückliegende Anzeige gegen Strache erinnert haben. Anklage sei damals nicht erhoben worden, weil die Vorwürfe nicht konkretisiert werden konnten. Jetzt werde – auch nach einer neuen anonymen Anzeige – intensiv ermittelt. Im Ausland sollen Hunderte Rechnungen beschlagnahmt worden sein, die von Straches ehemaligem Leibwächter aufbewahrt worden seien. Die Ermittler wollen sie nun auswerten.

Noch keine Entscheidung über Parteiausschluss

Eine Entscheidung, ob Strache aus der Partei ausgeschlossen wird, gibt es unterdessen noch nicht. Am Mittwoch tagte das zuständige Schiedsgericht der Wiener FPÖ und kam zu keinem Ergebnis. Es sei wichtig, „dass alles statutenkonform passiert – und hier braucht es auch keine Eile“, sagte der designierte Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp gegenüber „Wien heute“ – mehr dazu in wien.ORF.at. Aus der FPÖ hieß es, man wolle Zeugen befragen, möglicherweise soll auch Strache selbst vor dem Gremium aussagen.

„Versöhnliches Angebot“

Strache meldete sich Mittwochabend überraschend mit einer Stellungnahme gegenüber der ZIB2 zu Wort. Von einer Provokation durch sein Angebot, als Wiener FPÖ-Chef zurückzukehren, wolle er nichts wissen, hieß es. Er habe der FPÖ Wien ein versöhnliches Angebot unterbreitet, so Strache. Die Entscheidung über eine Aufhebung seiner Suspendierung oder einen Parteiausschluss sei alleine Sache der Wiener Freiheitlichen. Diese wolle er, egal wie sie ausfalle, akzeptieren, so der frühere Bundesparteichef in der Stellungnahme.

Weiters sagte Strache gegenüber der ZIB2, er sei „selbstverständlich“ bereit, sich einer Befragung durch das Wiener Landesparteigericht der Freiheitlichen zu stellen. Allerdings sei er bisher nicht dazu eingeladen worden.

Strache-Comeback im Wiener Landtag?

Strache könnte theoretisch wieder in den Wiener Gemeinderat bzw. Landtag zurückkehren. Denn er hat 2015 in Wien kandidiert und später auf einen Einzug ins Stadtparlament verzichtet. Sollte ein Mandatar jetzt zurücktreten, wäre für Strache die Bahn frei. Ein möglicher Kandidat hat laut „Salzburger Nachrichten“ momentan aber keine Ambitionen.

„Die Frage stellt sich derzeit nicht“, richtete ein Mitarbeiter des blauen Gemeinderats Karl Baron der Zeitung aus. Baron hat sich zuletzt als erster Wiener Freiheitlicher abwartend gezeigt, was den im Raum stehenden Parteiausschluss Straches betrifft. Der zurückgetretene Ex-Obmann – Strache war in Wien und im Bund Parteichef – ist in vier Wahlkreisen sowie auf der Landesliste auf dem ersten Platz angetreten.

Baron-Rückzug würde Rückkehr ermöglichen

Würde Baron, der ebenfalls in einem der betreffenden Wahlkreise kandidierte, auf sein Mandat verzichten, würde das Strache ermöglichen, in den Gemeinderat zurückzukehren – wo er bis 2006 bereits saß. Der im Zuge der „Ibiza-Affäre“ zurückgetretene FPÖ-Chef hatte 2015 sein Mandat nicht angenommen und sich für eine Verbleib im Parlament entschieden. Er hatte sich jedoch nicht von der Liste streichen lassen, wie in der Landeswahlbehörde betont wurde. Nur eine Streichung hätte eine Rückkehr verunmöglicht.

Würde diese Rochade tatsächlich vollzogen, würde Strache wohl als wilder Abgeordneter im Rathaus werken, da eine Aufnahme in den FPÖ-Klub derzeit höchst unwahrscheinlich erscheint. Dem Vernehmen nach wird die Mandatsoption in der Wiener FPÖ bereits seit Längerem als Möglichkeit erachtet. Außerdem, so war zu erfahren, schließt man auch nicht aus, dass Strache – der jüngst einen Gewerbeschein gelöst hat – bei der kommenden Wirtschaftskammer-Wahl antritt.

Mahdalik: FPÖ Wien geschlossen hinter Nepp

Laut dem Klubobmann der Wiener FPÖ, Toni Mahdalik, ist die Wiener Landespartei geeint und steht „geschlossen“ hinter Landesparteichef und Vizebürgermeister Dominik Nepp und damit auch hinter der Einsetzung des Schiedsgerichts. „Von einer Spaltung kann also keine Rede sein“, sagte er in einem Statement gegenüber der APA. Das sei „Fakt“. Das „öffentliche Outing“ Barons als „einsamer Anhänger eines Strache-Comebacks“ vermittle ein falsches Bild, so Mahdalik. „Bei Barons entbehrlichen Wortspenden handelt es sich um eine isolierte Einzelmeinung, und er ist gut beraten, diese in der Öffentlichkeit für sich zu behalten.“

Landbauer für „klaren Schnitt“

Nach Parteichef Norbert Hofer, Klubobmann Herbert Kickl und mehreren FPÖ-Landeschefs zuletzt sprach sich am Donnerstag der Landesobmann der niederösterreichischen Freiheitlichen, Udo Landbauer, bezüglich Strache für einen „klaren Schnitt“ aus. Ein solcher habe zu erfolgen, wenn der Ex-FPÖ-Chef „nicht endlich erkennt, dass er der Partei mehr Schaden als Nutzen zufügt“.

Fließe durch die Adern Straches noch freiheitliches Blut, „dann zieht er sich zurück und lässt die neue Mannschaft in Ruhe für die Bevölkerung arbeiten“, sagte Landbauer. Er sei dafür, dass man dem früheren Chef „einen Platz in der Galerie ehemaliger Bundesparteiobleute zuspricht und die Akte Strache jedenfalls endgültig schließt“.

Waldhäusl kritisiert Landesgruppe Wien

Mit Kritik an der Wiener FPÖ meldete sich unterdessen der freiheitliche niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl zu Wort. Das Zögern hinsichtlich eines Parteiausschlusses „macht alles nur noch viel schlimmer“, sagte er. Sollte nicht bald agiert werden, „ist ernsthaft zu überlegen, sich umgehend von der Landesgruppe Wien zu trennen“.

„Die Causa HC Strache fügt unserer Partei bundesweit riesengroßen Schaden zu“, sagte Waldhäusl. Der FPÖ Wien warf er „ohnmachtsähnliche Unentschlossenheit“ vor. Funktionäre, Mitglieder und auch nicht die Wähler würden derartige Zustände verdienen, sagte der Landesrat. „Wir haben durch die leidigen Vorgänge rund um HC Strache etliche Wahlen verloren, in Bälde stehen Gemeinderatswahlen in Niederösterreich auf dem Plan. Es muss jetzt etwas geschehen, die ganze Partei leidet“ – mehr dazu in noe.ORF.at.