Erster Ministerrat 2020
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP–Grün

Die Wandlung der Ministerien

Alles neu macht die Bundesregierung – zumindest in den Ministerien. Denn mit jeder neuen Regierung ändert sich auch das Bundesministeriengesetz. Darin werden die Ressorts samt Kompetenzen definiert. Auch den Ministerien unter der ÖVP-Grünen-Regierung stehen einige Änderungen bevor. Für Experten ein üblicher Vorgang – mit Symbolcharakter.

So zieht etwa der Bereich Arbeit aus dem Sozialministerium in das neu geschaffene Ministerium für Familie, Jugend und Arbeit. Außerdem entsteht quasi ein Konglomerat aus Umweltministerium und Verkehrsressort, das für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zuständig ist.

Das Landwirtschaftsressort erhält unter anderem die Regionalpolitik, den Tourismus und etwas überraschend die Agenden rund um die Zivildiener. Am Donnerstag stimmte der Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen der Novelle zu, am Freitag folgt der Beschluss im Plenum.

Dass es zu Änderungen kommt, ist für Franz Merli, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, ein üblicher Vorgang. „Es wäre eher ungewöhnlich, wenn eine neue Regierung an den Ministerien nichts ändert“, so der Experte zu ORF.at. Oft seien es „normale Verschiebungen“, die den Fähigkeiten und Interessen der neuen Ressortchefs und Ressortchefinnen entsprechen würden.

„Nicht immer auf den ersten Blick einleuchtend“

Gesetzlich geregelt sind die Bezeichnungen der Ministerien und ihre Kompetenzen im Bundesministeriengesetz. Schon im Dezember hatten ÖVP und Grüne gemeinsam einen Antrag für die Gesetzesänderung im Nationalrat eingebracht. Es handelte sich um eine „Trägerrakete“, also um einen fast leeren Antrag. Mit einem Abänderungsantrag kann die „Trägerrakete“ noch mit Inhalten befüllt werden. Danach wird über die Gesetzesänderung abgestimmt – und die Ministerien stehen fest.

Erster Ministerrat 2020
ORF.at/Roland Winkler
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) beim Ministerrat am Mittwoch

Grundsätzlich, so Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler Klaus Poier, seien Änderungen „nichts Besonderes“. Manchmal habe die neue Kompetenzaufteilung eine „gewisse Logik, manchmal ist sie auf den ersten Blick nicht einleuchtend“, sagte er im ORF.at-Gespräch. Dass der Zivildienst aus dem Innen- in das Landwirtschaftsministerium wechselt, werde man wohl noch näher erläutern müssen. Wesentlich sei aber, „ob für diesen Bereich gute Politik gemacht wird“, so Poier.

Verfassungsdienst wieder im Bundeskanzleramt?

Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird künftig Bundesministerium für Justiz heißen. Die Änderung der Bezeichnung bezeichnete Poier als „Symbol“. Unter dem damaligen ÖVP-Minister Josef Moser seien andere Prioritäten gesetzt worden, wie etwa die Rechtsbereinigung und die „Entflechtung von Kompetenzen“ zwischen Bund und Ländern. „Auch solche Symbole sind wichtig für die Regierungen“, sagte der Verfassungsrechtler.

Neben „Verfassung, Reformen und Deregulierung“ im Namen muss das Justizministerium künftig auch ohne Verfassungsdienst auskommen. Der wandert zurück ins Bundeskanzleramt, wo er sich auch vor der ÖVP-FPÖ-Regierung befunden hat. Für Staatsrechtler Merli hat die Rückkehr des Verfassungsdienstes eine „wichtige Symbolkraft“ und ist „sicher gut so“. Er erinnerte daran, dass der Verfassungsdienst das „rechtsstaatliche Gewissen der Bundesregierung“ sei und die „letzten 100 Jahre im Bundeskanzleramt“ angesiedelt war.

Laut Merli sei die teilweise Ausgliederung des Verfassungsdienstes aus dem Bundeskanzleramt eine „schlechte Entscheidung“ gewesen. „Der Dienst spielt so nur eine Nebenrolle, obwohl er eine zentrale Stellung im Gesetzgebungsverfahren einnehmen sollte“, erklärte der Experte. Gemeint sind die Stellungnahmen der Fachleute zu Gesetzesanträgen. Wenn diese aus dem Bundeskanzleramt kommen, hätten sie einen anderen Wert, als wenn sie vom Justizressort abgeschickt werden.

Kompetenzverschiebung in Ministerien

Mit jeder neuen Regierung ändert sich auch das Bundesministeriengesetz. Darin werden die Ressorts samt Kompetenzen definiert. Für Experten ein üblicher Vorgang – mit Symbolcharakter.

„Ein Ministerium ist kein Gebäude“

Dass einzelne Bereiche zwischen den Ministerien wechseln, bedeutet aber nicht, dass auch alle Beschäftigten neue Arbeitsplätze bekommen. Beim Verfassungsdienst war das zwar der Fall – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten umziehen –, aber „für gewöhnlich will man die Kosten so gering wie möglich halten“, so Poier. Im Internetzeitalter sei es ohnehin keine große Frage mehr, wo jemand sitzt. Auch Merli betonte, dass es schon heute nicht ungewöhnlich sei, dass Einheiten der Ministerien in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht sind.

Grafik zu den Ministerien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Ministeriengesetz

„Ein Ministerium ist eine Organisationseinheit, kein Gebäude“, sagte Poier, man lasse die Bediensteten meist dort, wo sie seit Jahren ihren Arbeitsplatz haben. Laut Merli gebe es neben dem Verfassungsdienst noch andere Fälle von größeren und kleineren Umsiedelungen. Aber großteils bleibt alles beim Alten, weil es logistisch auch ein zu großer Aufwand wäre. „Für die Beschäftigten ändert sich, dass sie Weisungen von einem anderen Ressort erhalten“, sagte Merli.