Wrackteile des abgestürzten ukrainischen Flugzeugs im Iran
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Iran

USA gehen von Flugzeugabschuss aus

Auch die USA gehen nun offiziell davon aus, dass das am Mittwoch im Iran abgestürzte ukrainische Flugzeug nicht aufgrund eines technischen Defekts abgestürzt ist. „Wir glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass dieses Flugzeug durch eine iranische Rakete abgeschossen wurde“, so US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag. Er sagte aber, man müsse die Ermittlungen abwarten. Pompeo verkündete zudem neue Iran-Sanktionen.

Zuvor hatten bereits Kanada, Großbritannien und Deutschland die Vermutung geäußert, das Flugzeug mit über 170 Menschen an Bord könnte abgeschossen worden sein. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt das für wahrscheinlich.

Er habe „keinen Grund“, entsprechenden Berichten aus den Hauptstädten mehrerer Verbündeter „nicht zu glauben“, sagte Stoltenberg bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister zum Iran-Konflikt am Freitag in Brüssel. Das Flugzeug könne „durch iranische Luftabwehrsysteme abgeschossen worden sein“. Deshalb sei nun „eine sorgfältige Untersuchung“ nötig.

Ukraine und Iran starteten Ermittlungen

Vertreter der USA, Kanadas und Frankreichs werden sich an den Ermittlungen zum Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran beteiligen. Wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA heute weiter mitteilte, würden Fachleute nach Teheran reisen und an den Beratungen teilnehmen. Die Untersuchungen, warum die ukrainische Passagiermaschine abstürzte, werden vom Iran geleitet.

US-Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin
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Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steve Mnuchin im Weißen Haus

Ukrainische und iranische Experten haben nach Angaben aus Teheran am Freitag gemeinsam mit den Ermittlungen begonnen. Zunächst sollten die Flugschreiber geöffnet werden, um weitere Hinweise auf die Absturzursache zu bekommen. Die Ukraine hat sich bisher nicht der Einschätzung westlicher Staaten angeschlossen, wonach es Hinweise auf einen versehentlichen Abschuss der Maschine durch eine iranische Rakete gebe.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski wollte die Absturzthese heute nicht ausschließen und kündigte an, entsprechende Hinweise aus den USA zu prüfen. Wie das Außenministerium später mitteilte, habe die Ukraine von den USA wichtige Daten zum Absturz der Passagiermaschine erhalten.

Iran sprach von technischem Defekt

Das Flugzeug der Ukraine International Airlines mit 176 Menschen an Bord war am Mittwoch kurz nach dem Start in Teheran abgestürzt. Es war auf dem Weg nach Kiew. Niemand überlebte das Unglück. Nur kurz zuvor hatte der Iran zwei von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen. Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss zurückgewiesen und einen technischen Defekt als Ursache genannt. Auch westliche Geheimdienste waren in einer Erstanalyse von einem technischen Defekt ausgegangen. Unter den Absturzopfern waren 63 Menschen aus Kanada und mindestens zehn aus Schweden, weswegen beide Länder mitermitteln wollen.

Ein im Internet kursierendes Video stärkt nach Einschätzung der „New York Times“ („NYT“) indes die These eines Raketenbeschusses. „Das von der ‚New York Times‘ verifizierte Video scheint eine iranische Rakete zu zeigen, die ein Flugzeug in der Nähe von Teherans Airport trifft“, schrieb das Blatt in seiner Onlineausgabe. Dazu gibt es auch eine Reaktion aus dem Iran: Laut dem Chef der iranischen Zivilluftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, kann die Echtheit der Aufnahmen nicht verifiziert werden.

Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA rät indes nach dem Absturz von Flügen über den Iran ab. Nach einem Treffen von Flugsicherheitsexperten in Brüssel sprach sich die EASA am Freitag gegen Flüge in einer Höhe von weniger als 25.000 Fuß (7.620 Metern) über den Iran aus. Zuvor hatte die EASA bereits empfohlen, Flüge über den Irak zu vermeiden. Die AUA teilte bereits mit, man werde Teheran bis einschließlich 20. Jänner nicht mehr anfliegen. Grund ist „die veränderte Einschätzung der Sicherheitslage“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

Sanktionen gegen Metallindustrie

Die US-Minister verkündeten zudem neue Sanktionen gegen acht Vertreter der iranischen Führung und gegen die Metallindustrie des Landes. US-Präsident Donald Trump hatte nach den iranischen Raketenangriffen auf von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak zwar keinen Militärschlag, aber neue Sanktionen gegen Teheran angekündigt.

Die nun verhängten Strafmaßnahmen richten sich gegen acht iranische Regierungs- und Militärverantwortliche. Sie seien an den Bemühungen Teherans zur Destabilisierung des Nahen Ostens beteiligt, so Mnuchin. Ihnen wird auch eine Beteiligung oder Komplizenschaft an den Raketenangriffen vorgeworfen. Mögliches Vermögen der Männer in den USA wird eingefroren, Transaktionen mit ihnen werden untersagt. Verhängt wurden auch Sanktionen gegen 17 iranische Stahl-, Aluminium-, Kupfer- und Eisenunternehmen. Damit würden der Führung in Teheran Finanzmittel in Milliardenhöhe entzogen, sagte Mnuchin.

Keine Einzelheiten zu Soleimani

Der Iran hatte mit den Raketenangriffen auf die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff im Irak reagiert. Die US-Regierung hat die Tötung damit begründet, dass Soleimani Angriffe gegen US-Soldaten und Diplomaten in der Region geplant habe.

Einzelheiten nannte die US-Regierung bisher aber nicht. Außenminister Pompeo sagte am Freitag, Soleimani habe eine „großangelegte Attacke“ unter anderem gegen US-Botschaften geplant.

EU: Iran soll an Atomdeal festhalten

In Brüssel fand am Freitag ein EU-Sondertreffen zu dem Konflikt statt. Die EU forderte danach Teheran auf, sich nicht aus dem internationalen Atomabkommen zurückzuziehen. „Wir wollen diese Vereinbarung retten“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Denn ohne das Abkommen von 2015 hätte „der Iran heute eine Atombombe“. Borrell fügte aber hinzu, er wisse nicht, ob die Rettung der Vereinbarung noch möglich sei.

Der Iran zieht sich schon seit dem Ausstieg der USA im Mai 2018 schrittweise aus dem Atomabkommen zurück. Denn die EU konnte ihr Versprechen nicht erfüllen, die wirtschaftlichen Folgen wiedereingeführter US-Sanktionen gegen den Iran aufzufangen. Borrell gestand das ein: Die extra dafür geschaffene Gesellschaft Instex „funktioniert nicht“, sagte er.

Borrell warnte nun aber davor, das endgültige Scheitern des Abkommens dadurch herbeizuführen, dass dessen Streitschlichtungsmechanismus aktiviert werde. Das könnte ohne Einigung dazu führen, dass mit dem Atomabkommen aufgehobene UNO-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt würden. Bei dem Treffen in Brüssel habe es unter den Ministern das „allgemeine Verständnis“ gegeben, sich dafür einzusetzen, „zu verhindern, dass das passiert“. „Wir stehen zum Atomabkommen“, so auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg.