Heinz Christian Strache
AP/Darko Vojinovic
Chance auf Comeback

Strache und die FPÖ-Wien-Abspaltung

Noch im Oktober hat der über das „Ibiza-Video“ gestolperte Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seinen „kompletten Rückzug“ aus der Politik verkündet. Mit der Abspaltung dreier Wiener FPÖ-Mandatare und der Gründung von Die Allianz für Österreich (DAÖ) stehen die Zeichen nun auf ein Politcomeback Straches. Zumindest bei der Wien-Wahl 2020 räumen Fachleute der Bewegung Chancen ein. Ganz anders sieht es auf Bundesebene aus.

Am Donnerstag verkündeten die Wiener FPÖ-Gemeinderäte Karl Baron, Dietrich Kops und Klaus Handler ihren Austritt aus der Partei und die Gründung eines eigenen Klubs im Wiener Landtag. Heißen wird er Die Allianz für Österreich (DAÖ). Aus ihrer Motivation für die Abspaltung von der FPÖ machten die drei Politiker keinen Hehl: Die FPÖ sei zu einer „Anti-Strache-Partei“ geworden, beklagten sie bei einer Pressekonferenz.

DAÖ will bei der Landtagswahl in Wien antreten, die für Herbst nächsten Jahres angesetzt ist. Als Spitzenkandidat wünscht man sich Strache. Von Strache selbst gibt es bisher nur eine indirekte Reaktion. Auf Facebook postete er einen Song der John-Otti-Band mit dem Titel „Song für HC Strache – Liebe ist der Weg“.

Antritt als „Liste Strache“ in Wien möglich

Dass Strache ablehnt, hält der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier für so gut wie ausgeschlossen: „Wenn die Ereignisse von heute und der letzten Wochen irgendeinen Sinn machen, dann nur, wenn eine Rückkehr Straches als politischer Kandidat vorbereitet wurde.“ Rechtlich gesehen könnte DAÖ in Wien als „Liste Strache“ antreten, so Filzmaier gegenüber ORF.at. „Eine DAÖ – der Herr Baron und Co. – hätte natürlich keine Chance. Es steht und fällt mit der Marke Strache“, sagte der Politologe.

Strache erklärte „kompletten Rückzug“

Anfang Oktober erklärte Strache als Schutz für die FPÖ seinen „kompletten Rückzug“ aus der Politik.

Ob sich noch andere Mandatare den Abtrünnigen anschließen, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. In den vergangenen Tagen berichteten mehrere Medien, in Wien könnten bis zu zehn Gemeinderäte die Partei verlassen und sich einer neuen Bewegung um Strache anschließen. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp dementierte die Gerüchte am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass bis zu zehn Mandatare politischen Suizid begehen würden“, so Nepp.

Die Frage nach der politischen Perspektive

Außerhalb von Wien sei Straches Potenzial jedenfalls gering, sagte Filzmaier. Selbst Jörg Haider habe 2005 bei der Gründung des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) nur eine einzige Landesorganisation – nämlich seine eigene, die Kärntner FPÖ – auf seine Seite ziehen können. „Das wird auch Strache außerhalb Wiens nicht gelingen. Einzelne Mandatare schließe ich nicht aus. Aber wenn Strache eine Chance hat, dann in seinem Heimspiel Wien“, sagte Filzmaier.

FPÖ-Pressekonferenz nach Abspaltung

Hofer und Nepp sehen die Abspaltung von drei Mandataren von der Wiener FPÖ in einer ersten Reaktion betont gelassen.

Alles andere sei „irreal“, auch mangels Landtagswahlen. Die nächste findet bereits im Jänner im Burgenland statt, „viel zu bald“, wie Filzmaier sagte. Der burgenländische FPÖ-Landesparteichef Johann Tschürtz erklärte bereits, die „Thematik in Wien“ habe „null Auswirkungen“ auf das Burgenland. Nach dem Burgenland wählt Wien, ehe 2021 Oberösterreich ansteht. „Die dortige Landesgruppe ist geschlossen gegen ihn (Strache, Anm.)“, so Filzmaier.

Doch selbst, wenn sich Strache und seine Mitstreiter bei der Wien-Wahl behaupten können, stellt sich für Filzmaier die Frage nach der langfristigen politischen Perspektive. Als Spitzenkandidat hatte Strache die FPÖ bei der Gemeinderatswahl 2015 in Wien noch auf über 30 Prozent geführt. Dass er diesen Wert bei der Wahl kommendes Jahr mit einer eigenen Liste erreicht, ist so gut wie ausgeschlossen. „Wenn er nicht das Motiv hat: ‚Ohne Politiker zu sein, kann ich gar nicht sein‘, ist nicht klar, was er wirklich erreichen will“, sagte Filzmaier.

Enormer Schaden für die FPÖ

Während Nepp und Hofer mit betonter Gelassenheit auf die Abspaltung der drei Mandatare reagierten und hochrangige FPÖ-Funktionäre sich in Sozialen Netzwerken über das „Bündnis Zukunft Ibiza“ lustig machten, sieht Filzmaier einen großen Schaden für die FPÖ: „Es verstärkt den Absturz der FPÖ in Wien. Und weil es nun mal die Person des Ex-Vizekanzlers ist, auch auf Bundesebene.“

Strache als Zugpferd wichtig

Ohne Strache als Zugpferd ergebe die Neugründung keinen Sinn, sagte Thomas Langpaul aus der ORF-Innenpolitik.

Filzmaier sprach von gleich drei brennenden „Zündschnüren“. Da wäre einmal die Spesenaffäre, in der die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt (für Strache gilt die Unschuldsvermutung). „Im Bereich Spesen gehören immer zwei dazu. Einer, der viel Geld kriegt. Und ein anderer, der es ihm zahlt. Und das war die FPÖ beziehungsweise die Wiener FPÖ“, sagte Filzmaier.

Das zweite Problem für die FPÖ stelle sich im Bereich Kommunikation. „Was immer die FPÖ in den nächsten Wochen und Monaten kommunizieren will, das Hauptthema wird der interne Konflikt sein“, so Filzmaier. Und drittens müssten beide Seiten „aufhören, sich als Erzfeinde zu sehen“, sagte Filzmaier, „weil man sich dann erst recht nur Stimmen wegnimmt oder die Wähler gemeinsam ins Nichtwähllager treibt“.

Strache-Unterstützer gründen eigenen Klub

Die FPÖ sei zur „Anti-Strache-Partei“ geworden, so Baron, da könne man nicht mehr mit.

Möglichkeiten, Straches Comeback zu verhindern, hat die FPÖ aus Filzmaiers Sicht nicht. Ein entsprechender Deal zwischen Strache und der Partei könne nur ein „unsauberer“ sein, sagte der Politologe – und den habe die FPÖ in den vergangenen Monaten vergeblich gesucht.