Szene aus der Oper „Salome“
Werner Kmetitsch
„Salome“

Keine Angst vor Puppen und Pathos

Als Skandaloper hat Richard Strauss’ „Salome“ bei ihrer Uraufführung 1905 gegolten – und wurde trotz Aufführungsverboten zum Welterfolg. Im Theater an der Wien wird der Einakter nun in einer noch nie gehörten Orchesterfassung auf die Bühne gebracht. Regie führt Nikolaus Habjan, der zwei seiner längst legendären Puppen mitbringt und sich, wie er im ORF.at-Gespräch erzählt, nicht vor Pathos fürchtet.

Schon das der Oper als Libretto zugrunde liegende Theaterstück von Oscar Wilde sorgte Ende des 19. Jahrhunderts für Erregung und wurde zensiert. Als völlig untragbar wertete man die Bearbeitung des biblischen Stoffs mit dem Erwachen der sexuellen Begierde Salomes als zentralem Motiv. „Das Stück ist eine komplett männliche Sicht auf eine Frau“, so Habjan.

„Herodes, Jochanaan, Narraboth – alle starren die Prinzessin an.“ In diesem System sei Salome aufgewachsen: „‚Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern?‘ singt Salome – das sind ja auch ganz starke Bilder“, erläutert der Regisseur.

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Szene aus der Oper „Salome“
Werner Kmetitsch
Marlis Petersen verschwindet hier hinter der Salome-Puppe. Als Herodes ist John Daszak zu sehen, als Jochanaan Johan Reuter.
Szenen aus der Oper „Salome“
Werner Kmetitsch
Die Puppe symbolisiert die Vorstellungen der Männer von Salome, „eine Projektionsfläche“, wie Habjan sagt
Szenen aus der Oper „Salome“
Werner Kmetitsch
Auch das Bühnenbild von Julius Theodor Semmelmann arbeitet mit Gegensätzen
Radiosymphonieorchester während der Oper „Salome“
Werner Kmetitsch
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ist unter der Leitung von Leo Hussein zu hören

Der Kopf auf dem Silbertablett

Zu „Salome“ gäbe es unglaublich viele Erwartungshaltungen – etwa die Vorstellung von Jochanaans Kopf auf dem Silbertablett. Die ikonenhaften Bilder würden ihn interessieren – gleichzeitig will er sie aber hinterfragen – und hier kommen die bereits erwähnten Puppen ins Spiel.

Der Einsatz der Figuren sei als zusätzliche dramaturgische Ebene gedacht – „ein szenisches Mittel“ des Regisseurs, der neben einem abgeschlossenen Musiktheaterstudium auf eine beeindruckende Inszenierungsliste verweisen kann. Zwei von Habjans designte Puppen werden in der Produktion zu sehen sein: Salome und Jochanaan. Jene der Salome symbolisiere das, was die Männer in ihr sehen. Man könne die Entwicklung der Titelfigur mit jener einer Raupe, über die Puppe, zum Schmetterling vergleichen – „genauso etwas passiert mit Salome, die plötzlich eine Kraft entwickelt, die sie selbst nicht einschätzen kann – und wir wissen alle, wohin das führt“, so Habjan.

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Nikolaus Habjan hinter einer Puppe
ORF.at/Roland Winkler
„Beim Puppenspiel ist es auch so: Wenn das richtig gemacht wird, verschwindet die Person hinter der Puppe.“ Nikolaus Habjan ist bei „Salome“ als Regisseur im Einsatz – den Kopf Jochanaans führt er beim ORF.at-Gespräch trotzdem vor.
Nikolaus Habjan
ORF.at/Roland Winkler
„Zur Salome gibt es unglaublich viele Erwartungshaltungen. Man denkt sofort an das Bild von Jochanaans Kopf auf dem Silbertablett“: In seiner Inszenierung will Habjan die ikonenhaften Bilder hinterfragen.
Nikolaus Habjan
ORF.at/Roland Winkler
„Salome“ ist für Habjan wie eine Kurzgeschichte: „Man wird unmittelbar ins Geschehen hineingeworfen, und genauso unvermittelt wird man wieder rausgeworfen.“

Kein Schongang für die Sopranistin

Petersen, die im Theater an der Wien schon seit Jahren immer wieder nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihr schauspielerisches Talent zeigt, wird damit eine noch schwierigere Aufgabe zu bewältigen haben als sonst. Nicht nur, dass sie die schwierige Partie (in der sie im Vorjahr am Bayrischen Staatsschaupiel unter Kirill Petrenko debütierte) singt, und den berühmt-berüchtigten Schleiertanz tanzt – sie führt nebenbei auch noch eine Puppe.

Sie sei „hochdankbar“, dass sie die Partie zuvor schon einmal gesungen habe, betonte Petersen dementsprechend im APA-Interview, ihre Aufgabe sei schon eine „Herausforderung“. „Unglaublich“, bestätigt Habjan, was die Sopranistin in seiner Inszenierung leisten werde – „das ist alles andere als ein Schongang“.

Neubearbeitung für 59 Musiker

Musikalisch stellt „Salome“ die Opernhäuser vor eine schwierige Aufgabe – verlangt die Originalpartitur doch nach einem 106-köpfigem Orchester. Zu hören ist daher meist die von Strauss autorisierte reduzierte Fassung. Das erst zu Jahreswechsel ausgelaufenen Urheberschutzrecht nützte das Theater an der Wien nun, um eine neue Bearbeitung beim deutschen Komponisten Eberhard Kloke in Auftrag zu geben – und damit auch den räumlichen Gegebenheiten des Theaters gerecht werden zu können.

Er habe versucht, trotz der notwendigen Reduktion auf ein Orchester von 59 Musikern „eine Klangerweiterung durch die Ausdifferenzierung der Klänge“ zu erreichen, so Kloke im Magazin des Theaters an der Wien. Er habe sich aber eng an die Klangvorstellungen, die Strauss in der Partitur hinterlassen habe, gehalten und versucht, die Reduktion in dessen Sinn vorzunehmen – „sinnvoll, aber ohne, dass sie klingt wie ein Kammerstück“.

Von Schocksekunde zu Schocksekunde

Rund 100 Minuten kurz ist die Strauss’sche „Salome“, die im Theater an der Wien vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Leo Hussain zu hören sein wird.

Hinweis

„Salome“ ist am 18., 20., 23., 25., 28. und 30. Jänner jeweils um 19.00 Uhr im Theater an der Wien zu sehen. Ö1 überträgt die Premiere am 18. Jänner ab 19.00 live – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Für Habjan ist die Oper sowohl musikalisch als auch inhaltlich ein Bogen von einer Schocksekunde am Anfang bis zur Schocksekunde am Ende: „Es beginnt mit ‚Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht‘ und endet mit ‚Man töte dieses Weib‘. Dazwischen hat man das Gefühl, es vergeht nur eine Viertelstunde, in der man sich nicht atmen traut.“

Ein Werk also, das dem Regisseur und Puppenspieler im wahrsten Sinne des Wortes in die Hände spielt: Es sei sein höchstes Ziel, mit seiner Arbeit am Theater nicht nur den Kopf, sondern auch den Bauch und das Herz zu bemühen. Die im zeitgenössischen Theater oft negative Konnotation des Wortes „Pathos“ bedaure er deshalb – „es ist halt eine Gratwanderung. Salz ist beim Kochen unerlässlich. Zu viel ist schlecht, aber zu wenig ist auch nicht immer gut. Man muss einfach richtig würzen. Ich hab diese Angst vor Pathos nie gehabt.“