Rechtsanwälte fordern mehr Geld für Justiz

Mehr Ressourcen für die Justiz, besseren Zugang zur Justiz (durch niedrigere Gebühren) und mehr Qualität in der Gesetzgebung fordert der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK). Bei der Präsentation des „Wahrnehmungsberichts zur Rechtspflege, Verwaltung und Gesetzgebung“ drängte Präsident Rupert Wolff heute auf Evaluierung der – mit Terrorbekämpfung begründeten – Grundrechtseingriffe der letzten Jahre.

„Gravierende Missstände“ bei Asylverfahren

„Gravierende Missstände“ beanstanden die Anwälte im Asylverfahren. Scharf kritisierte ÖRAK-Vizepräsident Bernhard Fink, dass die Rechtsberatung von Asylwerbern ab Mitte 2020 der – im Einflussbereich des Innenministeriums stehenden – Bundesbetreuungsagentur (BBU) übertragen wird. Im Sinn der Rechtsstaatlichkeit wäre die Beratung und Vertretung durch unabhängige Anwälte, stellte Wolff fest.

Der Wiener Anwalt Christian Schmaus pochte auf Rechtsstaatlichkeit und „große Sorgfalt“ in diesem Bereich, in dem es „in letzter Konsequenz um Menschenleben geht“ – und berichtete von vielen gegenteiligen Erfahrungen, die man im Wahrnehmungsbericht 2018/19 nachlesen kann.

Rechtsanwälte kritisieren Entwicklungen im Asylwesen

Einer der größten Verhandlungsbrocken in den laufenden Koalitionsgesprächen ist die von der Vorgängerregierung beschlossene Verstaatlichung des Asylwesens – im Speziellen die Beratung von Geflüchteten. Rechtsanwälte kritisieren nun die Entwicklungen im Asylwesen.

So würden „fundamentale Grundsätze des Staates mit Füßen getreten“ – wenn etwa die Beiziehung der Rechtsanwältin mit der Begründung verweigert werde, es käme afghanisches Recht zur Anwendung. Oder wenn Telefonauskünfte an Rechtsanwälte per Dienstanweisung untersagt, Akteneinsicht häufig beschränkt werde.

Die Entscheidungen des BFA hätten mangelhafte Qualität, oft würden Textschablonen verwendet – 38 Prozent der Entscheidungen hätten 2018 auch nicht gehalten. Besonders Menschen aus Afghanistan seien derzeit von einer Welle „willkürlich eingeleiteter“ Verfahren zur Aberkennung subsidiären Schutzes betroffen. Häufig komme es zu Abschiebungen, obwohl Beschwerdeverfahren noch nicht abgeschlossen seien.

Wolff: Gesetze ausreichend begutachten

Dass seit dem 11. September durch eine „besorgniserregende Flut“ von Überwachungsmaßnahmen Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt wurden, kritisiert Wolff seit Langem. Jetzt fordert er, alle seither erfolgten Verschärfungen durch eine unabhängige Expertenkommission prüfen zu lassen.

Einmal mehr pochte er auch auf eine ausreichende Begutachtung von Gesetzen. Im Beobachtungszeitraum Oktober 2018 bis September 2019 wurde zu 61 Prozent die vom Kanzleramt empfohlene Sechs-Wochen-Frist nicht eingehalten. Eigentlich sollten Nationalrat oder Bundesrat zu kurz oder gar nicht begutachtete Gesetze nicht beschließen – oder sie der Bundespräsident nicht unterschreiben, merkte Wolff an.

Postalische und elektronische Eingaben gleichstellen

Die neun Millionen Bürgerinnen und Bürger hätten nicht nur ein Recht auf gute Gesetze, sondern auch auf respektvolle Behandlung durch Gerichte und Behörden. Diesen müssten genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden – damit es nicht zu überlangen Zivilverfahren, mangelhafter Information oder erschwerter Akteneinsicht im Strafverfahren kommt. Die Gerichtsgebühren dürften keine Schwelle im Zugang zum Recht sein, bekräftigte Wolff die Forderung, auf deren automatische Valorisierung zu verzichten und sie zu deckeln.

Und eine „anachronistische“ Regelung wollen die Anwälte dringend geändert haben: Postalische und elektronische Eingaben bei Gericht müssten endlich gleich behandelt werden. Denn eine Beschwerde in Briefform ist rechtzeitig eingebracht, wenn sie am letztmöglichen Tag um 23.55 Uhr bei der Post (etwa am Wiener Hauptbahnhof) abgegeben wird – während elektronische Eingaben nur während der Amtsstunden anerkannt werden.