Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
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Kurz und Kogler im Nationalrat

„Neues Kapitel“ und „gegen Spaltung“

Die neue Regierung von ÖVP und Grünen hat sich am Freitag erstmals dem Nationalrat gestellt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) legten ihre Pläne dar und stellten dem Hohen Haus die Regierungsmitglieder vor. Erstmals wurden die türkis-grünen Vorhaben von der Opposition auch im Parlament bewertet.

Kurz sprach in seiner Rede von einer neuen Form der „Kompromissfindung“, beide Parteien hätten „ihre Handschrift durchgesetzt“. Man schlage jetzt ein „neues Kapitel in diesem Land auf“, sagte der Bundeskanzler. Es folgten Danksagungen und eine Bewertung der globalen Machtverhältnisse („EU ein unglaubliches Erfolgsprojekt, aber oft entscheidungsschwach“).

Rasch kam er inhaltlich auf die geplanten inhaltlichen Schwerpunkte zu sprechen: Steuersenkung, „Reduktion der Schuldenquote Richtung 60 Prozent“, Kampf gegen illegale Migration, Bildung, Pflege sowie Klimapolitik. Auch gehe es darum, so Kurz, die Wirtschaft, den Sozialstaat sowie einen „respektvollen Umgang mit der Schöpfung“ in Einklang zu bringen. Einmal mehr sagte er, man habe das „Beste aus beiden Welten vereint“.

Regierungserklärung von Kurz

Bundeskanzler Kurz (ÖVP) gab zum Auftakt des ersten Nationalrats seine Regierungserklärung ab und informierte die Abgeordneten über die kommende Legislaturperiode.

Anschließend stellte Kurz die ÖVP-Regierungsmitglieder vor: Finanzminister Gernot Blümel („wird dafür sorgen, dass Steuerlast sinkt“), Wirtschaftsministerien Margarete Schramböck (Fokus auf „Digitalisierung“), Landwirtschaftsministerien Elisabeth Köstinger („starke Stimme des ländlichen Raums“), Familienministerin Christine Aschbacher („Maßnahmen für Arbeitsmarkt“), Bildungsminister Heinz Faßmann („Profi im Bereich Bildung“), Staatssekretär Magnus Brenner ("Experte für erneuerbare Energie), Innenminister Karl Nehammer („militärische Verantwortung“) und Verteidigungsministerin Claudia Tanner („für die Sicherheit Österreichs“) sowie Integrationsministerin Susanne Raab und Außenminister Alexander Schallenberg.

Regierungsbank im österreichischen Parlament
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Kogler während seiner Rede, Kurz (r.) sowie Mitglieder der neuen Regierung

Kogler hebt Unterschiede hervor

Während sich der Kanzler mit gut 20 Minuten Redezeit begnügte, nahm sich Kogler mehr als eine halbe Stunde Zeit. Er dankte der Bevölkerung „für die Geduld, dass eine neue Regierung zusammengekommen ist“. Immerhin seien es hundert Tage gewesen. Kogler nahm auf Kurz’ Aussage Bezug, man habe „das Beste aus beiden Welten“ vereint. In Wahrheit gebe es nur eine Welt – „was es aber natürlich gibt, sind mehrere Sichtweisen auf diese Welt – in diesem Fall zwei“, so Kogler. Es handle sich um eine Regierung mit zwei unterschiedlichen Zugängen, dennoch sei es ein guter Pakt im Sinne eines Gesamtkompromisses.

Erklärung von Kogler

Auch Vizekanzler Kogler (Grüne) gab seine Regierungserklärung ab – seine Rede dauerte deutlich länger als jene von Kurz.

Gegen „Spaltung“

Kogler versprach in seiner Rede eine „wehrhafte Demokratie“. Auch thematisierte er die Hasskampagne gegen Justizministerin Alma Zadic (Grüne): „Österreich ist nicht so. Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht.“ Heimat sei der Ort, „wo Hirne weit genug denken können, um zu erkennen, dass das sinnvoll ist, was hier gelungen ist“. Der Opposition bot er die Zusammenarbeit an: „Wir strecken unsere Hand aus“, so Kogler.

Regierungsbank im österreichischen Parlament
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Außenminister Schallenberg (4. v. r.) ist die einzige Person, die bereits der Vorgängerregierung unter Bierlein angehörte

Vorgebracht wurden vom Vizekanzler diverse Maßnahmen, die ihm im Regierungsprogramm wichtig seien, darunter auch welche, die bisher nicht so im Vordergrund standen wie das Nein zum Mercosur-Abkommen und eine verstärkte Bekämpfung des Steuerbetrugs. Auch dass abgasarme Autos „relativ billiger“ und große „Stinker“ „relativ teurer“ werden, erschien Kogler erwähnenswert.

Wie Kurz stellte er die grünen Regierungsmitglieder vor: Leonore Gewessler übernehme das „Superministerium Klimaschutz“, Sozialminister Rudolf Anschober („16-jährige Regierungserfahrung“) und Ulrike Lunacek (als Kulturstaatssekretärin „kompetent“) und „last but not least Zadic“, deren Werdegang er einmal mehr lobte.

Von Opposition kritisch empfangen

Auf die Reden von Kurz und Kogler folgte die erste Debatte der neuen Legislaturperiode – die Opposition fand erwartungsgemäß kaum lobende Worte. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bot Kurz eine „zweite Chance“ für eine faire Zusammenarbeit an, vermisste aber die soziale Ausgewogenheit seines Programms. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl will „rot-weiß-roter Stachel“ im türkis-grünen Fleisch sein. NEOS fehlt die Finanzierung der Regierungsvorhaben.

„Schwarzes Regierungsprogramm mit grüner Tarnfarbe“

Inhaltlich lobte Rendi-Wagner zwar den angekündigten Kampf gegen die Klimakrise und gegen Rassismus. Auch der hohe Frauenanteil im Kabinett gefiel der SPÖ-Chefin. Dennoch sieht sie Türkis-Grün als ein „Wagnis zulasten des sozialen Ausgleichs in Österreich“. Denn während bei Steuersenkungen für Reiche und Konzerne Milliarden eingeplant seien, sei für einen fairen Familienbonus kein Geld da. Die SPÖ beantragte daher, den 1.750 Euro hohen Steuerbonus pro Jahr und Kind an alle Familien unabhängig vom Einkommen auszuzahlen.

Rendi-Wagner: „Zweite Chance“ für Kurz

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner will Kurz eine „zweite Chance“ geben – sparte aber nicht mit Kritik an den Inhalten des Regierungsprogramms. Es handle sich um ein „schwarzes Regierungsprogramm mit grüner Tarnfarbe“.

Die SPÖ-Chefin blieb folglich bei ihrer schon mehrfach geäußerten Kritik am Koalitionsabkommen. „Es ist weitgehend ein schwarzes Regierungsprogramm mit grüner Tarnfarbe“, so Rendi-Wanger. Dennoch sei die SPÖ zu einer „respektvollen Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ bereit, denn eine neue Regierung biete auch eine Chance für ein neues politisches Klima: „Versuchen wir, uns wieder zu vertrauen.“

„Rot-weiß-roter Stachel im Fleisch der Koalition“

Weniger konziliant ging es FPÖ-Klubchef Herbert Kickl an, der seine Partei als „rot-weiß-roten Stachel im Fleisch der schwarz-grünen Koalition“ positionieren möchte. „Ich habe das noch nie erlebt, dass zwei Parteien eigentlich nicht miteinander, sondern nebeneinander regieren“, kritisierte er die türkis-grünen Schwerpunkte bei Klima- und Integrationspolitik und den koalitionsfreien Raum für den Fall einer Migrationskrise. Die die im Raum stehende Rücknahme der Hacklerregelung lehnte Kickl ab, ebenso einen erleichterten Zuzug von Ausländern zum Arbeitsmarkt.

Kickl mit Lob für „Plagiate“

Kickl betonte in seiner Rede, dass die FPÖ ein „rot-weiß-roter Stachel im Fleisch der schwarz-grünen Koalition“ sein wolle. Lob gab es für die türkis-grünen „Plagiate“ der Regierung.

Lob hatte Kickl allenfalls für die türkis-grünen „Plagiate“ aus der Zeit der FPÖ-Regierungsbeteiligung parat (Stichwort: Steuerreform und Sicherungshaft). Das angekündigte Vorgehen gegen „Hasskriminalität“ und Rechtsextremismus ließ den FPÖ-Klubchef schon vor einem „schwarz-grünen Metternich“ warnen. Einen Ordnungsruf von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) holte sich Kickl, weil er das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als „kommunistische Tarnorganisation“ bezeichnete.

NEOS: „Absichtserklärungen mit Leben füllen“

Für NEOS erklärte Klubchefin Beate Meinl-Reisinger neuerlich, der neuen Regierung eine 100-Tage-Schonfrist einzuräumen. Das Ziel der Klimaneutralität begrüßte sie ebenso wie die angekündigte Schaffung einer mittleren Reife nach der 9. Schulstufe und das Integrationsministerium. Sie forderte allerdings die Nachbesserung des in vielen Punkten vagen Regierungsprogramms: „Da sind Absichtserklärungen drinnen, die mit Leben gefüllt werden müssen.“

Meinl-Reisinger will „100-Tage-Schonfrist“ einräumen

Die NEOS-Chefin sprach von einer „100-Tage-Schonfrist“ und appellierte an die Regierung, „Absichtserklärungen“ im Regierungsprogramm „mit Leben“ zu füllen.

Außerdem vermisst Meinl-Reisinger Angaben zur Finanzierbarkeit der Maßnahmen sowie eine Pensionsreform. „Wir haben eine steigende Lebenserwartung, gleichzeitig gehen wir früher in Pension als 1971.“ Und „sehr enttäuscht“ zeigt sich die NEOS-Chefin, dass die Grünen keine roten Linien bei Sicherungshaft und Bundestrojaner gezogen hätten.

Erste Beschlüsse

Inhaltlich stehen zwei Beschlüsse an. Mit dem Bundesministeriengesetz werden die Agenden an die jeweiligen Ressorts verteilt, und mit dem Budgetprovisorium wird der Haushalt 2019 für das heurige Jahr fortgeschrieben, bis der Nationalrat ein neues Budget beschließt, was nicht vor April sein wird. Durch das Aufrücken etlicher Abgeordneter in die Regierung kam es auch zu einigen Wechseln in den Abgeordnetenbänken. Die prominentesten Neuen sind Rückkehrer Rudolf Taschner bei der ÖVP sowie Anwalt Georg Bürstmayr bei den Grünen.