Es ist das erste Treffen im Normandie-Format (Russland, Ukraine, Deutschland, Frankreich) seit einem derartigen Vierertreffen in Berlin vom Oktober 2016. Der Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, verspricht sich von dem Treffen wichtige Impulse für den Friedensprozess für die Ostukraine. In dem Konflikt zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Rebellen wurden seit 2014 rund 13.000 Menschen getötet.
Von „bedeutenden Fortschritten“ in den Friedensbemühungen spricht der Elysee-Palast. Macron hatte den Ukraine-Gipfel bereits nach einem bilateralen Treffen mit Putin auf dem G-7-Gipfel Ende August in Biarritz angekündigt, ohne aber einen Termin zu nennen. Zunächst gestalteten sich die Planungen zäh, denn die Verhandlungen zur Umsetzung des Minsker Abkommens von 2015 waren ins Stocken geraten.
Lokaler Rückzug im November
Im November begannen ukrainische Regierungstruppen und prorussische Rebellen dann aber mit dem Abzug von Truppen aus einem umkämpften Gebiet in der Ostukraine. Dieser Abzug war eine der Bedingungen Moskaus für das Gipfeltreffen.
Zuvor hatten sich Unterhändler Russlands und der Ukraine zudem auf die „Steinmeier-Formel“ geeinigt, benannt nach dem früheren deutschen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Sie beschreibt einen Fahrplan für die Kommunalwahlen, die in den abtrünnigen Gebieten Donezk und Luhansk gemäß dem Minsker Abkommen stattfinden sollen.
Kritik in Ukraine an Selenski
Das Zugehen auf Moskau bringt Kritiker des neuen ukrainischen Präsidenten auf die Barrikaden: Sie werfen Selenski eine „Kapitulation“ gegenüber Putin vor und wittern „Verrat“. Zu den Gegnern der offiziellen Linie in Kiew gehören sowohl der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko als auch die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
Rund 5.000 Menschen versammelten sich Sonntag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu einer Kundgebung, um eine harte Haltung ihres Staatschefs bei den Verhandlungen in Frankreich zu fordern. Selenski müsse dem Druck seines russischen Amtskollegen Putin standhalten und dürfe nicht „kapitulieren“, warnten die Demonstranten.
Poroschenko mahnte seinen Nachfolger, er solle keine Angst vor Putin haben. Zugleich riet er ihm, dem Kreml-Chef „nicht zu glauben, nach all dem Schlechten, das er der Ukraine angetan hat“. An der Demonstration beteiligten sich auch Anhänger der rechtsextremen Swoboda-Partei.
Verweis auf „450 Kilometer Frontlinie“
Der Direktor der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Thomas Greminger, dämpft die Erwartungen an den Pariser Gipfel. Vor einer Friedenslösung müssten etwa „450 Kilometer Frontlinie“ in der Ostukraine entmilitarisiert werden, sagte er gegenüber der Zeitung „Le Monde“.
Auch Selenski selbst warnte vor zu hohen Erwartungen. „Der Krieg im Donbass wird nicht am 10. Dezember enden“, schrieb seine Sprecherin Julia Mendel am Sonntag auf Facebook. Ob es am Rande des Gipfels zu einem Treffen unter vier Augen zwischen Putin und Selenski kommt, ist noch ungewiss. Während russische Medien das bereits ankündigten, äußerten sich Diplomaten in Kiew zurückhaltend.
Ungewöhnliches Werben für Gipfel
Selenski stimmte seine Landsleute auf ungewöhnliche Weise auf den Gipfel ein: In einer Videobotschaft zeigte sich der frühere Komiker in dieser Woche auf einem Laufband. Es sei natürlich möglich, auf einen Dialog mit Putin zu verzichten, sagte er. „Aber das wäre genauso wie das Laufen auf dieser Maschine: Du tust etwas, du verbrennst Kalorien, aber du kommst einfach nicht von der Stelle.“
Merkel verneinte unterdessen, dass das Pariser Treffen von der Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Deutschland überschattet ist. Wegen des mutmaßlichen Auftragsmords an einem Georgier in Berlin hatte die deutsche Regierung am Mittwoch zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt, Moskau kündigte daraufhin „Vergeltungsmaßnahmen“ an.
Die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hatte zuvor erklärt, dass sie staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien verdächtige, den Mord beauftragt zu haben. „Ich glaube nicht, dass dadurch das Normandie-Treffen belastet ist. Hier geht es um die Ukraine“, sagte Merkel dazu am Mittwoch nach dem NATO-Gipfel in London und übte Zurückhaltung, während CDU-Parteikollegen eine Reaktion auf EU-Ebene oder die Ausweitung der Spionageabwehr und Auslandsaufklärung gegen Russland forderten. Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen schweigt er.