Ajatollah Ali Chamenei während einer Rede
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US-Basen im Irak beschossen

Iran dementiert Kriegsabsichten

Aus Rache für den Tod von General Kassem Soleimani hat der Iran US-Basen im Irak angegriffen und damit die Furcht vor einem Krieg in Nahost angefacht. Ajatollah Ali Chamenei, geistliches und staatliches Oberhaupt des Iran, sagte in seiner Stellungnahme Mittwochfrüh, dass der Iran keinen Krieg wolle, aber auf die Tötung Soleimanis reagieren musste.

Die USA seien der „Feind des Iran“. Dazu zählten auch Israel und das „arrogante System“. Damit machte Chamenei eine Anspielung auf den Westen. Die vergangene Nacht sei ein „Schlag ins Gesicht“ der USA gewesen, sagte der Ajatollah. Der Iran verfolge keine Kriegsabsichten, so Chamenei: „Die Amerikaner haben in dieser Region nur Krieg und Zerstörung angerichtet.“ Die breite Anteilnahme im Iran und Reaktion auf den Tod des Generals zeige, dass die Revolution immer noch am Leben sei.

Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bezeichnet den Angriff als „legitime Selbstverteidigung“. Die USA mögen mit der Tötung dem Iran „einen Arm“ abgeschnitten haben, sagte der iranische Präsident Hassan Rouhani am Mittwoch. Aber als Antwort darauf würden die USA ihr Standbein in der Region verlieren. Mehr als ein Dutzend Raketen seien in der Nacht auf Mittwoch auf US-Ziele im Irak abgefeuert worden, meldete das iranische Staatsfernsehen. Laut iranischem TV kamen dabei 80 Menschen ums Leben. Das Fernsehen sprach von getöteten „amerikanischen Terroristen“.

Grafik zu US-Truppenstärke im Nahen Osten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: CNN

Trump beschwichtigt in erster Reaktion

US-Präsident Donald Trump kündigte für Mittwochfrüh (Ortszeit) ein Statement an. Trump schrieb in einem Tweet nach den Raketenangriffen, dass die Lage nun sondiert werde. Er verwendete aber auch die Formulierung „Alles ist gut“ („All is well“). Der Iran reagierte bereits auf diesen Tweet: Mit der Formulierung „All is well“ versuche Trump die Schäden durch die iranischen Raketen herunterzuspielen.

Noch wenige Stunden vor dem Angriff der Führung in Teheran hatte Trump mit „starken Konsequenzen“ gedroht, sollte der Iran irgendetwas machen, „was er nicht tun sollte“. Gleichzeitig war er mit einer anderen Drohung zurückgerudert und hatte sich von den angekündigten Angriffe auf iranische Kulturgüter distanziert. Wenn Angriffe auf Kulturstätten verboten seien, werde er sich daran halten. „Ich befolge gerne Gesetze“, sagte Trump.

Militär meldet „vollständige Zerstörung“ einer Basis

Laut dem irakischen Militär wurden 17 Raketen auf den Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad und fünf auf den Stützpunkt in Erbil in der Kurdenregion im Nordirak abgeschossen. Die iranischen Revolutionsgarden teilten mit, bei der „Operation Märtyrer Soleimani“ sei der mit Dutzenden Raketen attackierte Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad „vollständig zerstört“ worden. Der Angriff sei mit ballistischen Boden-Boden-Raketen erfolgt.

Raketenbeschuss auf US-Militärbasen im Irak

Je nach Angaben zwischen 15 und 22 iranische Raketen sind in der Nacht auf Mittwoch gegen zwei US-Militärbasen im Irak abgefeuert worden.

Stützpunkte in Alarmbereitschaft

Berichten zufolge wurde die US-Basis in Erbil nicht getroffen, es habe daher auch keine Schäden gegeben. Das Pentagon arbeitet derzeit an Einschätzungen der Lage. Die Stützpunkte seien jedenfalls in der Region in hoher Alarmbereitschaft gewesen. Die irakische Regierung wurde nach eigenen Angaben kurz vor dem Angriff aus Teheran über den Militärschlag informiert. Der irakische Regierungschef Adel Abdel Mahdi sagte, zur selben Zeiten hätten sich auch die Amerikaner gemeldet.

Aufgrund dieses frühzeitigen Alarms hätten die Soldaten Zeit gehabt, sich in Schutzbunkern in Sicherheit zu bringen. Die deutsche Bundeswehr bestätigte für die deutschen Soldaten, dass diese vor dem Raketenbeschuss gewarnt worden seien und daraufhin die Schutzräume aufgesucht hätten. Bisher gibt es von US-Seite keine Informationen über mögliche Todesopfer. Ob es Tote durch die Angriffe gab und ob Amerikaner darunter waren, ist mitentscheidend darüber, wie weit sich die Eskalationsschraube im Nahen Osten dreht.

Hannelore Veit über den Angriff auf US-Stützpunkte

Hannelore Veit berichtet über US-Reaktionen auf den Raketenangriff aus dem Iran.

Fluglinien reagieren auf angespannte Lage

Die US-Luftfahrtbehörde FAA sprach für zivile US-Fluglinien bereits ein Flugverbot für den Luftraum über dem Irak, dem Iran, dem Golf von Oman und dem Gebiet zwischen dem Iran und Saudi-Arabien aus. Begründet wurde dieser Schritt mit der steigenden politischen Spannung im Nahen Osten und den „verstärkten Militäraktivitäten“.

Andere Fluglinien folgen dem Beispiel und streichen einige Flüge in die Region. Emirates etwa kündigte Mittwochfrüh an, einen für denselben Tag geplanten Rückflug in die irakische Hauptstadt Bagdad nicht durchzuführen. Flydubai strich ebenfalls einen Flug nach Bagdad. Lufthansa streicht vorerst den täglichen Flug von Frankfurt nach Teheran. Die Fluglinie will den betroffenen Flugraum meiden. Air France teilte am Vormittag ebenfalls mit, alle Flüge über dem irakischen und iranischen Luftraum auszusetzen.

Iran droht mit Angriffen auf Israel

Die Revolutionsgarden und auch der iranische Verteidigungsminister Amir Hatami warnten den „großen Satan“ USA vor Gegenangriffen. Jede US-Reaktion werde mit einer härteren Reaktion erwidert. Mittwochfrüh erneuerte auch die iranische Armee ihre Forderung, dass sich die US-Truppen aus dem Nahen Osten zurückziehen: „Jetzt, da sie unsere Macht erkannt haben, ist es Zeit für die Vereinigten Staaten, ihre Soldaten aus dem Nahen Osten abzuziehen“, sagt Generalstabschef Mohammed Bakeri im iranischen Staatsfernsehen.

Laut CNN drohten die Revolutionsgarden zudem mit Angriffen auf Dubai, Haifa in Israel und mit Attacken in den USA selbst, sollten Gegenschläge erfolgen. Einem Bericht des staatlichen iranischen Fernsehens zufolge habe der Iran 100 weitere Ziele im Visier, sollten die USA vergeltende Maßnahmen ergreifen.

NATO kündigt Teilabzug an

Außerdem sollten die Verbündeten der USA wissen, dass auch ihre den Amerikanern zur Verfügung gestellten Stützpunkte Ziel iranischer Angriffe werden könnten, falls von dort aus Angriffe auf den Iran erfolgen sollten, hieß es in der Erklärung weiter. Die USA sollten ihre Truppen abziehen, damit deren Leben nicht gefährdet werde.

Die NATO hatte bereits am Dienstag einen Teilabzug aus dem Irak angekündigt. Es würden „alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz“ des Personals getroffen, so ein NATO-Sprecher. Am Mittwoch hieß es von der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, dass eine mögliche Verlegung eines Teils der im Norden des Irak stationierten Soldaten vorbereitet werde.

Während Frankreich seine 160 im Irak stationierten Soldaten derzeit nicht abziehen will, kündigte Spanien eine Verlegung eines Großteils seiner Soldaten vom Irak nach Kuwait an. Auch Slowenien zieht seine im nordirakischen Erbil stationierten Soldaten ab. Die sechs Slowenen würden in Kooperation mit den deutschen Partnern abgezogen, teilte das slowenische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit.

Grafik zu den iranischen Angriff auf US-Militärbasen im Irak
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

5.000 US-Soldaten im Irak

Im Irak sind rund 5.000 US-Soldaten stationiert, die ein internationales Militärbündnis zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anführen. Die US-Stützpunkte im Irak wurden zuletzt häufiger mit technisch einfacheren Raketen von örtlichen schiitischen Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Ein direkter Angriff aus dem Iran markiert jedoch eine neue Eskalationsstufe im Konflikt zwischen den USA und dem Iran.

US-Präsident besucht 2018 die US-Luftwaffenbasis Ain al-Assad im Irak
AP/Andrew Harnik
US-Präsident Trump bei einem Besuch auf der Militärbasis Ain al-Assad 2018

Soleimani war in der Nacht auf Freitag von US-Drohnen in der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet worden. Washington erklärte danach, der Chef der Al-Kuds-Einheiten habe Angriffe auf US-Bürger geplant. Soleimani war der wichtigste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland. Er galt als Architekt der iranischen Militärstrategie in den Nachbarländern.

Beisetzung Soleimanis verschoben

Im Iran wurden unterdessen die Trauerfeiern für Soleimani fortgesetzt. Bei den Begräbnisfeierlichkeiten in seinem Geburtsort Kerman kam es am Dienstag zu einer Massenpanik mit mehreren Toten. Mehr als 50 Menschen seien getötet worden, berichtete das Staatsfernsehen am Dienstag unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Außerdem wurden mehr als 200 Menschen verletzt.

Wegen der riesigen Menschenmenge musste die Beisetzung Soleimanis verschoben werden. Es bestehe keine Möglichkeit, den Leichnam zum Friedhof zu transportieren, hieß es zur Begründung am frühen Nachmittag. Die Behörden baten die Menschen, den Weg vom Asadi-Platz zum Friedhof frei zu machen, damit die Beerdigung stattfinden kann. Hunderttausende Menschen hatten sich vor der Beisetzung zu der Trauerfeier versammelt.

„Brandgefährliche“ Entwicklung

China rief indes zu Zurückhaltung und Dialog auf. Dass sich im Nahen Osten die Spannungen verschärften, sei in niemandes Interesse. Großbritannien verurteilte dezidiert den iranischen Angriff: „Wir rufen den Iran dringend auf, solche rücksichtslosen und gefährlichen Angriffe nicht zu wiederholen“, sagte der britische Außenminister Dominic Raab. Auch er drängte auf Deeskalation.

Deutschland verurteilte den Vergeltungsangriff „auf das Schärfste“. Außenminister Alexander Schallenberg bezeichnete die Entwicklungen der vergangenen Nacht als „brandgefährlich“: „Die Logik ‚Auge um Auge‘ führt nirgendwohin. Was wir jetzt brauchen, ist Dialog.“ Oman, das traditionell Beziehungen zu den USA und dem Iran unterhält, sieht derzeit keine Möglichkeit für eine Vermittlung zwischen den beiden Ländern.

„Vollständig“ auf die Seite der USA stellte sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Er gratulierte Trump zu dessen resolutem Handeln gegenüber General Soleimani. Jeder, der versuche, Israel zu attackieren, werde hart getroffen werden.

Ölproduktion geht weiter

Die Philippinen forderten indes ihre rund 5.000 im Irak lebenden Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Präsident Rodrigo Duterte stellte dafür schon zuvor drei Militärflugzeuge und zwei Schiffe bereit. Die Produktion in den irakischen Erdölanlagen geht nach Angaben der OPEC bisher ungestört weiter. Die Anlagen seien sicher, so OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo. Das sei eine „große Erleichterung“. Zeitweise erreichte der Ölpreis dennoch neue mehrmonatige Höchststände.

Außenministerium warnt vor Reisen in den Iran

Angesichts der extrem angespannten Situation im Konflikt zwischen den USA und dem Iran verschärfte das österreichische Außenministerium nun seine Reisehinweise für den Iran. „Aufgrund der momentanen volatilen Situation in der Region wird von nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Iran abgeraten“, hieß es auf der Website des Außenministeriums. Es gilt damit für das gesamte Land die Sicherheitsstufe vier.