Kakaoernte
Sean Hawkey
Höhere Preise

Kartell kämpft gegen bittere Schokoindustrie

Im Adventkalender, in der Keksdose oder in Glitzerpapier eingewickelt auf dem Christbaum – selten im Jahr ist Schokolade gegenwärtiger als zu Weihnachten. So unterschiedlich die Leckereien auch sein mögen, fast alle enthalten sie Kakaobohnen aus Westafrika. Deren Bauern und Bäuerinnen fristen jedoch ein Leben am Rande des Existenzminimums. Ein Kartell will das im neuen Jahr allerdings ändern.

Rund 90 Milliarden Euro. Mit dieser Summe wird der Markt für Schokolade beziffert. Die Elfenbeinküste gilt als größter Kakaoproduzent der Welt. Zusammen mit dem Nachbarland Ghana wird hier mehr als die Hälfte der weltweiten Ernte produziert. Und dennoch zählen die so rohstoffreichen Länder zu den ärmsten der Welt.

„Schokolade ist ein 100-Milliarden-Dollar-Business und wir (Ghana und Elfenbeinküste, Anm.), die 65 Prozent des Rohstoffs produzieren, verdienen weniger als sechs Milliarden Dollar mit dem Schweiß und der Arbeit unserer Landwirte“, wird Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo in der „Financial Times“ („FT“) zitiert. Die Beziehung zu den großen Schokoladenherstellern der Welt bezeichnet Akufo-Addo als „kolonial“.

Kakaoernte
Sean Hawkey
Ausbeutung der Bauern, Kinderarbeit und Abholzung des Regenwalds – das sind die dunklen Seiten von Schokolade

In den vergangenen Jahren ist die Kakaoproduktion drastisch gestiegen – alleine in der Elfenbeinküste habe sich die Produktion im vergangenen Jahrzehnt auf zwei Millionen Tonnen nahezu verdoppelt, so die „FT“. Das führte nicht nur zur massiven Abholzung des Regenwaldes – mehr als 90 Prozent der ursprünglichen Wälder Westafrikas sind laut Kakao-Barometer mittlerweile verschwunden –, sondern auch zu einem enormen Preisverfall. Unter diesem litten vor allem Kleinbauern und Kleinbäuerinnen.

Kakao-Barometer

Das Kakao-Barometer bietet regelmäßig einen Überblick über die derzeitigen Nachhaltigkeitsbestrebungen im Kakaosektor mit Fokus auf Westafrika.

Ende der Kinderarbeit 2020?

Ein weiteres Problem stellt die Kinderarbeit dar. Laut dem Kakao-Barometer arbeiten über zwei Millionen Kinder auf den Plantagen in Ghana und der Elfenbeinküste. Zwar haben sich 2001 große Schokoladenhersteller dazu verpflichtet, gänzlich auf Kinderarbeit zu verzichten, jedoch ohne Erfolg.

Laut einem zweiten, weitaus unambitionierteren Abkommen soll Kinderarbeit bis 2020 um 70 Prozent reduziert werden. Doch auch von diesem Ziel scheinen sowohl Unternehmen als auch Regierungen weit entfernt. Einer US-amerikanischen Studie zufolge könnte jedoch bereits ein geringer Preisanstieg (2,8 Prozent) dazu beitragen, die schwersten Formen von Kinderarbeit auf den afrikanischen Farmen zu vermeiden.

Kakaoernte
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Oft müssen nicht nur Frauen, sondern auch Kindern auf den Kakaoplantagen Bohnen ernten

Um Kinderarbeit ganz zu unterbinden, müsste der Kakaopreis den Berechnungen zufolge allerdings um etwa 47 Prozent steigen. Das bedeute jedoch nicht, dass gleich die ganze Schokolade um 47 Prozent teurer werde, da der Kakaopreis lediglich einen kleinen Bruchteil des Gesamtpreises ausmacht.

Kartell zwischen Ghana und Elfenbeinküste

Doch ganz so einfach lässt sich der Preis der Bohnen eben nicht erhöhen. Denn neben der fehlenden Verhandlungsmacht von Bauern und Bäuerinnen sowie der Marktmacht von multinationalen Unternehmen sei das Problem vor allem jenes, dass der Preis vom Weltmarkt bestimmt werde, so der Kakao-Barometer.

Die Regierungen von Ghana und Elfenbeinküste wollen es dennoch versuchen. Sie bildeten ein Kartell und kündigten kürzlich an, ab Oktober 2020 einen Preisaufschlag für Kakao festzulegen zu wollen. Pro Tonne Kakao sollen 400 Dollar zusätzlich zum staatlich festgelegten Marktreferenzpreis zu zahlen sein. Damit soll ein existenzsicherndes Einkommen für die Bauern und Bäuerinnen garantiert werden. Für die kommende Saison soll der Preis also auf 2.600 US-Dollar pro Tonne steigen.

Ghanas Vizepräsident Mahamudu Bawumia versuchte, Zweifel über die Machbarkeit auszuräumen, und verwies dabei auf die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Obwohl das Ölkartell nur etwa 30 bis 40 Prozent der weltweiten Ölversorgung kontrolliere, bestimme es dennoch die Preise. „Wenn sie OPEC haben, können wir COPEC haben“, so Bawumia.

Kakaoernte
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400 Dollar zusätzlich fordern Ghana und Elfenbeinküste für eine Tonne Kakaobohnen

„Wichtiger erster Schritt“

Bernhard Moser, Pressesprecher von Fairtrade, sieht in der Ankündigung ein starkes Zeichen in Richtung Industrie: „Es ist toll, dass sich auf politischer Ebene etwas tut“, so Moser gegenüber ORF.at. Er spricht von der Ankündigung als „wichtigen ersten Schritt“, allerdings bleibe nach wie vor der konkrete Vertrag abzuwarten. Erst dann werde man sehen, wie sich dieser tatsächlich auf die Lebensbedingungen der Bauern und Bäuerinnen auswirken werde.

Das Entscheidende werde auch der Abstand zum Weltmarktpreis sein. Seiner Einschätzung nach seien die Forderungen der beiden Länder jedoch durchaus realistisch: „Wenn sich zwei Länder wie Ghana und Elfenbeinküste zusammentun, haben sie natürlich eine andere Verhandlungsmacht. Sie können vorgeben, was alle einhalten müssen.“ Das sei ein großer Unterschied zu freiwilligen Richtwerten, privaten Initiativen oder Gütesiegeln.

Zweifel von Experten

Anders sieht das Michiel Hendriksz, ehemaliger Kakaomanager beim Rohstoffhändler Archer Daniels Midland. Gegenüber der „FT“ sagte er, die Prämie von 400 US-Dollar sei ein „schlechtes Pokerspiel von Leuten, die nicht Poker spielen können“. Denn wenn sich der Preis erhöhe, würde das Bauern motivieren, noch mehr Bohnen anzubauen, was den Preis wieder fallen ließe.

Auch könnten Kakaobohnen, im Gegensatz zu Öl, aufgrund fehlender Lagerstätten nicht einfach „abgedreht“ werden. Die einzige Lösung ist laut Hendriksz daher, weniger Kakaobohnen zu produzieren und dafür mehr Gemüse anzubauen. Schokolade selbst herzustellen sei hingegen schlicht und einfach zu teuer.

„Veränderung der kleinen Schritte“

Das eigentliche Problem ist laut Moser jedoch, dass Rohstoffen generell ein zu kleiner Wert zugemessen werde. Hier bedürfe es einer generellen Verschiebung in Richtung höherer Preise. Gefordert sei dabei etwa auch die EU. „Es braucht starke, vor allem aber faire Handelsabkommen“, so Moser. Konsumenten und Konsumentinnen können hingegen etwa darauf achten, ob ein Produkt fair gehandelt sei. Es gehe um eine „Veränderung der kleinen Schritte“. Schließlich könne man die Welt nicht von heute auf morgen retten.