Werner Kogler
APA/Barbara Gindl
Kogler vor den Grünen

„Was wir tun, ist Pionierarbeit“

Das starke Ergebnis für die Grünen bei der Wahl und die Folgen von „Ibiza“. Zwei zentrale Motive nannte Grünen-Chef Werner Kogler bei seiner Rede vor dem grünen Bundeskongress in Salzburg, der über die Regierungskoalition der Grünen mit der ÖVP abstimmen wird. „Das, was wir hier leisten wollen, ist ein Risiko, aber es ist das, was man Pionierarbeit nennt.“ Die erwartete hitzige Generaldebatte ist bisher ausgeblieben.

„Das, was wir hier tun, ist von europäischer Bedeutung.“ Hemdsärmelig und mit dem Versprechen, „weiterzudiskutieren, egal was heute hier rauskommt“, präsentierte sich Kogler zu Beginn seiner Rede beim grünen Bundeskongress in Salzburg, der darüber befinden wird, ob die Grünen in eine Regierung mit der ÖVP gehen oder nicht. Man habe es sich nicht leicht gemacht, „auch wenn uns manche anderes unterstellen“, argumentierte Kogler. Nach dem „Ibiza-Video“ hätten alle in Österreich die Pflicht, alles zu tun, damit nicht so etwas nochmals „in diesem Land passieren“ könne.

Man habe lange sondiert und sich bewusst aktiv in diesen Prozess begeben. Der Grund für die Beteiligung? Die hohe Zustimmung für die Grünen. Mit fast 14 Prozent der Stimmen könne man eben „nicht auf der Flucht“ sein, erinnerte Kogler an einen eigenen Spruch von sich nach der Sommerpause des Vorjahres.

„Der Weg ist ein Wagnis“

Der Weg sei ein Risiko und ein Wagnis, „aber unser Weg ist eine Pionierarbeit“, so Kogler. Keine andere Partei in Österreich habe neben den Grünen die Kraft für dieses Wagnis, so Kogler mit Blick auf den Zustand der SPÖ: „Und ich bin ein Kind der Kreisky-Zeit.“

„Wir stehen hier wegen ‚Ibiza‘. Und nur weil zwei von denen jetzt weg sind, bleibt es ja dieselbe Partei. Und die ist genetisch für so was disponiert“, so Kogler, der aber gleich danach erinnerte, dass er auch zu bestimmten Mitgliedern der FPÖ eine gute Gesprächsbasis habe.

„Wir brauchen Haltung und Gesinnung – und es geht um Realpolitik und Verantwortung.“ Mit Bezug auf Max Weber verwies Kogler auf die „Verantwortung des Handelns“. Wenn nichts mehr selbstverständlich sei, müsse man Farbe bekennen.

Kogler argumentierte am Ende damit, dass die grüne Regierungsbeteiligung eigentlich alternativlos sei: „Es macht einen Unterschied, ob Türkis mit Grün regiert oder mit Blau“, so Kogler.

„Sorry for this“

Kogler verteidigte die Steuerreform – und verwies dabei auf die grünen Beiträge, etwa die „Besteuerung der großen Stinker – sorry for this“. Beim Klimaprogramm werde nachgeholt, wo man bisher versagt habe und im „Tiefschlaf“ gelegen habe. „Wir werden kämpfen“, so Kogler: „Und das Klimapaket werden wir uns nicht wegnehmen lassen, schon gar nicht von denen, die sich damit gar nicht auskennen.“

Kogler verwies auch auf Maßnahmen im Sozialbereich, etwa den Lückenschluss beim Unterhalt. Oder die Maßnahmen für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Kinderbetreuungsplätze würden im Schnelltempo ausgebaut. Mit den 100 definierten „Problemschulen“ leiste man auch Pionierarbeit – auch im Bereich der Integration.

„Egal ob Apetlon oder Aleppo“

Beim Thema Integration verwies Kogler darauf, dass die Fluchtursachenbekämpfung ausgebaut werde. Gerade bei bilateralen Maßnahmen werde man deutlich mehr Geld ausgeben. Kogler gestand, dass man sich nicht in allen Punkten bei der Integration durchgesetzt habe. Aber wenn jemand mal anerkannt sei, dann würden mehr Förderungsmaßnahmen greifen. Bei der Integration seien beide Seiten am Zug, auch wenn es ein bekannter ÖVP-Spruch des „Fördern und Fordern“ sei. Am Ende wolle man in eine Gesellschaft, wo es egal sei, wo jemand herkomme, „sondern wo es entscheidend ist, wo jemand hinwill“. Egal ob man aus Apetlon komme oder aus Aleppo.

Rede von Bundessprecher Werner Kogler

Grünen-Bundessprecher Werner Kogler betonte am Samstag, dass man mit der ÖVP „Pionierarbeit“ leisten wolle. Er äußerte aber auch kritische Worte zu den Koalitionsverhandlungen.

Kogler lobte viele, die an dem Programm mitgeschrieben hätten, etwa Michel Reimon beim Europa-Kapitel oder Rudi Anschober im Sozial- und Integrationsbereich.

Die Zeit sei reif für eine Beteiligung der Grünen, „und wir sind reif für diese Zeit“, so Kogler, der für seine Rede stehende Ovationen erhielt. „Nichts“, so seine Erkenntnis knapp davor, „sei um 100 Prozent zu haben.“

„Haben 30 Grauslichkeiten rausverhandelt“

„Wir haben 30 Grauslichkeiten aus diesem Programm herausverhandelt“, erinnerte der mögliche zukünftige grüne Sozialminister Rudi Anschober in seinem Statement. Man werde jedenfalls nicht die eigene Haltung an der Garderobe abgeben. Leonore Gewessler rief in ihrer Darstellung zum Klimakapitel auf, dass man das gesamte Projekt nur gemeinsam stemmen könne, aber jetzt den Mut für die Regierungsbeteiligung aufbringen solle.

In der Generaldebatte hatten vorerst die Befürworter und Pragmatiker das Oberwasser. Kritik kam von einer Frau von den Jungen Grünen: „Das ist ein neoliberales Regierungsprogramm. Das vorliegende Programm bringt keine ökosoziale Wende.“

Kurz ein „autoritärer Schwindler“

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei „ein autoritärer Schwindler“; wer hier mitmache, der treibe den Rechtsruck voran: „Es reicht nicht aus, dass wir die FPÖ verhindert haben. Wenn das größte Argument ist, dass keine rechtsextreme Partei regiert, dann sieht man, wie weit wir gekommen sind. Wir brauchen linke Mehrheiten.“

Monika Vana, einst überzeugte Gegnerin eines schwarz-grünen Paktes, argumentierte mit der europäischen Dimension der jetzigen Entscheidung. Sie würde nie eine Freundin dieser Regierung werden, so Vana, die aber die Vorbildwirkung dieses sehr proeuropäischen Programms beschwor, „wo wir jeden Absatz zäh verhandelt haben“.

Bundeskongress der Grünen
ORF.at
Abstimmen üben. Der Vorstand ist angenommen. Aber ob geheim oder offen über die Regierungsbeteiligung und das Personal gestimmt wird, ist noch nicht festgelegt

Freundlicher Auftakt am Samstag

Bereits seit dem Start am Samstagvormittag war klar, dass die meisten hier ihre Positionen eingenommen hatten. Die einen, die nicht zustimmen wollen, wird Kogler wahrscheinlich auch am frühen Nachmittag nicht überzeugen können. Andere sind mit ihrem Ja und verschiedenen Argumentationen, warum diese Koalition vertretbar sei, oder vielleicht gar alternativlos, dabei. Ein Ja könnte jedenfalls durchaus auch von jungen Grünen kommen – das war im Vorfeld auch zu vernehmen.

Langpaul (ORF) vom Bundeskongress der Grünen

Thomas Langpaul (ORF) berichtet vom Bundeskongress der Grünen in Salzburg. Grünen-Chef Werner Kogler zeigte sich im Vorfeld defensiv.

Selbst die ehemalige ÖH-Vorsitzende Viktoria Spielmann, die im Vorfeld via Social Media ihr ablehnendes Stimmverhalten angekündigt hatte, ging vor Journalisten davon aus, dass es insgesamt eine breite Zustimmung zu dem Pakt geben werde.

Unter jenen, die sich „mit Bauchweh“ zu einem Ja deklarierten, seien Personen, so hat es die APA erfahren, von denen auch anderes zu erwarten gewesen wäre: etwa Niki Kunrath von der als besonders kritisch geltenden Wiener Landesorganisation oder auch einzelne Repräsentanten der Grünen Jugend. Ablehnung dürfte es wohl von den Minderheitenvertretern des „10. Bundeslands“ geben.

Kogler hängt die Erwartungen bewusst tief

Zur Frage, wie hoch die Zustimmung ausfallen müsste, hängte Kogler am Freitagabend nach der Zustimmung des Erweiterten Bundesvorstands zum Regierungspakt die Erwartungen bewusst tief: „50 plus eine Stimme“, lautete sein Motto. Die realistische Erwartung: Hoffen auf eine satte Zwei-Drittel-Mehrheit.

„Es ist psychologisch eine schwierige Frage, in alle (Delegierten, Anm.) hineinzuschauen, aber ich glaube, die ganze Empfehlung über das Team ist einstimmig ausgefallen, und das ist ein gewisser Hinweis“, so Kogler am Abend.

Insbesondere aufgrund der Bedeutung der Entscheidung übte sich Kogler im Vorfeld in Zuversicht, alle Delegierten sollten sich „der Verantwortung für Österreich bewusst sein“. Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten sei bereits „ein Fingerzeig“ gewesen. „Wir halten es für notwendig, dass die Rechten und Rechtsextremen ferngehalten werden“, so Kogler – der auch deswegen eine Zustimmung zu dem Pakt einmahnte.

Der Kongress, der entscheidet

Der Bundeskongress ist nicht „die“ grüne Basis – es sind die grünen Delegierten, die nach einem bestimmten Schlüssel in diesen Kongress entsandt werden. Es werde ein hartes Stück Arbeit, den Bundeskongress zu überzeugen – so hört man es seit der Vorstellung des Regierungsprogramms unter Journalistinnen und Journalisten. Und man liest teils erregte Kommentare zum Programm in den Sozialen Netzwerken. Allerdings: Nicht alle, die sich im Vorfeld artikulierten, sind Teil des Bundeskongresses.

Das höchste Gremium

Mindestens einmal im Jahr muss dieses, wie es bei den Grünen heißt, „höchste entscheidungs- und willensbildende Organ der Bundespartei“ zusammentreten. Nur dieses Gremium kann entscheidende Beschlüsse des Erweiterten Bundesvorstands der Grünen durch Abstimmung absegnen und von Personallisten bis Programmausrichtungen damit entscheidende Weichen für die Partei stellen.

Die grünen Delegationen aus den Ländern sind ja nach Größe der Bundesländer aufgestellt. Insgesamt sind es aber sieben Gruppen, die die Zusammensetzung des Bundeskongresses, kurz „BuKo“, bilden.

Die Zusammensetzung des „BuKo“

  • Delegierte aller Landesorganisationen (nach Landesgröße)
  • Delegierte einer Organisation für ethnische Minderheiten
  • Abgeordnete aus dem Europaparlament
  • Abgeordnete aus dem Nationalrat und dem Bundesrat
  • Alle Landtagsabgeordneten
  • Alle grünen Regierungsmitglieder auf Länder- bzw. Bundesebene
  • Die Mitglieder des Bundesvorstands der Grünen
  • Die Mitglieder des Bundesvorstands der Grünen Bildungswerkstatt

„Ihr habt die Möglichkeit“

„Ihr habt die Möglichkeit, dieses Übereinkommen zu diskutieren und den Schritt, erstmals in der Geschichte in eine Bundesregierung einzutreten, mitzutragen oder abzulehnen“, mit diesen Worten lud der Generalsekretär der Grünen, Thimo Fiesel, die Delegierten der Partei Ende des Vorjahres zum Bundeskongress ein.

In seiner Einladung hatte Fiesel die zentralen Punkte des grünen Beitrags zum Programm festgehalten: Umwelt- und Klimaschutz, Soziales und Transparenz. „Wir haben große Schritte im Umwelt- und Klimaschutz erkämpft – im Einklang mit sinnvollen Investitionen in die Wirtschaft. Wir haben Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Ärmsten in diesem Land sozial abzusichern. Und wir machen die Arbeit dieser Republik, dank Informationsfreiheit, endlich transparent für ihre Bürgerinnen und Bürger“, stand in Fiesels Schreiben zu lesen.

Diskutieren wird der grüne Kongress aber wohl eher über die Punkte, bei denen sich die ÖVP durchgesetzt hat: Sicherheit, Migration, Wirtschaft und Schule. Bei der Präsentation des Regierungsprogramms hatte Kogler noch erklärt, dem Bundeskongress recht gelassen entgegenzusehen. „Was erwarte ich mir? Mein Gott, wenn es Ihnen so gegangen ist wie den Grünen in den letzten zwei Jahren, dann ist man so mittelentspannt“, so Kogler. Er erwarte jedenfalls kein „nordkoreanisches Ergebnis“.