Libyens Parlamentspräsident appelliert an EU

Nach dem Abschluss umstrittener Abkommen mit der Türkei will der Präsident des libyschen Parlaments die internationale Gemeinschaft dazu bewegen, ihre Anerkennung der Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch zurückzunehmen.

„In den kommenden Tagen ergreift das libysche Parlament Maßnahmen, um einen Entzug der internationalen Anerkennung dieser Regierung zu erreichen“, sagte Parlamentspräsident Aguila Saleh gestern während eines Besuchs in Zyperns Hauptstadt Nikosia der Nachrichtenagentur AFP.

EU soll „neue Regierung“ anerkennen

Saleh führte aus, dass er den zyprischen Außenminister Nicos Christodoulides gebeten habe, „der Europäischen Union eine Nachricht zu übermitteln, dass sie die Anerkennung dieser Regierung zurückziehen soll“. Es sei „an der Zeit, eine neue vom Volk und vom libyschen Parlament unterstützte Regierung zu bilden“.

In Libyen herrscht seit dem Sturz und gewaltsamen Tod des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Die in Tripolis residierende international anerkannte Einheitsregierung unter al-Sarradsch ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle.

Umstrittenes Militärabkommen

Der abtrünnige libysche General Chalifa Haftar kämpft mit seinen Truppen um die Kontrolle des ganzen Landes. Im Osten Libyens haben eine ihm ergebene Regierung und das libysche Parlament ihren Sitz. Parlamentspräsident Saleh ist ein Verbündeter von Haftar. Der General wird überdies von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland unterstützt.

Das türkische Parlament hatte vor einer Woche ein umstrittenes Militärabkommen mit der Einheitsregierung in Tripolis abgesegnet. Darin wurde vereinbart, dass Soldaten und Polizisten zu Trainings- und Ausbildungszwecken ins jeweils andere Land geschickt werden. Schon vorher unterstützte die Türkei die libyschen Regierungstruppen mit der Lieferung von Panzern und Drohnen.

Streit um Seegrenzen

Ende November hatten die Türkei und die Regierung in Tripolis außerdem ein Abkommen geschlossen, das ihre Seegrenzen im östlichen Mittelmeer absteckt. Ankara will sich dadurch den Zugang zu Gasvorkommen vor der Küste Zyperns sichern. Bei den Anrainerstaaten Griechenland, Zypern und Ägypten stieß die Vereinbarung auf scharfe Kritik, da sie dadurch ihre eigenen Rechte in der Region verletzt sehen.

Saleh warf al-Sarradschs Regierung in Nikosia vor, „eine türkische Kolonialisierung Libyens“ voranzutreiben. Das Abkommen mit Ankara sei jedoch „rechtswidrig“. Saleh traf in Nikosia auch den zyprischen Parlamentspräsidenten Demetris Syllouris. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die beiden al-Sarradschs Abkommen mit der Türkei über die Seegrenzen als Verstoß gegen internationales Recht und warfen Ankara vor, die Spannungen in der Region anzuheizen.