Kälber stehen auf einer Weide
APA/Sina Schuldt
Tiere auf Weide

Strengere Regeln für Biobauern fix

Tausenden heimischen Biobetrieben droht der Verlust ihres Biostatus – so oder so ähnlich war es zuletzt in mehreren heimischen Medien zu lesen. Tatsächlich sind nun von der EU vorgegebene, strengere Regeln fixiert. Tiere aus Biobetrieben müssen künftig im Sommer auf der Weide stehen.

In einem – angesichts der mit dem bevorstehenden Jahreswechsel extrem knappen Frist – mit Spannung erwarteten Antwortschreiben der EU-Kommission wurden die neuen Auflagen nun fixiert. Wie viele Bäuerinnen und Bauern in der Praxis davon betroffen sind, ist aber noch unklar.

Das Landwirtschaftsministerium sagte am Donnerstag gegenüber ORF.at, man habe noch keinen Überblick und könne daher keine Zahl nennen. Es dürften aber Hunderte sein. Betroffene Verbände sprachen von bis zu 3.000 Betrieben. 1.800 Betriebe wechselten aber zumindest rechtzeitig in ein anderes Förderprogramm, hieß es aus dem Ministerium.

Bio Austria mit strengeren Regeln

Der größte heimische Biobauernverband Bio Austria ist ebenfalls besorgt. Angesichtgs eigener, strengerer Bestimmungen geht der Verband zwar davon aus, dass weniger eigene Betriebe betroffen sein werden. Einen Teil der Betriebe werde es aber vor große Herausforderungen stellen. Auch Bio Austria kann derzeit nicht einschätzen, wie viele Betriebe die Änderungen in größerem Umfang betreffen. Ziel sei es, dass „so viele wie möglich trotz der Verschärfungen weiterhin biologisch wirtschaften können“.

Zu großzügige Auslegung

Die EU hat mit einer eigenen Verordnung im Jahr 2007 europaweite Mindeststandards für die Produktion von Biolebensmitteln festgelegt. In Österreich wurde 2016 ein eigenes Gesetz beschlossen, das die Umsetzung in der Praxis für heimische Biobetriebe festlegte.

Mehrere Ausnahmen von der Pflicht zur Weidehaltung, die der heimische Gesetzgeber dabei gewährte, wurden von der EU-Kommission im Zuge einer Prüfung 2017 als nicht EU-rechtskonform moniert. Die Einhaltung möglichst gleicher Wettbewerbsbedingungen ist eine der zentralen Aufgaben der Kommission im Bereich Wirtschaft, genauer: beim Binnenmarkt.

Lange Verhandlungen

In langen Gesprächen konnte das Umweltministerium das Gros der Beanstandungen wegverhandeln. Zwei Punkte blieben jedoch übrig: einerseits die Eingriffe bei Tieren (etwa die Enthornung von Kühen). Hier werden Biolandwirte, die diese Eingriffe weiter vornehmen wollen, künftig einzeln um eine Sondergenehmigung ansuchen müssen. Das ist de facto ein gewisser bürokratischer Mehraufwand, aber keine echte Hürde.

Viel heikler ist dagegen der zweite Punkt, die Weide. Wer das EU-Biozertifikat behalten will, muss ab nächstem Jahr seine Tiere im Wesentlichen von Mai bis Oktober – während der Vegetationsperiode – im Freien weiden lassen. Einzige genehmigte Ausnahmen sind dann schlechtes Wetter oder schlechte Bodenverhältnisse. In Österreich gab es dagegen zusätzlich weitere Ausnahmen von der Weidepflicht, die nun gestrichen sind.

Anderes Förderprogramm möglich

Dass die Umstellung nun so plötzlich kommt, rührt daher, dass das Ministerium bis in den Herbst versuchte, die strikteren Auflagen zu verhindern. Wenn Bauern zu wenig Weideland haben oder dieses zu weit vom Stall entfernt ist, um die Tiere in vielen Fällen monatelang täglich hinzubringen, verlieren sie das Biozertifikat. Dieses sichert ihnen spezielle Förderungen und vor allem auch höhere Preise für Milch und Fleisch.

Für den Entfall der Förderungen gibt es für Betroffene eine weitgehende Entschädigung: Es gibt neben dem Biolandwirtschaftsprogramm auch ein Umweltprogramm mit ähnlichen Förderungsmöglichkeiten, in das diese bis Mitte Dezember umsteigen konnten, so Josef Siffert von der Landwirtschaftskammer gegenüber ORF.at. Das Ministerium informierte daher im November alle potenziell Betroffenen und verschickte rund 18.000 Briefe. 1.800 nutzten die Gelegenheit und wechselten das Förderprogramm.

Den Einnahmenentgang durch niedrigere Preise könnten manche Betroffene möglicherweise teils durch den Einstieg in die Selbstvermarktung ausgleichen oder abfedern, hieß es in der Landwirtschaftskammer.

Appell an Betriebe

Laut Ministerium ist der Verlust des Biozertifikats für Betriebe nicht auszuschließen. Dort appelliert man an alle Betroffenen, sich an die Bezirksstelle der Landwirtschaftskammer oder den zuständigen Bioverband zu wenden. Es gebe sehr viele Sonderfälle, die einzeln bewertet werden müssten. Bis zu Beginn der Weidesaison sind noch einige Monate Zeit, um sich auf die neuen Regeln einzustellen.

Vorbereitung auf neue Bioverordnung

Die aktuelle Sachlage spielt sich vor dem Hintergrund der im Jänner 2021 in Kraft tretenden neuen Bioverordnung ab. Diese Verordnung (2018/848) ersetzt die 2007 und 2008 verabschiedeten Verordnungen. Spätestens dann wäre die Weidehaltung verpflichtend geworden.

2020 wird auf EU-Ebene das Verhandeln jedenfalls weitergehen: Denn die Durchführungsbestimmungen für die neue EU-Bioverordnung stehen noch nicht. Sie enthalten aber die entscheidenden Details für den Alltag der Biobetriebe. Hier könnte es noch zu einem zähen Ringen zwischen den einzelnen EU-Staaten und mit dem Parlament und der Kommission kommen.