Ein LKW fährt zwischen Feldern mit ausgetrocknetem Boden
APA/Harald Schneider
„Schönrechnen“

Schlagabtausch um Österreichs Klimaplan

NGOs und Umweltministerium sind kurz vor der Abstimmung über den heimischen Klimaplan über dessen Inhalt in Streit geraten. Für Umweltorganisationen zeige ein Expertenpapier „eine deutliche Zielverfehlung“, so werde man die Klimaziele nicht erreichen. Das Ministerium konterte, die Vorwürfe seien „haltlos“. Viel Zeit bleibt nicht mehr: Schon am Mittwoch soll der Plan dem Ministerrat vorgelegt werden.

Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) muss bis Ende des Jahres an die EU-Kommission in Brüssel geschickt werden. Diese hatte jüngst selbst ihren „Green Deal“ präsentiert, einen Plan, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die EU-Kommission hatte einen ersten Entwurf des NEKP bereits im Juni mit zehn Empfehlungen an Österreich zurückgesendet. Das nun überarbeitete Papier, an dem auch Verkehrs- und Finanzministerium beteiligt waren, soll diese Woche den Ministerrat passieren.

Am Montag warnten Umweltorganisationen aber davor, den Plan erneut nach Brüssel zu schicken. Ein der Umweltorganisation Global 2000 zugespieltes internes Expertenpapier zeige „eine deutliche Zielverfehlung, wenn der Entwurf nicht grundlegend nachgebessert wird“. Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher der NGO, forderte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein auf, „sicherzustellen, dass dieser Entwurf nicht als österreichischer Klimaplan an die Europäische Kommission geschickt wird“.

Umweltökonomin Sigrid Stagl, WU Wien

Im nationalen Klimaplan sei Österreich bisher nicht sehr ambitioniert. Er formuliere noch immer primär Ziele und enthalte wenig konkrete Maßnahmen. Das sagt die Umweltökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien.

Einwände vieler NGOs

Das Expertenpapier zeigt laut Global 2000, dass mit dem bestehenden Plan die Klimaziele bis 2030 nicht zu erreichen sind. Stattdessen seien ein Gesamtpaket samt Steuerreform als notwendige Bestandteile definiert, ein Teil davon müsse „eine Form der CO2-Bepreisung“ sein, heißt es in dem Expertenpapier.

Andere Gruppen schlossen sich der Kritik am Montag an: Die von Österreich vorgeschlagenen Maßnahmen reichten bei Weitem nicht aus, um das verpflichtende EU-Reduktionsziel von minus 36 Prozent Treibhausgasen bis 2030 zu erreichen, urteilte Greenpeace. Das interne Papier zeige, dass der Plan „sogar unter Einrechnung zahlreicher fiktiver Annahmen die Klimaziele deutlich“ verfehlen würde, hieß es vom WWF. Das Klimavolksbegehren stellte der Regierung ein „Nicht genügend“ aus. Auch „Fridays for Future“ schloss sich der Kritik an und kündigte eine Aktion am Freitag in Wien an.

Ministerium: Finale Version abwarten

Das Umweltministerium konterte am Montag, die Vorwürfe seien „haltlos“: Bei dem geleakten Papier handle es sich um einen zwei Wochen alten Zwischenbericht. „Es wäre der Sache dienlich, wenn auch NGOs die finale Version abwarten, anstatt mit nicht mehr aktuellen Papieren Verunsicherung zu erzeugen“, sagte Sektionschef Jürgen Schneider.

Das Papier gründet sich laut dem Ministerium nicht auf den Plan, sondern ist „ein erstes Zwischenergebnis der Modellierung und enthält somit gar nicht alle Maßnahmen und Zielsetzungen, die im finalen NEKP umfasst sein werden“. Der finale Plan werde am Mittwoch dem Ministerrat vorgelegt. Dieser ist laut dem Umweltministerium nachgebessert worden.

„Alle“ Ziele verfehlt

Tatsächlich beschreibt das Expertenpapier eine Ausgangslage, in der das Umweltbundesamt am 29. November das Szenario vor Vertretern der Ministerien präsentierte. „Mit den zusätzlichen Annahmen und Maßnahmen“ seien trotz guter Fortschritte „alle Ziele (teils knapp) verfehlt“.

Das Ministerium betonte zudem, dass „die Arbeit an der Erreichung der Ziele nicht mit Abgabe des Plans ende“. „Ganz im Gegenteil: Die weitere Umsetzung beginnt damit. Dass die Emissionen erst sinken können, wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, ist allen handelnden Akteuren bewusst.“

Enttäuschung nach Klimagipfel von Madrid

„Time for action“ – Zeit zum Handeln, das war das Motto der zweiwöchigen Klimakonferenz die gestern in Madrid zu Ende ging. Gehandelt wurde aber nicht.

Global 2000 reagierte abermals auf das Ministerium. Aus dem Expertenpapier gehe „eindeutig hervor, dass der Versuch unternommen wurde, den mangelhaften Klimaplan schönzurechnen“, etwa indem man auch bloße Zielvorstellungen und vage Annahmen in die Berechnungen einbeziehe, wo nur konkrete Maßnahmen zu nennen seien. Die NGO kritisierte auch erneut die in ihren Augen mangelhafte Transparenz und Einbindung der Öffentlichkeit.

Auch Rechnungshof mit Kritik

Das hatte auch der Rechnungshof bereits kritisiert: Er hatte darauf hingewiesen, dass wesentliche Teile des NEKP zu Beginn der Konsultation – diese dauerte vom 4. November bis zum 2. Dezember – nicht vorlagen. Er hatte vor wenigen Tagen zudem eine abschließende gesamthafte Beurteilung des NEKP für unmöglich erklärt, weil die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und konkrete Angaben zur Umsetzung der Maßnahmen fehlten.

Umzusetzen ist der Klimaplan von der neuen Bundesregierung. Er soll drei Ziele bis 2030 umfassen: Eine deutliche Senkung der Treibhausgasemissionen, eine Erhöhung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen und eine Steigerung der Energieeffizienz. Zu den geplanten Maßnahmen zählen unter anderem das Steuerreformgesetz 2020, die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge und das Biomasseförderungsgrundgesetz sowie die Ökostromnovelle. Eine CO2-Steuer ist nicht vorgesehen.