Der österreichische Literat Peter Handke erhält die beiden Insignien aus den Händen des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf
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Stockholm

Handke erhielt Literaturnobelpreis

Peter Handke besitzt nun offiziell seine Urkunde und seine Medaille, die ihn als Literaturnobelpreisträger 2019 ausweisen: Der 77-jährige Literat erhielt am Dienstag gegen Ende der feierlichen Zeremonie im Stockholmer Konzerthaus die beiden Insignien aus den Händen des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf.

Vor Handkes großem Moment waren zuerst die Ehrungen für Physik, Chemie und Medizin vergeben worden, bevor zunächst seine polnische Kollegin Olga Tokarczuk mit dem Literaturnobelpreis für das Jahr 2018 bedacht wurde. Danach trat Anders Olsson, der Vorsitzende des Nobelkomitees der Schwedischen Akademie, mit einer Laudatio auf Handke ans Rednerpult.

Olsson lobte die „bahnbrechende Meisterschaft der Sprache“ eines Autors, der oftmals die Konformität unserer Zeit verweigere. „Er schildert nicht die Metropole, er schildert die Peripherie“, so der Laudator: „Sein Blick ist seine Sprache, er bleibt empfänglich in allem.“ Seine Gesinnung sei antinational. Handke müsse mit seinem väterlichen Erbe – sein leiblicher Vater war Wehrmachtssoldat, was Handke erst zu seiner Matura erfuhr – leben, dass Nazi-Deutschland Österreich während des Zweiten Weltkriegs annektiert habe.

Nobelpreis an Handke: Laudatio und Überreichung

Anders Olsson, Professor der Literaturwissenschaft und Mitglied der Schwedischen Akademie, hielt die Festrede für den Literaturnobelpreisträger 2019, Peter Handke.

Mit drei Verbeugungen – in Richtung König, den Mitgliedern der Akademie und Publikum – quittierte Handke traditionsgemäß die Gabe aus den royalen Händen. Nach Urkunde und Medaille gab es abschließend noch einen „Liebesgruß“ – in Form von Edward Elgars gleichnamigem, beliebtem Musikstück, intoniert vom Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter David Björkman. Eingezogen war Handke mit den übrigen 13 Nobelpreisträgern zu den Klängen von Mozarts Marsch in D-Dur.

Vier Länder boykottierten Gala

Nicht unter den 1.560 geladenen Gästen im Konzerthaus befanden sich die Botschafter des Kosovo, Albaniens, Kroatiens und der Türkei. Deren Regierungen hatten im Vorfeld gegen die Verleihung an Handke protestiert. Zuletzt hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Handke als „rassistische Person“ bezeichnet und bei einer Veranstaltung in Ankara nachgelegt: „So einen Mörder auszuzeichnen heißt, mit der Gräueltat gemeinsame Sache zu machen.“ Auch in der Nähe des Konzerthauses gab es Proteste gegen die Würdigung Handkes. Bosnische Kriegsopferverbände demonstrierten vor dem Gebäude.

Der österreichische Literat Peter Handke bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm
ORF
Handke bei der Zeremonie in Stockholm

Nach der Verleihung ging es für den gebürtigen Kärntner zum abschließenden Bankett im Rathaus der Hauptstadt an den Ehrentisch mit 88 Plätzen. Handkes Platz war neben der Gattin des Schweizer Ministers für Wirtschaft, Bildung und Forschung und der Gattin des Reichstagssprechers. Royaler fiel da das Abendessen für Handkes Kollegin Tokarczuk aus, die zur Rechten des Königs und gegenüber der Königin saß.

Zu Kaffee und Likör sollten die Preisträger kurze englische Dankesworte an die Gäste richten. Handke sagte, das sei zwar der erste „Toast“ seines Lebens, aber schon seine zweite Anrede eines Königspaares – „aber das war im 12. Jahrhundert und ein Traum …“ Seine Wünsche und Grüße gingen an die Wildgänse Nils Holgerssons – dass sie nämlich künftig jedes Land der Welt überfliegen mögen: „Selma Lagerlöfs wild geese forever. Strawberry Fields forever. Wild Strawberries forever.“

Proteste gegen Preisvergabe an Handke

Überschattet wurde die Preisübergabe an Handke von Protesten. Bereits am Nachmittag versammelten sich vor dem Konzerthaus, in dem die Zeremonie über die Bühne ging, eine Handvoll Vertreterinnen und Vertreter der NGO Gesellschaft für bedrohte Völker. Sie forderten die Abhaltung einer Schweigeminute für die Opfer des Genozids von Srebrenica und eine Entschuldigung Handkes bei den Opfern des Völkermordes. Ebenfalls vor dem Konzerthaus fanden sich aus Serbien stammende Unterstützerinnen Handkes zusammen.

Vergabe der Nobelpreise

Neben dem Literaturnobelpreis für Handke wurden am Dienstag auch die Nobelpreise für Physik, Chemie und Medizin verliehen

Eine größere Demonstration gab es am Abend auf dem unweit gelegenen Platz Norrmalmstorg. Rund 400 Personen waren laut Polizei zu der von Teufika Sabanovic gemeinsam mit dem Universitätsprofessor Adnan Mahmutovic initiierten Kundgebung gekommen. Sie glaube nicht daran, dass sich der Schriftsteller für seine Haltung doch noch entschuldigen werde, so Sabanovic im Vorfeld der Verleihung.

Handkes Haltung im Jugoslawien-Krieg

Der „kulturMontag“ beleuchtet die Haltung von Nobelpreisträger Peter Handke zum Jugoslawien-Krieg, die dem Schriftsteller viel Kritik einbrachte.

Abiy Ahmed mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet

Bereits Dienstagmittag hatte Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed den diesjährigen Friedensnobelpreis erhalten. Der 43 Jahre alte Regierungschef des ostafrikanischen Landes bekam die renommierte Auszeichnung im Rahmen der feierlichen Nobelzeremonie in Oslo überreicht.

Abiy werde für drei große Errungenschaften ausgezeichnet, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen: Er habe eine entscheidende Rolle beim Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea gespielt, sich aber auch intensiv darum bemüht, die Demokratie in Äthiopien durch die Stärkung der zivilen Freiheiten und die Entwicklung der Institutionen aufzubauen. Zudem habe er Beiträge zu Friedens- und Versöhnungsprozessen in Ostafrika geleistet, etwa im Sudan oder im Verhältnis zwischen Dschibuti und Eritrea.

Abiy bedankte sich beim Nobelkomitee und wies darauf hin, wie schwierig es sei, langfristigen Frieden zu sichern. „Ich glaube, dass Frieden eine Herzensangelegenheit ist. Frieden ist eine Arbeit der Liebe. Frieden zu erhalten, das ist harte Arbeit.“

Auch Preise für Medizin, Physik und Chemie vergeben

Auch zwölf Wissenschaftler erhielten am Dienstag ihre Nobelpreise. Gregg Semenza, William Kaelin und Peter Ratcliffe bekamen die Auszeichnung in der Kategorie Medizin, Michel Mayor, Didier Queloz und James Peebles in Physik sowie John Goodenough, Stanley Whittingham und Akira Yoshino in Chemie. Der Wirtschaftsnobelpreis, der nicht zu den traditionellen, auf Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurückgehenden Preisen zählt, ging an Esther Duflo, ihren Ehemann Abhijit Banerjee sowie Michael Kremer.