Sie ging in die Geschichte ein als die längste Papstwahl aller Zeiten: Erst 1.006 Tage nach dem Tod von Papst Clemens IV. im November 1268 bestimmten die Kardinäle seinen Nachfolger. Die Papst-Wahl hat aber auch deshalb ihren Platz in der Kirchengeschichte, weil sie den Grundstein dafür legte, wie auch heute noch der Stellvertreter Christi auf Erden gewählt wird – nämlich im Konklave. Der Begriff Konklave leitet sich vom lateinischen „Cum clavis“, also mit dem Schlüssel zugesperrt, ab.
Die wahlberechtigten Kardinäle – jene unter 80 – müssen sich für die Wahl in die Sixtinische Kapelle im Vatikan zurückziehen. Sie werden von der Außenwelt abgeschirmt, Kontakte zu Nichtbeteiligten sind ihnen weitgehend verboten, sie dürfen auch keine Medien konsumieren. Die Papstwähler sollen nicht von außen beeinflusst werden: Im Konklave soll der Heilige Geist wirken und wählen können, heißt es. Doch die Geschichte zeigt: Das Einsperren der Kardinäle hatte weniger religiöse als praktische Gründe.
Einwohner sperrten Kardinäle ein
Als Clemens IV. in Viterbo, einer italienischen Stadt 80 Kilometer nördlich von Rom, starb, versammelten sich 20 Kardinäle, um einen Nachfolger zu wählen. Die Geistlichen gingen zwar jeden Tag in die Kathedrale, um zu wählen, doch sie kamen zu keiner Einigung.
Der Bischof von Rom muss mit einer Zweidrittelmehrheit bestimmt werden. Nach mehr als eineinhalb Jahren ohne Papst (Sedisvakanz), nach dem Tod dreier Papst-Wähler und nachdem sich ein Kardinal einfach abgesetzt hatte, verloren die Bürger von Viterbo die Geduld. Der Stadtpräfekt ließ in einem ersten Schritt die Stadttore schließen.
Papst-Wahl eskaliert
Politische Gesandte, die bei den Papst-Wählern laufend ihren Einfluss gelten machen wollten und auf die Kardinäle einwirkten, hatten nun keinen Zugang mehr. Drohungen konnten nicht mehr ausgesprochen und „Säckchen mit Gold und Edelsteinen“, wie der Historiker Hubert Wolf in seinem Buch „Konklave“ schreibt, konnten nicht mehr den Besitzer wechseln.
Im Herbst 1270 schlossen die Bewohner Viterbos die verbliebenen 16 Kardinäle im Papst-Palast ein. Doch weil weiterhin kein Papst ernannt wurde, eskalierte die Lage immer mehr.
Ohne Brot und Wasser
Die Bürger taten alles, um es den Kardinälen im luxuriösen Palast so unbequem wie möglich zu machen. Die hohen Würdenträger hatten schließlich einen Anteil aus den Finanzen des Kirchenstaates erhalten und konnten während der Sedisvakanz über die Finanzen der Kurie frei verfügen. „Je länger es keinen Papst gibt, desto mehr können die Eminenzen diese Privilegien genießen“, schreibt Wolf. „Auch aus eigennützigen Gründen haben sie es nicht eilig, mit dem Wahlgeschäft an ein Ende zu kommen.“ Also wurden die Kardinäle von ihrem Geld abgeschnitten. Das sollte sie zu einer raschen Entscheidung bewegen.
Buchhinweis
Hubert Wolf: Konklave. Die Geheimnisse der Papstwahl. 220 Seiten, C. H. Beck, 19,95 Euro.
Im Frühjahr 1271 verringerten die Viterbesen die Versorgung der Kardinäle mit Lebensmitteln. Im Sommer deckten verärgerte Stadtbewohner das Dach des Palastes ab, um die Kardinäle Regen, Wind und Sonne auszusetzen. Schließlich reichte man den Kardinälen nur noch Brot und Wasser, später nur noch Wasser und ließ letztlich sogar das sein.
Da eine Zweidrittelmehrheit nicht zu erreichen war, entschieden sich die Kardinäle dazu, eine „Kompromisswahl“ abzuhalten – ein damals durchaus übliches Vorgehen. Sechs Kardinäle wurden bestimmt, die stellvertretend für die anderen einstimmig und geheim den neuen Papst wählen sollten. Am 1. September 1271 wählten die Kardinäle schließlich einen Abwesenden, den Erzdiakon von Lüttich, Tebaldo Visconti, zum Oberhaupt der katholischen Kirche.
Einsperren wird zum Prinzip
Visconti, selbst gar nicht Kardinal und auch kein Priester, war zu dem Zeitpunkt auf Pilgerfahrt im Heiligen Land. Bis er über seine Wahl verständigt werden konnte, vergingen Monate. Im März 1272 konnte er schließlich in Rom zum Priester geweiht und als Papst Gregor X. inthronisiert werden. Er lernte seine Lektion aus den Vorkommnissen in Viterbo.
Im Zweiten Ökumenischen Konzil von Lyon 1274 legte er mit der päpstlichen Bulle (Urkunde) „Ubi periculum“ das Konklave als verbindlichen Modus für eine Papst-Wahl fest. Das Einsperren, Abschotten, der Entzug der Einkünfte und die karge Versorgung der Kardinäle mit Lebensmitteln wurden zum Prinzip.
Johannes Paul II. entschärft Regeln
Es dauerte zwar noch etwa 20 Jahre, bis die strengen, unbeliebten Vorschriften wirklich bei der Papst-Wahl umgesetzt wurden, doch das Prinzip Viterbo setzte sich schließlich durch. Im Laufe der Zeit kamen immer wieder Änderungen dazu – so wurde etwa die Sixtinische Kapelle als Wahlort bestimmt.
Johannes Paul II. lockerte die Bestimmungen 1996. Er weitete den Konklavebereich, der auf die Kapelle und angrenzende Räume des Vatikanischen Palastes eingeschränkt war, auf Vatikanstadt aus. Die beengten, eher unhygienischen Verhältnisse, die lediglich durch Vorhänge getrennten Betten für 120 Kardinäle gehören seitdem der Vergangenheit an.
Die Papst-Wähler residieren nun im Vatikanischen Gästehaus Sanctae Marthae. Auch ohne erzwungene Unbequemlichkeit ist den Kardinälen unserer Zeit wohl bewusst, dass die Katholikinnen und Katholiken nicht lange ohne Stellvertreter Christi auf Erden bleiben wollen. Die vergangenen beiden Papst-Wahlen 2005 und 2013 dauerten nur zwei Tage.