Istanbul-Kanal: Stadtchef bietet Erdogan die Stirn

Ein gigantisches Kanalprojekt in Istanbul gerät zur Machtprobe zwischen dem Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP und Präsident Recep Tayyip Erdogan. In einer teilweise landesweit übertragenen, rund eineinhalb Stunden langen Rede verurteilte Imamoglu das Projekt heute scharf.

„Wieso fordern wir sehenden Auges ein Desaster heraus?“, fragte Imamoglu und nannte das Projekt einen „Verrat an Istanbul“. Der Bürgermeister der Millionenstadt sprach unter anderem von der Vernichtung von einem Gutteil der unter- und oberirdischen Wasserressourcen der Stadt sowie von Millionen Quadratmetern Wald und Landwirtschaftsflächen.

Er warnte, dass acht Millionen Menschen in der schwer erdbebengefährdeten Stadt auf einer neu entstehenden „Insel“ zwischen Bosporus und dem neuen Kanal eingeklemmt würden. Außerdem werde der Kanal nicht nur die Regierung, sondern auch die Stadt Milliarden Lira kosten.

Prestigeprojekt Erdogans

Der Kanal ist ein Prestigeprojekt des türkischen Präsidenten, der eine Vorliebe für große Bauvorhaben hat. Er würde als künstlicher Seeweg quer durch Istanbul gegraben, um das Marmarameer und das Schwarze Meer zu verbinden. Berichten zufolge wäre er etwa 45 Kilometer lang und verliefe parallel zur Bosporus-Meerenge, der er laut Regierung einiges vom internationalen Schiffsverkehr abnehmen soll. Dazu sagte Imamoglu, dass der Verkehr auf dem Bosporus sich in den vergangenen zehn Jahren verringert habe.

Erst vor wenigen Tagen hatte Erdogan angekündigt, dass bald die Ausschreibungen beginnen werden. Am Montag hatte das Ministerium für Umwelt und Städtebau die Umweltverträglichkeitsprüfung abgesegnet. Am selben Tag kündigte Imamoglu ein vor seiner Zeit unterzeichnetes „Zusammenarbeitsprotokoll“ zum Kanal.