Sebastian Kurz und Werner Kogler
ORF.at/Christian Öser
ÖVP – Grüne

Neue Regierung wird angelobt

Am Dienstag wird die neue Regierung – die erste aus ÖVP und Grünen – offiziell von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt. Nach dem Termin in der Hofburg übergibt die derzeitige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein offiziell die Amtsgeschäfte an ihren Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP). Die neue Regierung hat einige Premieren und Rekorde aufzuweisen.

Neben der Regierungskonstellation – eine Regierungsbeteiligung der Grünen gab es auf Bundesebene noch nie – ist das neue Kabinett das erste mehrheitlich weibliche in der Geschichte Österreichs. Acht der 15 Regierungsmitglieder sind Frauen. Das bedeutet einen Wert von 53,3 Prozent. Nimmt man die zwei Staatssekretäre dazu, kommt man bei neun von 17 auf fast 53 Prozent. Bei der nunmehr scheidenden Beamtenregierung lag der Frauenanteil bei genau 50 Prozent.

Dafür bleibt die nach dem „Ibiza“-Crash der ÖVP-FPÖ-Regierung vom Bundespräsidenten eingesetzte Bierlein vorerst die einzige Kanzlerin der Zweiten Republik. Ihre Amtszeit wird mit 218 Tagen (bis 7. Jänner) letztlich die kürzeste sein. Kurz war auch erst 525 Tage Kanzler, aber er geht jetzt in die Verlängerung. Jedenfalls schafft er als erster Kanzler nach einer Pause ein Comeback. Und mit 33 Jahren bleibt Kurz auch in seiner zweiten Amtszeit der jüngste Regierungschef, den das Land jemals hatte. Auch auf EU-Ebene bleibt er der jüngste, Finnlands neue Premierministerin Sanna Marin ist etwa neun Monate älter als der ÖVP-Bundesparteiobmann.

Brigitte Bierlein und Alexander Van der Bellen
APA/Helmut Fohringer
Bierlein bei ihrer Angelobung zur Kanzlerin durch Bundespräsident Van der Bellen

Geringste NR-Mehrheit seit Schüssel II

Mit 97 Abgeordneten hat diese Regierung den geringsten Rückhalt im Nationalrat. Nur die 2003 angelobte Regierung Schüssel II, bestehend aus ÖVP und FPÖ (später BZÖ), hatte ebenso wenige Nationalratssitze – wobei theoretisch 92 der 183 reichen für eine Regierungsmehrheit. Die 2003 verlängerte schwarz-blaue Koalition war übrigens die Folge der gescheiterten ersten Regierungsverhandlungen der ÖVP unter Wolfgang Schüssel mit den Grünen. Grüner Bundessprecher war damals Van der Bellen, der nunmehrige Bundespräsident.

Damals konnte die neue Regierung übrigens trotzdem 96 Tage nach der Wahl angelobt werden – während die Regierung aus ÖVP und Grünen nun genau 100 Tage nach der Wahl vom Bundespräsidenten vereidigt wird. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer von 68,4 Tagen bei Koalitionsbildung haben beide um gut einen Monat überschritten.

Amtszeiten: ÖVP könnte SPÖ überholen

Sofern die Regierung aus ÖVP und Grünen nicht vorzeitig zerbricht, könnte die Volkspartei einen Rekord der SPÖ einstellen. Am 16. Mai 2024 wäre die ÖVP dann um einen Tag länger Regierungspartei als die SPÖ. Die SPÖ war bisher 22.300 Tage (61,1 Jahre) an der Macht, die ÖVP 20.709 (56,7). Mit 32,4 Jahren (11.821) ist die ÖVP aber jene Partei, die – mit Abstand – die längste durchgehende Regierungszeit aufweist: Von 1987 bis zum 3. Juni 2019, als die Beamtenregierung angelobt wurde.

Nach dem Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung infolge des „Ibiza-Videos“ hatte Kurz zunächst eine Minderheitsregierung gebildet. Sie war die erste Regierung in Österreich, die des Amtes enthoben wurde, nachdem der Nationalrat ihr das Vertrauen entzogen hatte. Die reine ÖVP-Regierung war die kurzestlebigste der Zweiten Republik.

TV-Hinweis

Anlässlich der Regierungsangelobung gibt es seit 7.00 Uhr verlängerte ZIB-Sendungen in ORF2. Um 10.40 Uhr und 20.15 Uhr gibt es jeweils eine Zeit im Bild Spezial. Um 21.05 Uhr widmet sich der ORF-„Report“ der neuen Regierung, nach der verlängerten ZIB2 schließt ein „Runder Tisch“ die mehr als fünfstündige Berichterstattung in ORF2 ab – mehr dazu in tv.ORF.at.

Verteidigungsminister Johann Luif, Innenminister Eckart Ratz, Infrastrukturministerin Valerie Hackl und Sozialminister Walter Pöltner waren bis zu ihrer Amtsenthebung nur zwölf Tage im Amt. Und ganz streng genommen ist Hartwig Löger – der Finanzminister der ÖVP – der Kanzler mit der kürzesten Amtsdauer: Er übernahm nach der Amtsenthebung am 28. Mai interimistisch die Geschäfte des Bundeskanzlers – und das für nur sechs Tage, bis die Beamtenregierung angelobt werden konnte.

17 Personen am Ministerratstisch

Das ÖVP-Grüne-Kabinett ist indes um eine Person größer als jenes der ÖVP-FPÖ-Regierung. Wegen des neuen Größenverhältnisses der Regierungsparteien hat die ÖVP jetzt mit zehn um drei Ressorts mehr als 2017 bis 2019, und die Grünen konnten vier (inklusive Vizekanzler Werner Kogler) nominieren – während die FPÖ 2017 sechs Posten in der Regierung besetzte.

ÖVP-Minister in Schlüsselpositionen

Die ÖVP besetzt fast alle Schlüsselressorts in der neuen Regierung: Finanzen, Inneres, Landesverteidigung, Äußeres und das neue Ministerium für Integration und Frauen gehen an die ÖVP.

Der Abstand zwischen der ÖVP und ihrem Koalitionspartner ist jetzt beträchtlich größer: Die ÖVP kam bei der heurigen Nationalratswahl auf 37,46 Prozent, die Grünen waren mit 13,90 Prozent viertstärkste Partei – also um 23,56 Prozentpunkte schwächer. 2017 trennten ÖVP (31,47 Prozent) und den Koalitionspartner FPÖ (25,97 Prozent) nur 5,50 Prozentpunkte.

Der erste Ministerrat der Übergangsregierung am 22. Mai 2019
ORF.at/Roland Winkler
Die ÖVP-geführte Minderheitsregierung war die erste Regierung in Österreich, die des Amtes enthoben wurde

Beide von Kurz geführten Regierung haben zusätzlich noch je einen Staatssekretär pro Partei – und somit zählte das Kabinett Kurz I insgesamt 13 Ministerinnen und Minister, eine Staatssekretärin und einen Staatssekretär, was zusammen mit dem Kanzler 16 Personen am großen Tisch des Ministerrats ausmacht. Nun werden dort 17 Personen Platz nehmen.

Regierung wird angelobt

Am Dienstag bekommt Österreich eine neue Regierung. Exakt 100 Tage nach der Nationalratswahl wird die erste Koalition aus ÖVP und Grünen in Österreich angelobt.

Ein Team in genau dieser Größe gab es bisher nur zweimal – und zwar in bisher einzigartigen Regierungsvarianten: Die Konzentrationsregierung aus ÖVP, SPÖ und KPÖ nach der ersten Wahl 1945 zählte 17 Köpfe und dann die Alleinregierung der ÖVP 1966 bis 1970. Das war übrigens die erste Regierung, in der eine Frau – Grete Rehor – zu Ministerehren kam. Und erst jetzt, ein halbes Jahrhundert später, sind erstmals mehr Frauen in der Regierung als Männer.