Szene des Films „7500“ mit Joseph Gordon-Levitt
Luna Filmverleih
„7500“

Showdown im Airbus-Cockpit

Nach der Oscarnominierung für seinen Kurzfilm „Alles wird gut“ ist der deutsch-österreichische Regisseur Patrick Vollrath mit seinem ersten Kinospielfilm im Höhenflug: „7500“ ist ein effizienter, mörderisch spannender Psychothriller über eine Flugzeugentführung.

Es hätte ein Routineflug werden sollen, die Abendmaschine vom verregneten Berlin Tegel nach Paris Charles de Gaulle. Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) fliegt seit Jahren als Kopilot, der Pilot Michael Lutzmann (Carlo Kitzlinger) hat Jahrzehnte Erfahrung. Die Checklisten sind in Ordnung, zwei Passagiere kommen verspätet. Irgendwann sind dann doch alle an Bord, der Start verläuft glatt. Doch es wird der schlimmste Flug, den Ellis je erleben wird.

„7500“ ist der Notfallcode für eine Flugzeugentführung – und es ist der Titel des ersten Langspielfilms des gebürtigen Deutschen Patrick Vollrath, Absolvent der Filmakademie Wien. Ihm ist mit seinem Debüt ein schlanker, ökonomischer Psychothriller ohne jede Überflüssigkeiten gelungen, ein Kammerspiel um einen ganz normalen Mann, der durch gewaltsame Umstände zu existenziellen Entscheidungen gezwungen wird – und einfach nur weg will.

Entscheidung über Leben und Tod

Die Handlung von „7500“ ist schnell erzählt: Einige Männer (darunter Omid Memar und Murathan Muslu) versuchen sich mit Gewalt Zugang zum Cockpit zu verschaffen und drohen schließlich, einen Passagier nach dem anderen zu töten, wenn ihnen nicht Eintritt gewährt wird. Ellis ist als Kopilot in dieser entsetzlichen Lage allein, noch verschärft dadurch, dass draußen als Flugbegleiterin auch seine Freundin Gökce (Aylin Tezel) ist, Mutter seines Sohnes.

Szene des Films „7500“ mit Aylin Tezel
Luna Filmverleih
Drama auf engstem Raum: Im Cockpit fallen Entscheidungen über Leben und Tod, alle draußen sind in Lebensgefahr – auch Gökce (Aylin Tecel), Flugbegleiterin und Freundin des Kopiloten

Seine Ausbildung hat ihn nicht auf diese Situation vorbereitet, seine Optionen sind eingeschränkt, er darf die Flugzeugentführer unter keinen Umständen ins Cockpit lassen. Es ist ein Kammerspiel unter äußerstem Druck. „Die Frage war, welchen Schauspieler wir dafür engagieren, nämlich einen, der Interesse hat, nicht der Held zu sein, sondern wirklich spielen will. Ich wollte eine echte Tour de Force, und dafür braucht es einen, der es aushält, dass die Kamera drei Viertel der Zeit auf ihm ist“, so Patrick Vollrath gegenüber ORF.at.

Flugzeug in der Schublade

Den richtigen dafür fand er mit Joseph Gordon-Levitt („Snowden“), der in Interviews erzählt, Vollraths Technik habe ihn zur Zusammenarbeit bewogen, nämlich seine Gewohnheit, Improvisation zuzulassen. „Wir haben chronologisch gedreht, sodass wir auch auf Sachen reagieren können, die bei der Improvisation passieren“, beschreibt Vollrath seine Arbeitsweise. „Es gab natürlich einen klaren Rahmen, was in der Szene ungefähr passieren soll, aber wie genau die Schauspieler da hinkommen, dafür war viel Freiheit zum Ausprobieren.“

Entwickelt hat Vollrath diese Methode als Kurzfilmregisseur, schon da sehr erfolgreich: 2015 wurde er für seinen Kurzfilm „Alles wird gut“ beim Max Ophüls Festival ausgezeichnet, 2016 erhielt er dafür sogar eine Oscarnominierung. Die Preise haben ihm Türen geöffnet. Schon nach der Premiere wurde er angesprochen, ob er nicht einen Kinofilm drehen wollte. „Nach der Oscarnominierung war überhaupt alles einfacher, da kamen auch die Anfragen, ob ich mir vorstellen könnte, auf Englisch zu drehen“, sagt Vollrath. „Das Treatment für diesen Film hatte ich da schon in der Schublade.“

Held wider Willen

Einen ersten internationalen Film im Flugmilieu zu drehen ist angesichts der Verkehrssprache Englisch eine gute Idee, doch in einem Cockpit zu drehen, das fast die gesamte Laufzeit nie verlassen wird, erwies sich als spezielle Herausforderung. „Wir haben ein ausrangiertes originales Airbus-Cockpit gekauft, und die Technik eines Flugsimulators wieder reingebaut, sodass es so echt und glaubwürdig wie möglich ist“, so Vollrath. Hinter den Sitzen wurde der Platz Richtung Passagierraum etwa 25 Zentimeter verlängert, doch mehr als Schauspieler und Kameramann hatten nicht Platz: „Ich hab alles von außen über den Videomonitor beobachtet.“

Szene des Films „7500“ mit Joseph Gordon-Levitt
Luna Filmverleih
Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) ist erfahren als Kopilot. Doch auf diese Situation konnte ihn kein Ausbildner vorbereiten.

Die Einschränkung tut dem Film und vor allem der Spannung gut, Gordon-Levitt hält die Energie den ganzen Film lang durch. Die Kamera bleibt immer an seiner Seite, was im Passagierraum an Tragödien vor sich geht, können er und das Publikum nur ahnen, sein Dilemma ist dadurch noch verschärft. „Ich wollte keinen Actionhelden haben, keinen ehemaligen CIA-Agenten oder so, der alle rettet, sondern einen wie du und ich, der denkt, er fliegt Linienmaschinen bis zu seiner Pensionierung – und dann passiert ihm so etwas.“

Mehr Freiheit in Österreich und Deutschland

Produziert wurde der Film in Deutschland und Österreich, Vollrath arbeitet von Wien aus. „Unser Vorteil war, dass wir zwar einen Film mit einem Hollywoodnamen machen konnten, aber unser Budget von etwa 3,8 Millionen Euro komplett durch das deutsche und österreichische Fördersystem finanziert ist. Dadurch konnte keiner kommen und beispielsweise sagen, ‚wir müssen noch ein Flashback einbauen, damit man dieses und jenes versteht.‘ Das war ein großer Vorteil für die künstlerische Eigenständigkeit des Films.“

Am nächsten Projekt arbeitet Patrick Vollrath bereits, gemeinsam mit seinem Koautor Senad Halibasic, den er beim Österreichischen Filmpreis kennengelernt hat: „Ich war damals gerade dabei, eine Kurzgeschichte von Sasa Stanisic zu verfilmen. Das hat Senad interessiert, weil er auch aus Bosnien kommt, und so haben wir uns ausgetauscht.“ Was es ist, wird noch nicht verraten, „aber wir haben einen Drehbuchvertrag unterschrieben dafür“.