Bundespräsident Alexander Van der Bellen hält auf der UNO-Klimakonferenz in Madrid einen Stofftiereisbären in der Hand
APA/Bundesheer/Peter Lechner
Madrid

Flammende Appelle bei Klimakonferenz

In Madrid hat am Montag die 25. UNO-Klimakonferenz (COP25) begonnen. Zum Auftakt wählte Generalsekretär Antonio Guterres eindringliche Worte, um das Ausmaß der Klimakrise deutlich zu machen und ein rasches Umsteuern einzufordern. Bundespräsident Alexander Van der Bellen skizzierte in seiner Rede, wie die Welt in 30 Jahren aussehen könnte: Der Weg dahin sei eine Entscheidung und kein Schicksal.

Den Eisbären aus Plüsch, den Van der Bellen dabei in der Hand hielt, werde er dem Sohn einer Mitarbeiterin zum sechsten Geburtstag schenken. Beim Anblick der Kristallluster in der Wiener Hofburg hatte der Bub unlängst zu ihm gesagt: „Wir müssen Strom sparen, sonst sterben die Eisbären.“

In seiner Rede lieferte Van der Bellen eine kurze Schilderung von zwei möglichen Welten im Jahr 2050: einer mit und einer ohne ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen. In der einen ist Wien ein Hitzepol, in dem es inzwischen das tropische Dengue-Fieber gibt, in der anderen fahren die Fahrzeuge jeweils mit Elektroantrieb durch eine inzwischen begrünte Bundeshauptstadt, „aus vielen Ölkonzernen sind Sonnenkonzerne geworden“.

Weltklimakonferenz in Madrid

Mit eindringlichen Rufen nach mehr Klimaschutz hat in Madrid die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen begonnen. Circa 200 Staaten nehmen daran teil.

Van der Bellen: „Es ist nicht Schicksal“

„Es ist nicht Schicksal“, resümierte Van der Bellen, „es ist schlicht und einfach unsere Entscheidung.“ „2020 ist das Jahr, in dem wir unsere nationalen Klimapläne nachbessern müssen. Und ab da darf es mit den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen nur mehr in eine Richtung gehen: nach unten!“, sagte Van der Bellen. Er riet dazu, an die Kinder zu denken, „denn unsere Kinder werden später auch an uns denken, daran, was wir getan haben. Oder daran, was wir nicht getan haben“, schloss der Bundespräsident.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Reuters/Sergio Perez
Guterres: „Krieg gegen die Natur beenden“

Zuvor machte Guterres vor den Vertretern und Vertreterinnen aus fast 200 Ländern keinen Hehl aus seiner „Frustration“ über die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen. „Wollen wir wirklich als die Generation in Erinnerung bleiben, die den Kopf in den Sand steckte, die herumtrödelte, während die Erde in Flammen stand?“, fragte er. „Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich“, sagte Guterres zur Eröffnung der zweiwöchigen Konferenz. Die Menschheit müsse wählen zwischen dem Weg der „Hoffnung“ und dem der „Kapitulation“.

Die Wissenschaft zeige, dass die Erderwärmung und ihre dramatischen Folgen schneller voranschritten als erwartet. Millionen junge Menschen weltweit verlangten entschlossene Maßnahmen im Kampf gegen den Klimanotfall. „Wir müssen endlich zeigen, dass wir es ernst meinen damit, den Krieg gegen die Natur zu beenden.“

„Sucht nach Kohle“ stoppen

Zurzeit zerstöre die Menschheit wissentlich die Ökosysteme, die sie am Leben erhalten, sagte Guterres. Insbesondere fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl müssten da bleiben, wo sie sind: im Boden. „Entweder wir stoppen unsere Sucht nach Kohle, oder alle unsere Anstrengungen sind umsonst.“ Vor allem die Länder mit dem größten Treibhausgasausstoß müssten mehr tun. „Was mich frustriert, (…) ist das langsame Tempo des Wandels, vor allem, weil wir die Technologien und Werkzeuge, die wir brauchen, schon haben“, sagte Guterres.

Er beklagte, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase trotz gegenteiliger Versprechen während der vergangenen zehn Jahre jährlich im Schnitt um 1,5 Prozent gestiegen sei. Um das Ziel zu erreichen, die Erwärmung der Erde langfristig auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 sinken. Das bedeute ein Minus von mehr als sieben Prozent jährlich. Insbesondere die Industriestaaten der G-20 müssten mehr dafür tun.

Grafik zu den globalen Temperaturen 2019
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: NOAA

Warnung vor Millionen Klimaflüchtlingen

Vor Beginn der Konferenz hatte bereits eine Reihe von Hilfsorganisationen erneut Alarm geschlagen und unter anderem vor Millionen Flüchtlingen durch klimabedingte Katastrophen gewarnt. Bei der 25. Weltklimakonferenz werden rund 29.000 Teilnehmer aus fast 200 Ländern erwartet, darunter neben Ministern, Staats- und Regierungschefs auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Teilnehmer der Klimakonferenz sitzen an einem Tisch
APA/AFP/Borja Puig De La Bellacasa
„Zeit zu handeln“ lautet das Motto des hochrangig besetzten Klimagipfels

Zu den Knackpunkten der Verhandlungen gehören Hilfen für die Entwicklungsländer bei der Bewältigung klimabedingter Schäden sowie konkrete Regeln zur Einbeziehung von Marktmechanismen bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Umweltorganisationen drängen darauf, dass in Madrid zumindest ein paar große Emittenten wie die EU eine Anhebung ihrer Klimaschutzziele fest zusagen.

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte in Madrid: „Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.“ Von der Leyen will die Ziele der EU zum Einsparen von Treibhausgasen für 2030 verschärfen – 2050 soll die europäische Wirtschaft unterm Strich klimaneutral sein.

Den Vorsitz der auf zwölf Tage angesetzten Beratungen hat Chile mit seiner Umweltministerin Carolina Schmidt. Nach gewaltsamen Unruhen in dem südamerikanischen Staat ist allerdings Spanien kurzfristig als Gastgeberland eingesprungen.

Konferenz im Land der Nachzügler

Dabei ist Spanien alles andere als ein Vorreiter beim Klimaschutz: Nicht nur bei den Freitagsdemos für mehr Klimaschutz fehlt in Spanien Engagement – mit grünen Themen sind generell kaum Wählerstimmen zu gewinnen. Die Arbeitsplätze im boomenden Tourismus und im Obst- und Gemüseanbau sind vielen Spaniern wichtiger als die Rettung von Klima und Umwelt.

Nach einer Studie des spanischen Soziologischen Forschungszentrums (CIS) zählt der Umweltschutz derzeit nur für 2,3 Prozent der spanischen Bevölkerung zu einem der Hauptanliegen des Landes. Knapp 57 Prozent sähen die Arbeitslosigkeit und 21 Prozent die Korruption als dringendere Probleme an.