Besuch von US-Präsident Donald Trump bei Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan
Reuters/Tom Brenner
Überraschend in Afghanistan

Trump stellt Deal mit Taliban in den Raum

Bei einem überraschenden US-Truppenbesuch in Afghanistan zu Thanksgiving hat Präsident Donald Trump Hoffnungen auf eine Verständigung mit den dschihadistischen Taliban genährt. „Die Taliban wollen einen Deal machen. Und wir treffen sie“, sagte Trump am Donnerstag.

„Wir sprechen mit den Taliban“, sagte Trump im Beisein seines afghanischen Kollegen Ashraf Ghani. Bedingung für eine Verständigung sei eine Waffenruhe. Er glaube, dass die Taliban mittlerweile auch eine Waffenruhe wollten, so Trump bei seinem Besuch eines US-Militärstützpunkts in Bagram nördlich von Kabul. Seit Juli vergangenen Jahres hatten die USA mit den Taliban verhandelt, um den Weg für einen Abzug der US-Truppen und letztlich für den Frieden in dem Land zu bereiten.

Im September hatte Trump die Gespräche allerdings jäh für „tot“ erklärt – kurz vor einem geplanten Geheimtreffen mit Taliban-Vertretern auf dem Landsitz des Präsidenten in Camp David. Auslöser war ein Anschlag in Kabul, bei dem auch ein US-Soldat starb. Seit dem Abbruch der Gespräche hatten die Taliban immer wieder Bereitschaft gezeigt, die Verhandlungen wiederaufzunehmen. Am Freitag hieß es vonseiten der Dschihadisten, sie seien bereit, die Friedensverhandlungen wiederaufzunehmen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagten Taliban-Führer, es habe seit dem Wochenende mehrere Treffen mit US-Vertretern in Katars Hauptstadt Doha gegeben.

Reise unter strengster Geheimhaltung

Die Bestätigung laufender Gespräche kam fast so überraschend wie Trumps Reise zur größten US-Militärbasis in Afghanistan selbst: Sie fand aus Sicherheitsgründen unter strengster Geheimhaltung statt. Das Weiße Haus setzte einige Tweets von Trumps sonst so aktivem Twitter-Account ab – stundenlange Funkstille wäre verräterisch gewesen. Auf dem offiziellen Terminplan stand für den Nachmittag (Ortszeit) eine Telefonkonferenz mit Angehörigen des Militärs, die Trump von Florida aus führen wollte.

Besuch von US-Präsident Donald Trump bei Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan
Reuters/Tom Brenner
Trump besuchte am Donnerstag überraschend US-Soldaten in Afghanistan – es war erst sein zweiter Truppenbesuch im Ausland

Vor den Soldaten, die dem Präsidenten mehrfach lautstark zujubelten, sagte Trump, es gebe keinen anderen Ort, wo er den Feiertag lieber verbringen würde als „genau hier mit den härtesten, stärksten, besten und mutigsten Kämpfern auf der Erde“. Videoaufnahmen zeigten, wie Trump mit den Truppen für Fotos posierte und Truthahn servierte – eine traditionelle Thanksgiving-Mahlzeit.

Es war Trumps erster Besuch in Afghanistan und sein zweiter von Kampftruppen im Ausland überhaupt. Seinen ersten Truppenbesuch im Ausland hatte der US-Präsident vor elf Monaten absolviert. Er war zusammen mit seiner Ehefrau Melania zu Weihnachten zu im Irak stationierten Soldaten gereist.

„Deal“ oder „totaler Sieg“

Trump verspricht immer wieder, die „endlosen Kriege“ zu einem Ende zu führen und die Soldaten nach Hause zu bringen. Bei seinem Auftritt in Afghanistan bekräftigte der US-Präsident einmal mehr, die Truppenstärke in dem Land auf etwa 8.600 reduzieren zu wollen. Gleichzeitig sagte er, die USA würden so lange in Afghanistan bleiben, bis ein „Deal“ mit den Taliban erzielt sei – „oder wir einen totalen Sieg haben“. Derzeit sind zwischen 12.000 und 13.000 amerikanische Soldaten in dem Land stationiert.

Begleitet wurde der Präsident unter anderen vom Nationalen Sicherheitsberater Robert O’Brien. Nach Angaben einer Reporterin sagte Trumps Sprecherin Stephanie Grisham während des Fluges nach Afghanistan, der einzige Anlass für den Besuch seien Thanksgiving und die Unterstützung für die Truppen – nicht der „Friedensprozess“ mit den Taliban.

Das Thema trat dann allerdings doch in den Vordergrund. Generalstabschef Mark Milley sagte, die Hoffnung sei, dass die Gespräche mit den Taliban zu einem innerafghanischen Dialog in nicht allzu ferner Zukunft führten. Trump betonte, auf lange Sicht entscheide sich die Zukunft Afghanistans und anderer Länder in der Region nicht auf dem „Schlachtfeld“. Es brauche eine politische Lösung, die von den Menschen in der Region entschieden werde.

Waffenruhe als Voraussetzung

Bisher lehnen die Taliban allerdings direkte Verhandlungen mit der Regierung in Kabul ab, da sie sie als „Marionette“ des Westens betrachten. Präsident Ghani schrieb im Anschluss an Trumps Besuch auf Twitter, er und Trump hätten unterstrichen, dass die Taliban „eine Waffenruhe akzeptieren müssen“, wenn sie wirklich ein Friedensabkommen erreichen wollten.

Beobachter hatten vergangene Woche einen Gefangenenaustausch, bei dem unter anderen westliche Taliban-Geiseln freigelassen wurden, als möglichen Schritt zur Wiederaufnahme der USA-Taliban-Gespräche gewertet. Doch noch hält die Gewalt in Afghanistan an – bei Gefechten und einer Explosion waren kurz vor Trumps Besuch innerhalb von 24 Stunden mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen.

Weniger als ein Jahr vor der US-Wahl käme es Trump gelegen, einen außenpolitischen Erfolg in Afghanistan zu verzeichnen. Baustellen gibt es viele. Bisher ging weder die Strategie des „maximalen Drucks“ im Atomstreit mit dem Iran auf, noch konnte Trump Nordkorea dazu bewegen, sein Atomprogramm aufzugeben.

Treffen mit Macron geplant

Vor dem NATO-Gipfel in London in der kommenden Woche wird Trump mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zusammentreffen. Die beiden Politiker planten für Dienstag ein Treffen im Winfield House, der Residenz des US-Botschafters in London, teilte der Elysee-Palast Donnerstagabend in Paris mit.

Anschließend werde Macron gemeinsam mit Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem britischen Premierminister Boris Johnson an dessen Amtssitz in der Downing Street zu einem Gespräch mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zusammenkommen. Dem vor 70 Jahren gegründeten Verteidigungsbündnis steht ein schwieriger Gipfel bevor. Hintergrund sind unter anderem die Militäroffensive des NATO-Mitglieds Türkei in Nordsyrien sowie Äußerungen des französischen Präsidenten, der der NATO kürzlich den „Hirntod“ bescheinigt hatte.