Dutzende auf einem Fabriksgelände in Seattle abgestellte Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX
Reuters/Lindsey Wasson
Startverbot und Whistleblower

Boeing kommt aus Problemen nicht heraus

Der US-Flugzeughersteller Boeing kommt aus den Problemen nicht heraus. So verzögert sich die Starterlaubnis der US-Luftfahrtbehörde FAA für den umstrittenen Mittelstreckenjet 737 Max. Auch ein Whistleblower setzt dem Konzern zu. Er erhob bei einer Kongressanhörung schwere Anschuldigungen.

„Ich habe eine Fabrik im Chaos erlebt und Monate vor dem ersten Absturz schwerwiegende Bedenken über die Fertigungsqualität an ranghohe Boeing-Führungskräfte durchgegeben“, sagte der frühere Boeing-Manager Ed Pierson. Vor dem zweiten Unglück habe er erneut Probleme gemeldet, doch keiner seiner Hinweise habe etwas bewirkt. Termindruck und die Erschöpfung von Arbeitern gingen zulasten von Qualität und Sicherheit.

Boeing hielt dem entgegen, man habe regelkonform mit Sicherheitsmaßnahmen und Software-Updates auf den Absturz im Oktober 2018 reagiert. Der US-Flugzeughersteller steht im Verdacht, die „Unglücksjets“ überstürzt auf den Markt gebracht und die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Der Konzern streitet das ab, hat aber Fehler bei der 737 Max zugegeben. Als eine wesentliche Absturzursache gelten Softwarefehler bei einer Steuerungsautomatik, die Boeing per Update beheben will.

Dutzende auf dem Flughafen Grant County International Airport in Moses Lake abgestellte Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX
APA/AFP/Getty Images/David Ryder
Die 737 Max darf derzeit nicht abheben

Produktionseinstellung als letzte Möglichkeit?

Für Boeing ist die vorübergehende Stilllegung des einstigen Hoffnungsträgers ein Desaster: Eine weitere signifikante Verzögerung bei der Zulassung könnte den Konzern dazu zwingen, die Produktion der 737 Max herunterzufahren oder sogar einzustellen.

Foto aus dem Cockpit einer Boeing 737 MAX zeigt zwei Piloten und Boeing-Chef Dennis Muilenburg während eines Testfluges für ein Softwareupdate
APA/AFP/Paul Weatherman
Das Cockpit einer Max 737

Bei der Anhörung vor einem Kongressausschuss ging es auch um die Rolle der US-Luftfahrtaufsicht. Sie steht wegen der Zulassung der 737 Max ebenfalls stark in der Kritik. FAA-Chef Steve Dickson verteidigte die Behörde, räumte aber ein, dass das sehr zögerlich verhängte Flugverbot für die 737 Max aus heutiger Sicht zu spät kam. Zuvor hatte Dickson Boeings Hoffnungen auf eine rasche Wiederzulassung des Flugzeugs gedämpft.

„Wir werden bei dem Prozess alle nötigen Schritte befolgen, wie lange auch immer es dauern wird“, sagte der FAA-Chef im Sender CNBC. In diesem Jahr werde es sicherlich keine Betriebserlaubnis für die 737 Max mehr geben. Bei der Anhörung im Kongress drohte der Behördenleiter Boeing zudem mit Konsequenzen. „Ich behalte mir das Recht vor, weitere Maßnahmen zu ergreifen“, sagte Dickson. Die FAA kündigte zudem an, dass sie wegen möglicher Produktionsmängel gegen Boeing Ermittlungen betreibe. Am Donnerstag bremste Dickson die Hoffnungen des Flugzeugherstellers weiter. Dickson schrieb in einer E-Mail, dass Boeing einen „unrealistischen“ Zeitplan verfolge.

Southwest Airlines erhält Entschädigung

Finanziell wirkt sich das 737-Max-Fiasko jedenfalls bereits aus: Die US-Fluggesellschaft Southwest Airlines erhält wegen des Flugverbots für die Maschinen von Boeing eine Entschädigung. Die genaue Höhe wurde am Donnerstag nicht bekanntgegeben, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen aber 125 Mio. US-Dollar (rund 112 Mio. Euro) weitergegeben werden, so Southwest.

Die Gespräche mit Boeing über Entschädigungen würden fortgesetzt, so Southwest Airlines weiter. Die Fluggesellschaft erwartet, dass die Entschädigungen fast vollständig über Preissenkungen bei laufenden und künftigen Bestellungen bei Boeing erfolgen.

346 Menschen starben

Bei zwei Abstürzen von 737 Max waren insgesamt 346 Menschen gestorben. Vor gut einem Jahr war in Indonesien eine 737 Max der Fluggesellschaft Lion Air abgestürzt, 189 Menschen kamen dabei ums Leben. Im März starben beim Absturz einer Maschine gleichen Typs der Ethiopian Airlines 157 Menschen. Seitdem muss das Modell weltweit auf dem Boden bleiben, was die Fluggesellschaften teils vor große Herausforderungen stellt.

Die beiden Maschinen waren nach bisherigen Erkenntnissen vor allem wegen der fehlerhaften Steuersoftware MCAS abgestürzt, die einen Sturzflug automatisch verhindern soll. Auch in China äußerte die dortige Behörde Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Sicherheit des Flugzeugs auf der Grundlage der vorgeschlagenen Änderungen an Software und Flugsteuerungssystemen. Ein Sprecher der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde bekräftigte, dass das Flugzeug vor der Wiederaufnahme des Betriebs in China erneut zertifiziert werden müsse. Zudem müssten die Piloten umfassend geschult werden.