Gletschereis schmilzt
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COP25

Warnung vor Fiasko bei UNO-Klimakonferenz

Es wird ernst auf dem UNO-Klimagipfel COP25 in Madrid: In der zweiten Woche verhandeln und debattieren Regierungsvertreter und -vertreterinnen über Maßnahmen gegen die Klimakrise. Doch Insider sind skeptisch, ob es überhaupt zu einem Ergebnis kommt – und wenn ja, ob dieses auch von allen umgesetzt wird. Vor einem Fiasko wird gewarnt.

Wo die Fachleute nicht weiterkommen, sollen Politiker und Politikerinnen nun Lösungen finden. „Wir laufen Gefahr, uns bei diesen Verhandlungen in technischen Fragen zu verhaken, sodass wir vergessen, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen“, so der Klimaforscher Johan Rockström gegenüber dem „Guardian“. Rockström ist Kodirektor des Instituts für Klimafolgenforschung in Potsdam in Deutschland. Der Schwede sieht auch die Gefahr des Scheiterns der Klimakonferenz. Schuld daran sei die Unfähigkeit der Verhandler zu erkennen, dass ein Notfall vorliege, so Rockström weiter.

Mohammed Adow, Chef des Klima- und Energie-Thinktanks Power Shift Africa mit Sitz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, schlägt in eine ähnliche Kerbe. „Während Hunderttausende Menschen gegen die Klimakrise auf die Straße gehen, haben die Staaten nichts anderes zu tun, als mit den Verhandlungen Politik zu spielen“, so Adow gegenüber der BBC.

Teilnehmer am Klimagipfel in Madrid
AP/Manu Fernandez
Delegierte lauschen bei der Klimakonferenz einem Vortrag

Schweiz: Vielleicht gar kein Ergebnis

Die Leiterin der European Climate Foundation und eine der Architektinnen des Pariser Klimaabkommens, Laurence Tubiana, ist ebenfalls skeptisch. Die Regeln des Pariser Klimaabkommens seien klar. „Alle Staaten haben sich dazu verpflichtet, bis 2020 das Abkommen umzusetzen“, so Tubiana gegenüber der BBC. Doch die zehn größten Verschmutzer müssten das Abkommen erst umsetzen. Sie wisse, dass sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel, Delhi, Peking, Tokio und Ottawa für globale Maßnahmen interessierten. „Wir brauchen ihre Führung, um ihre Pariser Verpflichtungen zu erfüllen“, so Tubiana.

Die Verhandlungen gestalten sich auch etwa laut einem Bericht des Schweizer Rundfunks SRF äußerst zäh, wie der SRF auf seiner Website unter Hinweis auf Diplomaten schreibt. „Es ist aber auch möglich, dass wir mit einem schlechten Ergebnis nach Hause gehen – oder sogar mit gar keinem“, so etwa der Leiter der Schweizer Delegation, Franz Perrez.

Von „Rulebook“ bis zu Entwicklungsländern

CO2-Emissionen gelten als wichtigste Ursache der menschengemachten Erderwärmung. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich die Vertragsstaaten auf das Ziel geeinigt, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Grafik zum Klimaschutz
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Germanwatch

Ein wichtiges Ziel für die rund 200 Mitgliedsstaaten des Pariser Klimavertrags von 2015 ist der Abschluss des „Rulebooks“. Von dieser Woche an wird hierfür auf Ministerebene verhandelt, das hochrangige Segment der COP25 startet am Dienstag. Österreich wird durch Umweltministerin Maria Patek vertreten.

Neben den Regeln für die Marktmechanismen im „Rulebook“ steht noch das künftige Arbeitsprogramm des Warschauer Mechanismus für Verluste und Schäden („Loss and Damage“) in den Entwicklungsländern auf dem Programm. Weiters sind technische Details des Berichtswesens und viele Fragen in Zusammenhang mit der Klimafinanzierung zu klären, hieß es aus dem Umweltministerium.

Sinkende Motivation befürchtet

Nach der ersten Verhandlung hatten Umweltschützer und -schützerinnen, die den Gipfel begleiten, ein ernüchtertes Fazit gezogen. Eine Einigung zu den „Marktmechanismen“ beim Klimawandel sei nicht in Sicht – das sei aber besser als ein schlechter Kompromiss. Staaten, die ihre Klimaziele übererfüllen, können eine Art Treibhausgasbudget an andere verkaufen, die die eingesparten Klimagase dann bei sich anrechnen.

Kritiker fürchten, dass es zu Doppelanrechnungen kommt und die Motivation vor allem der Industriestaaten, bei sich zu Hause voranzukommen, sinkt, wenn sie sich Klimaschutz auch kaufen können. Auch bei den Finanzfragen habe es „frustrierend wenig Fortschritt“ gegeben, kritisierte etwa ActionAid.

„Wir bezahlen für etwas, das wir nicht verursacht haben“

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihre deutsche Mitstreiterin Luisa Neubauer riefen auf dem UNO-Klimagipfel mit jungen Umweltaktivisten und -aktivistinnen aus aller Welt zum Handeln auf. „Die Klimakrise wird uns nicht nur in der Zukunft treffen, sie betrifft schon heute unzählige Menschen, die schon jetzt leiden und sterben.“ Neubauer und sie selbst seien privilegiert, ihre Geschichten seien aber schon oft erzählt worden, sagte die 16-jährige Thunberg.

„Wir haben bemerkt, dass wir einige Medienaufmerksamkeit bekommen, deshalb ist es unsere moralische Pflicht, unsere Stimmen denen zu leihen, die ihre Geschichte erzählen müssen“, sagte Thunberg vor Hunderten Journalisten aus aller Welt. Junge Aktivisten und Aktivistinnen, unter anderen von den Marshallinseln, den Philippinen, aus Russland und Chile, berichteten eindringlich von dramatischen Überschwemmungen, Dürren, Überfischung und Krankheiten in ihrer Heimat.

„Wir bezahlen für etwas, das wir nicht verursacht haben. Wir tragen so gut wie nichts zu den CO2-Emissionen bei“, betonte ein Umweltschützer von den Marshallinseln, einem der kleinsten Staaten der Erde. „Unsere Leben sind nicht verhandelbar“, sagte eine Aktivistin aus Chile.