Werner Kogler (Grüne) und sein Team
APA/Barbara Gindl
Grüne

Parteivorstand einstimmig für ÖVP-Pakt

Bei den Grünen ist am Freitag der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) zusammengetreten, um über die Koalition mit der ÖVP zu entscheiden. Am Abend trat Grünen-Chef Werner Kogler vor die Presse, um die Entscheidung mitzuteilen. Am Ende stand eine einstimmige Empfehlung der Annahme des Koalitionspakts mit der ÖVP – ein Signal für den Bundeskongress am Samstag.

Alle 29 Mitglieder hätten diese Empfehlung mitgetragen. Rund 100 Personen waren bei dieser Gremiensitzung dabei – darunter Mandatare, Landessprecher, Verhandler und Mitarbeiter. Ebenso unisono sei die Empfehlung des vorgeschlagenen fünfköpfigen grünen Teams in einer kommenden türkis-grünen Regierung getragen worden, verkündete Kogler. Zukunft wird aus Mut gemacht, so Kogler, der am Samstag „Überzeugungsarbeit“ leisten will.

Kogler verteidigte den Pakt mit der ÖVP, eine „große grüne Handschrift“ sei darin erkennbar. Zweiflern empfahl er die genaue Lektüre des Programms, und im Übrigen würden die Regierungspraxis und die Änderung der politischen Kultur zeigen, wo der Unterschied zwischen Türkis-Blau und Türkis-Grün liege. „Selbst bei einer Biobutter würde ich mich nicht unterbuttern lassen“, meinte Kogler zu entsprechenden Kritikern.

Einstimmigkeit „ein gewisser Hinweis“

Einen zentralen Satz für den Bundeskongress am Samstag will Kogler nicht haben. Aber, so Kogler auf ORF-Nachfrage, die Bestellung von Alexander Van der Bellen sei schon ein Fingerzeig für einen Politwechsel in Europa gewesen. „Zuletzt waren wir wieder mit Tempo 140 unterwegs, aber jetzt kommt wieder ein Richtungswechsel.“ Die jetzige Beteiligung der Grünen sieht Kogler jedenfalls auch als mögliches Vorbild für andere Länder, etwa Deutschland.

Am Vormittag wird der in Salzburg stattfindende Bundeskongress nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein – wohl auch, um hitzigere Diskussionen zu ermöglichen. Kogler dazu: „Es ist psychologisch eine schwierige Frage, in alle hineinzuschauen, aber ich glaube, die ganze Empfehlung über das Team ist einstimmig ausgefallen, und das ist ein gewisser Hinweis.“ Mit einer Zweidrittelmehrheit wären wir gut unterwegs, so Kogler, der keine Prozentspekulationen abgeben wollte.

„Sehr viele sehr positive Punkte“

Schon vor Beginn der Bundesvorstandssitzung zeigten sich die Grünen-Vertreter aus den Ländern optimistisch. „Das ist ein Koalitionsprogramm, kein Parteiprogramm“, meinte etwa die Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol Ingrid Felipe. Aber sie habe „sehr viele sehr positive Punkte gefunden“.

Werner Kogler zusammen mit Ulrike Lunacek, Rudolf Anschober,  Leonore Gewessler, Sigi Maurer, Birgit Hebein und Alma Zadic.
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Vor dem Beginn des Bundesvorstands gaben sich die Grünen optimistisch

Es bestehe nun die „Chance, grüne Politik tatsächlich zu realisieren“, ergänzte die steirische Grüne Sandra Krautwaschl. Die grüne Nationalratsabgeordnete aus Salzburg, Astrid Rössler, hob vor allem die Projekte im Klimaschutz und bei Transparenzmaßnahmen hervor.

275 Delegierte stimmen über Pakt ab

Der ÖVP-Bundesparteivorstand hat bereits einstimmig seine Zustimmung zum Koalitionspakt mit den Grünen gegeben. Bei den Grünen ist der Durchlauf in den Gremien allerdings noch nicht beendet. Nach dem Bundesvorstand muss auch noch der Bundeskongress der Grünen am Samstag mit 275 stimmberechtigten Delegierten sein Ja zum Übereinkommen mit der ÖVP geben, um eine Koalition zu ermöglichen.

Nachverhandlungen „nicht überinterpretieren“

Schon am Freitag gab es Appelle einiger grüner Vertreter an den Bundeskongress, dem Abkommen zuzustimmen. Der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi etwa sieht Verhandlungserfolge der Grünen, aber auch Stellen, die sich die Grünen so nicht vorgestellt hätten. Er appellierte dennoch an die Delegierten, dem Pakt zuzustimmen: „Das Reinheitsgebot des grünen Grundsatzprogramms werden wir nicht einhalten können.“

Ewa Ernst-Dziedic, Vizeklubchefin der Grünen, zeigte sich zuversichtlich, den Funktionären erklären zu können, „wie es zu dem einen oder anderen Kompromiss gekommen ist“. Eine Nachverhandlung des Pakts hält sie aber nicht für ausgeschlossen. „Natürlich kann das sein“, sagte sie gegenüber „Österreich“ (Freitag-Ausgabe). Es sei möglich, dass als Ergebnis des Bundeskongresses der Grünen der Pakt in einzelnen Punkten nachverhandelt werden müsse.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz will diese Stimmen, die über Nachverhandlungen sprechen, „nicht überinterpretieren“. Er gehe von einer Zustimmung beim Bundeskongress der Grünen aus: „Österreich braucht eine stabile und handlungsfähige Regierung. Wir sind alle bereit, daran zu arbeiten“, sagte Kurz am Freitag nach der Sitzung des Parteivorstands seiner Partei.

„Krot, die man geschluckt hat“

Er erwarte zwar keine nordkoreanischen Prozentmehrheiten von 95 bis 99 Prozent, so Kogler bei der Präsentation des Regierungsprogramms am Donnerstag, aber er rechne sehr wohl mit Zustimmung, „sonst würde ich nicht hier stehen und dieses Programm und diese Personen vorschlagen“. Er sei nach den letzten zwei Jahren aber „mittelentspannt“, „vielleicht sogar schon tiefenentspannt“.

Der grüne Mitverhandler Harald Walser glaubte im Ö1-Mittagsjournal am Freitag nicht an „überbordende Begeisterung, aber an eine klare Mehrheit“ beim Bundeskongress. Die Grünen müssten jetzt Verantwortung zeigen – mehr dazu in oe1.ORF.at. Walser, der das Regierungsprogramm im Bildungsbereich mit verhandelte, gab aber selbst zu, dass das Ergebnis ihm trotz einiger Verbesserungen in Schule und Lehre „großes Bauchweh“ bereite: „Im Bildungsbereich war die ÖVP besonders zäh (…).“ Der koalitionsfreie Raum im Bereich Migration und Asyl sei ein Kompromiss gewesen, um das Programm durchzubringen: „Das war sicher kein grüner Wunsch. Eher eine Krot, die man geschluckt hat.“

Kompromisse „von vornherein klar“

Widerstand könnte es von den Wiener Grünen geben. Von der Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein gibt es eine Empfehlung, für den Pakt zu stimmen. Sie könne aber nicht sagen, ob die Wiener Grün-Delegierten beim Bundeskongress geschlossen dafür stimmen werden: „Das werden wir sehen.“

In den Bereichen Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Transparenz seien die grünen Wahlversprechen gehalten worden. Es gebe allerdings einige „schmerzhafte Punkte – vor allem im Asylbereich“. Dass es Kompromisse werde geben müssen, sei aber „von vornherein klar“ gewesen.