Flugzeugtrümmer an der Absturzstelle im Iran
Reuters/Wana News Agency
USA und Kanada

Abschuss von Boeing im Iran vermutet

Die USA und Kanada gehen offenbar von einem versehentlichen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine im Iran aus. Die Boeing mit 176 Menschen an Bord sei nach Ansicht Washingtons möglicherweise von einer Rakete getroffen worden, berichteten am Donnerstag mehrere Medien und beriefen sich dabei auf Regierungsvertreter. Auch Kanadas Premier Justin Trudeau sagte, dass man von einem Abschuss ausgehe.

Man habe Informationen, dass die Boeing von einer iranischen Rakete getroffen worden sei, sagte Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau heute in einer TV-Ansprache. Zuvor berichtete der US-Sender CBS, dass Regierungsvertreter glauben, die ukrainische 737-800 sei von einer Rakete getroffen worden.

Grund für die Annahme seien Satellitenaufnahmen: Der US-Sender berief sich auf Angaben des Geheimdienstes, wonach ein Satellit erst Infrarotmarkierungen von zwei Raketenstarts aufgezeichnet habe, gefolgt von einer weiteren Markierung – der Explosion. Das US-Verteidigungsministerium lehnte einen Kommentar bisher hab.

Die Zeitschrift „Newsweek“ berichtete unterdessen, dass sowohl ein Pentagon- und ein hoher Geheimdienstmitarbeiter als auch ein irakischer Geheimdienstmitarbeiter davon ausgehen, dass das ukrainische Flugzeug von einer in Russland hergestellten „Tor“-Rakete getroffen worden sei. US-Präsident Donald Trump sagte unterdessen, dass er „den Verdacht“ habe, dass „jemand einen Fehler gemacht haben könnte“, schrieb die BBC.

Iranische Behörde weist Berichte zurück

Die iranische Luftfahrtbehörde wies die Berichte umgehend zurück. „Wissenschaftlich gesehen ist es unmöglich, dass eine Rakete die ukrainische Maschine getroffen hat, deshalb sind solche Gerüchte unlogisch“, zitierte die iranische Nachrichtenagentur IRNA den Behördenchef Ali Abedzadeh.

Schon zuvor hatten iranische Behörden bekräftigt, dass eine technische Ursache zu der Katastrophe geführt habe. Laut iranischen Ermittlern befand sich die Unglücksmaschine vor dem Absturz auf dem Rückweg zum Flughafen. „Wegen eines technischen Defekts hat die Maschine Feuer gefangen, und das führte zum Absturz“, sagte Verkehrs- und Transportminister Mohammed Eslami der Nachrichtenagentur ISNA.

Auch die Geheimdienste gingen von einem technischen Defekt aus. Alles deute darauf hin, dass die Triebwerke überhitzt gewesen seien. Einem vorläufigen Bericht der iranischen Luftverkehrsbehörde zufolge brannte die Maschine vor ihrem Absturz. Das sollen Augenzeugen auf dem Boden und in einem anderen Flugzeug angegeben haben. Auch den iranischen Ermittlern zufolge hatte die Maschine vor dem Absturz ein technisches Problem. Es habe keine Funkverbindung mit dem Piloten gegeben.

176 Tote bei Absturz

Bei dem Absturz in der Nähe des Flughafens von Teheran waren in der Nacht auf Mittwoch alle 176 an Bord befindlichen Personen getötet worden. Nach dem Absturz gab es Spekulationen über die Ursache. Aufschlüsse sollen nun die Blackboxes geben. Der Iran werde nach gründlichen Untersuchungen die beiden Blackboxes an die Ukraine übergeben, kündigte die Luftfahrtbehörde an. Laut Staatsanwaltschaft in Teheran sollten auch die Überreste der Leichen an die ukrainischen Behörden übergeben werden.

Iran übergibt Blackboxes nicht an Boeing

Der Absturz hatte Spekulationen ausgelöst, weil er in enger zeitlicher Nähe zu iranischen Luftangriffen auf US-Militärstützpunkte im Irak erfolgte. Diese waren eine Reaktion auf die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff am Freitag. Die iranische Luftfahrtbehörde hatte den Absturz allerdings nur kurze Zeit nach dem Unglück auf einen technischen Defekt zurückgeführt.

Trümmer bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
APA/AFP
Trümmer der Maschine gingen auch über bewohntem Gebiet nieder

Aufschlüsse über die Geschehnisse könnten die beiden Blackboxes des Flugzeugs geben. Iranische Rettungskräfte fanden inzwischen die Boxen, die Flugschreiber und Stimmaufzeichnungen enthalten. Laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA begannen iranische Fachleute mit der Auswertung. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Mehr zufolge will die iranische Luftfahrtbehörde die Blackboxes aber „nicht dem Hersteller und den USA“ übergeben.

Ukraine zog Stellungnahme zurück

Befeuert wurden Spekulationen über einen Absturz vom Vorgehen der ukrainischen Botschaft im Iran. Diese zog am Mittwoch eine erste Stellungnahme zu dem Unglück zurück und veröffentlichte eine zweite. Darin hieß es, die Ursachen des Absturzes der Maschine der Ukraine International Airlines seien nicht ermittelt. Frühere Einschätzungen dazu seien nicht offiziell gewesen. In der ersten Stellungnahme war noch von Triebwerksversagen bei der Boeing 737 die Rede gewesen und „Terrorismus“ als Ursache ausgeschlossen worden.

Der Präsident von Ukraine International Airlines, Jewgenio Dychne, sagte in Kiew, die Maschine habe vor dem Absturz bereits eine Höhe von 2.400 Metern erreicht. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler der Besatzung ist minimal“, hieß es vom Vizepräsidenten der Fluggesellschaft, Igor Sosnowski. Der Airline zufolge war die Maschine wenige Jahre alt und wurde erst am Montag technisch überprüft. Die Boeing 737 des Baujahres 2016 sei direkt beim Hersteller erworben worden.