Das brennende Auto-Wrack des iranischen Generals
AP/Iraqi Prime Minister Press Office/HO
Gefährliche Eskalation

US-Militär tötet hohen iranischen General

Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran spitzt sich mit der Tötung von einem der ranghöchsten Generäle der iranischen Revolutionsgarden gefährlich zu. Kassem Soleimani wurde gezielt bei einem US-Raketenangriff nahe Bagdad getötet. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif warnte vor einer Eskalation in der Region, das geistliche Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei kündigte „schwere Vergeltung“ an.

Die Tötung des Generals wurde in der Nacht von den iranischen Revolutionsgarden bestätigt. Soleimani war Chef der iranischen Al-Kuds-Einheit, einer Division der iranischen Revolutionsgarden, die Spezialeinsätze außerhalb des Iran durchführt. Sarif bezeichnete den Raketenangriff als „extrem gefährliche“ und „dumme Eskalation“. Die Tötung des Generals sei ein „Akt des internationalen Terrorismus“, so Sarif auf Twitter.

Chamenei sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, der Widerstand gegen die USA und Israel werde nun mit doppeltem Ansporn weitergehen. Zugleich rief er eine dreitägige Staatstrauer aus. Der iranische Verteidigungsminister Amir Hatami sagt der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge, der Iran werde vernichtende Rache für die Tötung Soleimanis üben. Der iranische Präsident Hassan Rouhani sagte, „ohne Zweifel“ würden der Iran und andere „freiheitsliebende“ Staaten der Region für Soleimanis „Märtyrertum“ Vergeltung üben.

Der iranische General Qassem Soleimani
AP/Office of the Iranian Supreme Leader
Soleimani galt als das bekannteste Gesicht des iranischen Militärs im Ausland

Das Pentagon in Washington übernahm die Verantwortung: Die Bombardierung sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, hieß es, um weitere Angriffe auf US-Kräfte zu verhindern – als „Akt der Verteidigung“. Soleimani habe aktiv an Plänen gearbeitet, um US-Diplomaten und -Einsatzkräfte im Irak und der Region zu attackieren. Trump hatte kurz zuvor per Tweet lediglich das Bild einer US-Flagge verbreitet – ohne Kommentar. In den Stunden davor war er auf Twitter ungewöhnlich still gewesen.

Abschreckung für Iran?

Der General und die Al-Kuds-Brigaden seien verantwortlich für den Tod von Hunderten US-Amerikanern und Verbündeten, so das Pentagon weiter. Soleimani habe in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte von US-Verbündeten gesteuert und auch die gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad gebilligt. Ziel des Angriffs auf ihn sei es, den Iran von künftigen Angriffen abzuschrecken.

Die US-Botschaft in Bagdad rief unterdessen alle US-Bürger im Irak zur „sofortigen“ Ausreise auf. Das israelische Militär ist dem Armeeradio zufolge in erhöhter Alarmbereitschaft. China verurteilte die Anwendung von Gewalt in internationalen Beziehungen und rief die beteiligten Länder – insbesondere die USA – dazu auf, eine weitere Eskalation zu vermeiden.

Irakische Soldaten vor der brennenden US-Botschaft im Irak
AP/Nasser Nasser
Irakische Soldaten vor der brennenden US-Botschaft in Bagdad am Neujahrstag

Auch Russland fürchtet, dass sich die Spannungen im Nahen Osten weiter verschärfen könnten. Das teilte das Außenministerium am Freitag in Moskau der Staatsagentur TASS zufolge mit. Es sprach mit Blick auf das Vorgehen der Amerikaner von einem „abenteuerlichen Schritt“. Soleimani habe sich für den Schutz der nationalen Interessen des Iran eingesetzt.

Irakisches Parlament zu Sondersitzung einberufen

Der irakische Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi verurteilte die Tötung Soleimanis als Aggression gegen sein Land und als empörenden Verstoß gegen die Voraussetzungen für die Präsenz der US-Truppen im Irak. Er warnte vor einem Krieg in der Region. Außerdem forderte er das Parlament zu einer Sondersitzung auf.

Der 62 Jahre alte Soleimani war der prominenteste Vertreter und das bekannteste Gesicht des iranischen Militärs im Ausland. Er tauchte sowohl im Irak als auch im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien immer wieder an der Seite schiitischer Milizen auf, die vom Iran unterstützt werden. Ebenfalls getötet wurde der stellvertretende Leiter der irakischen Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi al-Muhandis, wie die Medienstelle der vom Iran unterstützten Milizen erklärte.

Irakische Schiitenmilizen drohen mit Vergeltung

Der einflussreiche irakische Schiitenführer Moktada al-Sadr reaktiviert unterdessen seine Anti-US-Miliz. Über Twitter rief er die Kämpfer seiner vor gut einem Jahrzehnt offiziell aufgelösten Mahdi-Armee auf, sich „bereit zu halten“. Während der jahrelangen US-Präsenz im Irak war die etwa 60.000 Mann starke Mahdi-Armee von Sadr lange der mächtigste Gegner der US-Truppen.

Der einflussreiche Milizenführer Kais al-Khasali erklärte, im Gegenzug für das vergossene Blut würden das Ende der US-Militärpräsenz im Irak und die Zerstörung Israels kommen. Der Chef der irantreuen Miliz Asaib Ahl al-Hak rief seine Kämpfer außerdem dazu auf, bereit zu sein, da die nächsten Tage „eine baldige Eroberung und einen großen Sieg“ bringen würden.

Die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz will den Kurs Soleimanis fortsetzen. Die USA würden mit ihrem schweren Verbrechen ihr Ziel nicht erreichen, sagte der Anführer der Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah, dem Fernsehsender Al-Manar.

Angriff von US-Kongress nicht autorisiert

Kritik an der Aktion kommt auch aus den USA: Der demokratische US-Senator Chris Murphy schrieb in einem Tweet, Soleimani sei ohne Zweifel ein Feind der Vereinigten Staaten. Er betonte zugleich: „Die Frage ist: Hat Amerika (…) gerade ohne Zustimmung des Kongresses die zweitmächtigste Person im Iran ermordet und wissentlich einen potenziell massiven regionalen Krieg ausgelöst?“

Karte von Bagdad
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Der US-Kongress habe den Raketenangriff in Bagdad nicht autorisiert, „und die Menschen in Amerika wollen keinen Krieg mit dem Iran“, so der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, Adam Schiff. Soleimani sei zwar für „unvorstellbare Gewalt“ verantwortlich gewesen und die Welt ohne ihn besser dran, so Schiff in der Nacht zum Freitag auf Twitter. Die US-Truppen müssten nun aber gegen „die nahezu unvermeidliche Eskalation“ geschützt werden.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden schrieb, dass die USA nach dem Angriff möglicherweise „am Rande eines größeren Konflikts im Nahen Osten“ stehen. Trump habe soeben „eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen“, so Biden. Zwar habe der Kommandeur Soleimani es verdient, „für seine Verbrechen gegen amerikanische Soldaten“ zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch habe der US-Angriff die bereits gefährliche Lage in der Region unnötig eskaliert, schrieb der ehemalige US-Vizepräsident.

Republikaner verteidigen Aktion

Der republikanische US-Senator Marco Rubio verteidigte die Tötung in einer langen Kette von Tweets als Selbstverteidigung. Der Iran und seine Stellvertreter seien von den USA gewarnt worden, so Rubio. Sie hätten diese Warnungen jedoch ignoriert, weil sie geglaubt hätten, US-Präsident Donald Trump sei wegen innenpolitischer Streitereien nicht handlungsfähig. „Sie haben sich schwer verkalkuliert“, twitterte der Republikaner weiter. Der US-Präsident benötige zudem keine Zustimmung des US-Kongresses, um auf Angriffe gegen die US-Streitkräfte zu reagieren oder solche zu verhindern.

US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte am Donnerstag in Washington mit Blick auf die jüngsten gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad erklärt, es gebe Hinweise, dass der Iran oder dessen verbündete Kräfte weitere Attacken planen könnten. Falls es dazu kommen sollte, würden die USA reagieren, um US-Kräfte und Menschenleben zu schützen – womöglich auch „vorbeugend“, falls man von konkreten Angriffsplänen erfahren sollte.

Angriff auf US-Botschaft in Bagdad

Am vergangenen Wochenende war es zur bisher gefährlichsten Eskalation gekommen, als die US-Armee die irakische Miliz Kataib Hisbollah bombardierte. Washington beschuldigte die Milizen, mehrfach US-Soldaten und US-Bürger im Irak angegriffen zu haben. Als Reaktion waren am Dienstag Hunderte Demonstranten in Bagdads besonders gesicherte Grüne Zone eingedrungen, um die US-Botschaft zu stürmen, sie konnten aber gestoppt werden.

Zur Abschreckung setzte das US-Militär auch Kampfhubschrauber ein, verlegte rund 100 Marineinfanteristen aus dem benachbarten Kuwait und entsandte für den Fall einer weiteren Eskalation rund 750 Fallschirmjäger aus den USA in die Region. Die USA machten den Iran für die Proteste verantwortlich. Die Führung in Teheran wies den Vorwurf vehement zurück.

Die USA und der Iran sind seit Langem in einen schweren Konflikt verwickelt. Washington setzt den Iran mit massiven Wirtschaftssanktionen unter Druck, um das Land zu einem Kurswechsel in seiner Atompolitik zu zwingen – was Teheran ablehnt. Die USA beschuldigen den Iran außerdem, Terrorismus zu fördern. In den vergangenen Monaten stand der Konflikt zwischen beiden Ländern mehrfach kurz vor einer militärischen Eskalation.

Krisenland Irak als Schauplatz

Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran wird auch im Irak ausgetragen. In dem Krisenland sind rund 5.000 US-Soldaten im Einsatz, die die irakische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Die als Volksmobilisierungskräfte bekannten irakischen Milizen wiederum pflegen enge Beziehungen zum Iran. Sie unterstehen offiziell Regierungschef Mahdi, agieren aber weitestgehend unabhängig und besitzen auch starken politischen Einfluss.

Seit Wochen kommt es zudem immer wieder zu massiven Protesten gegen die Regierung und die im Irak weit verbreitete Korruption. Die Demonstrationen richten sich auch gegen den starken iranischen Einfluss im Land. Bei den Protesten wurden Hunderte Menschen getötet, die meisten von ihnen Demonstranten. Der irakische Regierungschef Mahdi, erst seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, reichte auf Druck der Straße seinen Rücktritt ein und ist nur noch geschäftsführend im Amt.