Nationalrat
ORF.at/Christian Öser
SPÖ gegen Grüne

Schlagabtausch im Nationalrat erwartet

Der Nationalrat tritt am Mittwoch zusammen und wird wohl einige Gesetze beschließen. So stehen etwa ein Abschiebestopp von Asylwerberinnen und Asylwerbern in der Lehrzeit und das Budget des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) auf der Tagesordnung. An einer anderen Front zeichnet sich ein Schlagabtausch zwischen SPÖ und Grünen ab.

Die SPÖ hatte am Dienstag nämlich die Koalitionsverhandlerinnen ÖVP und Grüne heftig kritisiert. Wegen der lang andauernden Gespräche könnten wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden, so die SPÖ, die ein Gewaltschutzpaket für Frauen fordert. Im Fokus der Kritik stehen die Grünen. „Ich verstehe, dass viele Wähler und Wählerinnen, die sich diesmal entschlossen haben, Grün zu wählen, sehr enttäuscht sind“, so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Es gebe einen Wettbewerb zwischen ÖVP und Grünen, wie man „sinnvolle Dinge“ verzögere.

Die Grünen wiesen die Vorwürfe vehement zurück und forderten eine Entschuldigung von SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie habe laut Grünen-Vizeklubchefin Sigrid Maurer mit ihren Äußerungen einen Konnex zwischen den Verhandlungen und nicht verhinderten Frauenmorden hergestellt. „Eine parteipolitische Instrumentalisierung der Frauenmorde ist inakzeptabel“, so Maurer, die sich über das Niveau erschüttert zeigte. Heinisch-Hosek entschuldigte sich nicht, sprach von einer „Missinterpretation“. Denn es gehe ihr um „rasche Beschlüsse“.

Abschiebestopp für Asylwerber in Lehre wohl fix

Der Schlagabtausch am Dienstag ist allerdings nur ein Kapitel in den Reibereien zwischen SPÖ und Grünen. Seit der neue Nationalrat zum ersten Mal Mitte Oktober zusammengetreten ist, wirft die SPÖ den Grünen vor, auf einer Linie mit der ÖVP zu sein. Zumindest beim ersten Punkt auf der Tagesordnung werden Grüne und SPÖ an einem Strang ziehen. Es wird nämlich über den Abschiebestopp für Asylwerber und Asylwerberinnen in Lehre abgestimmt.

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS waren sich bereits vor einer Woche einig: Die Frist für die Ausreiseverpflichtung beginnt erst nach Abschluss der Lehre bzw. nach der Lehrabschlussprüfung. In den letzten Gesprächen wurde noch vereinbart, dass diese Regelung schon vor Inkrafttreten der Änderung gilt. NEOS will dem ÖVP-Antrag zwar zustimmen, aber zufrieden ist man mit dem Kompromiss nicht. Denn NEOS wollte eine Legalisierung des Aufenthalts und nicht nur einen Abschiebestopp, die ÖVP verfolgt laut Generalsekretär Karl Nehammer aber weiter „eine konsequente Trennung von Asyl und Zuwanderung“.

Die Grünen zeigten sich hingegen zufrieden. Der vorliegende Antrag sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, hieß es noch am Montag. Auch die SPÖ äußerte keine Zweifel nach der Einigung der vier Parteien. Nur die FPÖ wird dem Abschiebestopp aller Voraussicht nach nicht zustimmen. Von der Änderung des Fremdenpolizeigesetzes sind etwa 800 Asylwerber und Asylwerberinnen betroffen.

VKI-Finanzierung für Grüne nur „Notlösung“

Abgestimmt wird am Mittwoch auch über einen von Grünen und ÖVP eingebrachten Antrag zur Finanzierung des VKI für das Jahr 2020. Der gemeinnützige Verein, der die Interessen von Konsumentinnen und Konsumenten vertritt und etwas mehr als hundert Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt, war Gegenstand gegenseitiger Schuldzuweisungen. Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung war gar von einer „Umfärbung“ die Rede. Nun steht die Finanzierung im Mittelpunkt der Debatte – allerdings können Grüne und ÖVP das Budget mit einer Mehrheit beschließen.

TV-Hinweis

Die Nationalratssitzung ist am Mittwoch ab 10.00 Uhr in ORF III und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen.

Im kommenden Jahr soll der VKI 4,75 Millionen Euro als Basisförderung und zur Finanzierung bestimmter Aufgaben erhalten. Außerdem ist die Streichung der Zweckwidmung von Bußgeldern vorgesehen. Bisher kommen Kartellbußgelder, die Unternehmen etwa wegen unzulässiger Preisabsprachen zahlen müssen, bis zu einer Höhe von 1,5 Millionen Euro dem VKI zugute. Im Budgetausschuss fand das Vorhaben mit ÖVP, Grünen und NEOS eine Mehrheit, ein Antrag von SPÖ und FPÖ, der eine längerfristigere Perspektive gehabt hätte, fand hingegen keine.

Grünen-Politikerin Ulrike Fischer bezeichnete die Förderbefristung für den VKI allerdings als „Notlösung“. Eine langfristige Lösung für den Verein müsse folgen. Die FPÖ bezeichnete den Beschluss als „Verrat“ an den Konsumenten und Konsumentinnen und zeigte sich über das Stimmverhalten der Grünen „erschüttert“. Für die SPÖ war die Zustimmung der Grünen zum ÖVP-Antrag „zum Fremdschämen“. Die Grünen ließen sich von der ÖVP über den Tisch ziehen.

U-Ausschuss als Spaltpilz

Auch ein anderer Antrag hat schon einen Keil zwischen SPÖ und Grüne getrieben: das Verlangen auf einen Untersuchungsausschuss zur Affäre rund um die Casinos Austria AG. SPÖ und NEOS, die gemeinsam über die notwendige Stimmenanzahl (ein Viertel der 183 Abgeordneten) verfügen, werden den U-Ausschuss beantragen. Eine Debatte dazu dürfte es zu Sitzungsende geben, dann wandert das Anliegen in den Geschäftsordnungsausschuss. Hat dieser keine Bedenken, wird der U-Ausschuss automatisch in der nächsten Plenarsitzung eingesetzt.

Umfangreiches Programm im Nationalrat

Im Nationalrat stehen am Mittwoch mehrere Themen auf dem Programm: Unter anderem bringen NEOS und SPÖ ihren Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Casinos-Affäre ein.

Der Ausschuss soll die Vorwürfe rund um Korruption, Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit, Parteienfinanzierung und Untreue untersuchen. In erster Linie geht es um Absprachen und Postenvergaben bei den teilstaatlichen Casinos Austria. Untersucht werden sollen Vorgänge ab dem Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung im Dezember 2017. Genau dieser Zeitrahmen ist den Grünen nicht weit genug. Sie wollen, dass weiter zurückgeschaut wird – also auch unter den SPÖ-ÖVP-Regierungen.

Zwar wurden Gespräche mit Grünen-Chef Werner Kogler geführt, eine Verlängerung des Untersuchungszeitraums würde den U-Ausschuss aber verwässern, so SPÖ und NEOS. Zudem orteten die Parteien einen Interessenkonflikt der Grünen, der für die Aufklärung nachteilig sein könnte. So warf etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner den Grünen „ÖVP-freundliches Abstimmungsverhalten vor“. Grünen-Klubobmann Werner Kogler wies das zurück und bezeichnete den SPÖ-NEOS-Antrag als „zu kurz greifenden Aktionismus“.

SPÖ kündigte neuen Antrag zum Glyphosatverbot an

Interessant wird auch ein SPÖ-Antrag für ein Glyphosatverbot. Ein schon im Juli beschlossenes Gesetz wird im Jänner 2020 wegen eines Formalfehlers nicht in Kraft treten. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird das Gesetz nicht kundmachen, weil eine EU-Richtlinie, wonach ein Entwurf des Vorhabens nach Brüssel geschickt werden muss, nicht eingehalten wurde. Kritik erntete sie von der SPÖ und von den Grünen, wobei letztere beim letzten Beschluss zum Verbot des Unkrautvernichtungsmittels nicht im Nationalrat vertreten waren.

Die ÖVP allerdings stimmte damals als einzige Partei (FPÖ, NEOS und JETZT waren dafür) gegen den Antrag. Die Grünen werden an ihrer zustimmenden Haltung zum Verbot nichts ändern, hieß es am Dienstag. Man wolle aber das Allparteiengespräch abwarten, zu dem Bundeskanzlerin Bierlein eingeladen habe. Den angekündigten SPÖ-Antrag für Mittwoch kenne man nicht.

Übrigens wird in dieser Gesetzgebungsperiode über die erste Regierungsvorlage debattiert. Sie sieht vor, dass Subventionsbetrug und Förderungsmissbrauch mit EU-Geldern als neue Tatbestände Eingang in das Strafgesetzbuch (StGB) finden. Eingebracht wurde die Regierungsvorlage vom Justizministerium. Hintergrund ist die EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtetem Betrug, die Österreich nun innerstaatlich umsetzt.