Mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit einer Ausdauer und Leidenschaft, die an den Archäologen und Abenteurer der gleichnamigen Kultfilmserie erinnert, in entlegensten Gegenden wilde Verwandte wichtiger Kulturpflanzen für die Ernährung der Menschheit gesucht. Die Klimaerwärmung gefährdet zusehends die Nahrungsmittelproduktion – und das bei steigender Weltbevölkerung. Die gesammelten Samen sollen Kreuzungen ermöglichen, die Pflanzen wie Reis, Mais oder verschiedene Getreidesorten resistenter gegen die Folgen der Klimaerwärmung, wie Wasserknappheit oder höhere Temperaturen, machen.
Sechs Jahre lang wurden Samen von Tausenden Wildpflanzen zusammengetragen – und das unter oft abenteuerlichen oder gefährlichen Bedingungen. Einige Gebiete konnten die Wissenschaftler nur zu Fuß, per Kanu oder auf Elefanten reitend erreichen. 4.644 Samenproben von 371 wilden Verwandten von 28 weltweit wichtigen Kulturpflanzen wurden dabei sichergestellt. Viele der gesammelten Pflanzen sind bereits vom Aussterben bedroht.
Alles andere als ein Spaziergang
„Die Expeditionen waren kein Spaziergang im Park. Sie waren teilweise gefährlich, wegen Hitze, Staub und Schwitzens körperlich sehr anstrengend. Dazu kam die Gefahr durch wilde Tiere – von blutsaugenden Würmern bis hin zu Tigern“, betonte Hannes Dempewolf, der Leiter der globalen Initiativen beim Crop Trust.
„Die Geschichten, die diese Samensammler von ihren Reisen in die entlegenen Gebiete zurückbrachten, erinnern an Szenen aus dem Indiana Jones Film“, so Dempewolf.
NGO kooperiert mit UNO
Der Crop Trust ist eine 2004 gegründete Nichtregierungsorganisation (NGO), die unter anderem mit der UNO-Ernährungsagentur zusammenarbeitet, um die ausreichende Produktion von Lebensmitteln für die Zukunft zu sichern. Finanziert wird der Crop Trust, dessen Zentrale in Bonn ist, unter anderem durch mehrere Staaten und die Bill und Melinda Gates Stiftung.
Die NGO arbeitet eng mit dem Svalbard Global Seed Vault zusammen. Das ist der seit 2008 auf Spitzbergen, weit nördlich des Polarkreises, errichtete Globale Pflanzensamentresor. Er dient als eine Art Backup für nationale Samensammlungen. Fast alle Länder haben dort Samen ihrer jeweils wichtigsten Kulturpflanzen eingelagert.
Ambitioniertes Projekt dieser Art
Das Projekt, das vom Crop Trust gemeinsam mit den Royal Botanic Gardens und Kew’s Millenium Seed Bank in Großbritannien durchgeführt wurde, wurde von Norwegen finanziert. Es ist der bislang ambitionierteste weltweite Versuch, wilde Verwandte von wichtigen Kulturpflanzen aufzuspüren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich daran beteiligten, kamen aus 25 verschiedenen Ländern.
Die Wildpflanzen sind grundsätzlich widerstandsfähiger als ihre auf maximalen Ertrag ausgelegten Verwandten, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Sie haben gelernt, mit ungünstigen und schwierigen Bedingungen, wie geringem Niederschlag, Überschwemmungen, starken Temperaturschwankungen oder wenig nahrhafter Erde, zurechtzukommen. Sie bieten daher mit ihrem Erbgut eine bislang kaum angezapfte Quelle für Vielfalt an, um die Kulturpflanzen widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise zu machen.
Beispiel Banane
Einzelne Kulturpflanzen waren wiederholt vom Aussterben bedroht, etwa durch extreme Abholzung von Wäldern, Klimaveränderung, Bodenversiegelung durch die Ausdehnung von Städten und durch Krieg. Bananen seien diesbezüglich ein sehr gutes Beispiel. Sie seien potenziell in Gefahr, weil die Fälle von Krankheiten sich ausbreiten, so einer der Projektleiter, Chris Cockel. Und er ergänzt: „Das hatten wir schon einmal.“
Nach 1945 sei die Banane, wie sie die Leute kannten, aufgrund einer Krankheit de facto ausgerottet gewesen. Nun sei genau diese Krankheit wieder auf dem Vormarsch. „Es ist daher wichtig, das Samenmaterial zu verwenden … um verlorengegangene genetische Spuren wieder hineinzuzüchten, die helfen, die Banane wieder resistenter gegen bestimmte Krankheiten zu machen.“
3.000 Tage unterwegs
Die Forscherteams waren in Asien, Afrika, Europa und Südamerika zusammengezählt fast 3.000 Tage unterwegs. Sie verwendeten GPS, um den Fundort zu vermerken, berichtete die britische Tageszeitung „Guardian“ über das Projekt. In Nepal seien die Sammler demnach auf Elefanten geritten, um Tiger und Rhinozerosse abzuwehren. Sie fanden eine Wildreisart, die gegen eine Art von Mehltau resistent ist und eine spezielle Art Süßkartoffel, die in salzhaltigem Boden wächst.
In Ecuador seien die Sammler in langen Stiefeln im Gelände herumgegangen, um sich vor Schlangenbissen zu schützen. Sie waren auf der Suche nach einer seltenen, aber ergiebigen Reisart, die es nur in dieser Region gibt, und die Überflutungen toleriert.
Nahrungssicherheit stark in Gefahr
Die Lebensmittelversorgung ist laut dem UNO-Forschungsgremium zur Klimaerwärmung, IPCC, bereits jetzt schwer gefährdet. Das Gremium warnt vor Hungersnöten, höheren Preisen für Lebensmittel und den gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgen von Unterernährung, angesichts der Anzahl täglich aussterbender Tier- und Pflanzenarten.
Gleichzeitig konzentriert sich die Landwirtschaft weltweit auf immer weniger Arten von Lebensmitteln. Das erhöht laut der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO die Gefahr von „Schocks“ bei der Lebensmittelproduktion durch mit der Klimakrise verbundene Phänomene wie Dürren oder Pflanzenkrankheiten.
Dramatische Aussichten
Ohne Vorsorgemaßnahmen wie etwa das Züchten widerstandsfähigerer Pflanzen könnte die weltweite landwirtschaftliche Produktion bis 2050 um bis zu 30 Prozent zurückgehen, warnte zuletzt die Global Commission on Adaptation. Die 2018 von den Niederlanden gegründete Organisation befasst sich damit, wie die Folgen der Klimakrise durch Technologie, Planung und Investitionen gesteuert werden können.