„Es ist natürlich das Märchen von Rapunzel – aber es ist eine Liebesgeschichte. Die Prinzessin und der Prinz kriegen sich am Schluss“, beschrieb Regisseur Matthias von Stegmann im Interview mit ORF.at den Kern der Erzählung. „Die Liebe wird doch siegen, so einfach das klingt. Dass Liebe einfach alles überwindet, ist für mich die zentrale Nachricht.“ Wie im Original erzählt man in der Staatsoper von dem Baby, das von einer Hexe gestohlen und in einem Turm festgesetzt wird. Zu einer jungen Frau herangewachsen kann sie ihre überdurchschnittlich langen Haare als Auf- (und Ab-)stiegshilfe und schließlich für ihre Rettung einsetzen.
Dass man sich für den französischen Namen Persinette statt des deutschen Rapunzels entschieden hat, ist laut Komponist Albin Fries ein rein praktischer: Persinette singt sich leichter – Rapunzel wäre in der tonalen Komposition zu sehr geholpert. Die dreiaktige Oper im spätromantischen Stil ist Fries’ erstes Bühnenwerk, das an der Staatsoper gezeigt wird – mehr dazu in oe1.ORF.at.
Inspiration durch tiefenpsychologische Motive
Schon bevor er den Kompositionsauftrag von Staatsoperndirektor Dominique Meyer erhalten habe, hätte er begonnen, an einer Vertonung von „Rapunzel“ zu arbeiten – ursprünglich gedacht als abendfüllende Märchenoper. Zur Auswahl des Stücks hätten ihn vor allem die tiefenpsychologischen Motive inspiriert, erzählte Fries, der als langjähriger Staatsopern-Solokorrepetitor mit dem Haus bestens vertraut ist, gegenüber ORF.at.
„Interessant ist das gestörte Mutter-Tochter-Verhältnis bzw. Stiefmutter-Stieftochter-Verhältnis, die Kinderlosigkeit der Hexe, die sie dazu bringt, ein fremdes Kind zu stehlen.“ In einer Kinderoper könne man diese Überlegungen natürlich nur bedingt auswerten – „aber diese Themen haben mich gereizt“, so Fries.
Ausschlaggebend für die Stoffwahl sei aber ohnehin auch die Fülle an Naturschilderungen, die in der Grimm-Vorlage vorhanden sind: „Der Turm im Wald, der Zaubergarten der Hexe, die Schneewüste, in die die zwei Liebenden verbannt werden, das ist sehr inspirierend.“ Die einstündige Oper ist durchkomponiert, also ohne gesprochene Dialoge. „Ich wollte eine symphonische Oper machen. Und ich glaube, dass es auch für Kinder nicht langweilig wird.“
Der komische Rabe und die geläuterte Hexe
Librettistin Birgit Mathon veränderte für die Kinderopernversion die Märchenvorlage leicht. Zwar bleibt es dabei, dass die Hexe Persinette als Baby von ihren Eltern stiehlt und in den Turm einsperrt, letztlich wird sie aber – beeindruckt von der Liebe zwischen Persinette und dem Prinzen – geläutert.
Als Gefährte lebt in der Opernversion außerdem ein verzauberter Rabe im Turm – „wir fanden eine komische Figur unbedingt notwendig für das ansonsten recht düstere Märchen“. Ursprünglich ebenfalls ein Prinz und Verehrer der Hexe macht auch er eine Wandlung durch und darf beim Happy End als rückverzauberter Mensch auftreten.
Rapunzel in der Staatsoper
Der österreichische Komponist Albin Fries hat aus der Geschichte von Rapunzel eine Kinderoper gemacht. „Persinette“ ist ab Samstag in der Staatsoper zu sehen.
Multimediaoper mit vielen Effekten
Die szenische Umsetzung auf der von Marc Jungreithmeier gestalteten Bühne wartet mit allerhand verblüffenden Multimediatricks und Videokunst auf. Für die Umbauten sorgen Kinder aus der Opernschule der Wiener Staatsoper, die zugleich als Tänzerinnen und Tänzer die Szenerie beleben: „Es sind unsere guten Geister – sie verhalten sich neutral, schieben die Handlung an, verwandeln die Bühne, werden im dritten Akt vermenschlicht“, so Regisseur Stegmann.
Für Stegmann, der als Synchronregisseur unter anderem auch für mehrere Staffeln der „Simpsons“ die deutsche Fassung erarbeitete, ist es bereits die dritte Kinderoperninszenierung an der Staatsoper („Wagners Nibelungenring für Kinder“ 2007 und „Pünktchen und Anton“ 2010).
Die Herausforderung bei der Vermittlung einer Oper an das junge Publikum ist ihm bewusst: „Jedes Stück hat seine Tücken, und gesungene Sprache ist auch immer schwer zu verstehen“, so der Regisseur. „Deshalb haben wir natürlich versucht, durch die Personenregie und die Bilder die Handlung noch klarer verständlich zu machen. Das muss natürlich schon der Anspruch sein.“
Hinweis
„Persinette“ ist an der Wiener Staatsoper am 21., 22., 25. und 29. Dezember jeweils um 11.30 Uhr zu sehen.
Kinder als „Gradmesser“
Auch Sopranistin Bryony Dwyer, in der Titelrolle als Persinette zu sehen, ist sich der Schwierigkeit der Aufgabe bewusst: Man könne Kinder „enorm bannen, aber auch beim kleinsten atmosphärischen Mangel vollständig verlieren“, so die aus Tasmanien stammende Sängerin gegenüber der APA. Kinder seien „in Wahrheit viel feinere Gradmesser für die Qualität des theatralen Elements als Erwachsene“.
16 Jahre lang, von 1999 bis 2015 war das junge Publikum auf dem Dach der Staatsoper beheimatet – in einem Zelt, das rund 160 Zuschauern Platz bot. Danach mietete man das ehemalige Stadttheater Walfischgasse als Studiobühne für die Kinderopern an. „Persinette“ darf jetzt bei den Großen mitspielen – die Uraufführung wird in der ausverkauften Staatsoper über die Bühne gehen.