Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer
APA/Herbert Neubauer
Ministerrat

Mehr Personal für Pflege und Polizei geplant

Im zweiten Ministerrat der türkis-grünen Regierung sind am Mittwoch ein Schulversuch zur Pflegeausbildung und die geplante Personalaufstockung bei der Polizei auf der Tagesordnung gestanden. ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann zeigte sich bereits vor Beginn der Regierungssitzung überzeugt, mit dem Schulversuch eine „ganz wesentliche Maßnahme“ zu ergreifen.

Der Schulversuch im Pflegebereich werde bereits am Mittwoch in den Bildungsdirektionen ausgeschrieben, sagte Faßmann weiter. Man habe schon interessierte Schulen in Aussicht. Vorgesehen ist, dass der Schulversuch bereits im September startet. Er soll Interessierten ab 15 Jahren offenstehen und mit Matura abschließen. In diesen Schulversuch sollen 100 bis 150 Personen an mehreren Standorten in Österreich einbezogen werden, nach einem Jahr soll er evaluiert werden.

Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte nach dem Ministerrat neuerlich die Dringlichkeit von Reformen im Pflegesektor. Mit dem in der Regierungssitzung abgehandelten Schulversuch für bis zu 150 Schülerinnen und Schüler im Pflegesektor soll die Lücke nach der Sekundarstufe geschlossen werden, so der Ressortchef. In einem Jahr werde man das Modell evaluieren, dann werde man „in die Breite gehen“.

Bildungsminister Heinz Faßmann
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ÖVP-Bildungminister Heinz Faßmann erklärt den Schulversuch in Sachen Pflege

Schulfinanzierung zwischen Bund und Ländern

Wie Faßmann sprach auch Anschober im Pressefoyer von einem „extrem großen Interesse“ von verschiedenen Schulstandorten, die sich am Schulversuch beteiligen wollen. „Es gehen heute die Ausschreibungen für die verschiedenen Standorte bereits hinaus“, gestartet werde im September, so auch Anschober.

Der Plan sieht vor, eine fünfjährige Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege zu schaffen, die man mit Matura abschließen kann. Die Kosten für die allgemeinbildenden Unterrichtsfächer werden vom Bund (Bildungsministerium) getragen, jene für die facheinschlägige Ausbildung in der Pflegeassistenz/Pflegefachassistenz von den Bundesländern.

„Taskforce Pflege“ soll in nächsten Wochen starten

Darüber hinaus verwies Anschober auf die von ihm bereits kommunizierten Pläne im Pflegebereich: Es werde ein großes Paket für die pflegenden Angehörigen zu schnüren sein, als zweiter Punkt sei ihm die Qualitätssicherung bei der 24-Stunden-Betreuung daheim ein sehr wichtiges Anliegen. Und als dritten „großen Punkt“ nannte er das Ziel, die Zahl der Pflegefachkräfte deutlich zu erhöhen, „weil wir wissen, das wir bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf von rund 75.000 Pflegekräften haben“.

In den nächsten Wochen werde die angekündigte „Taskforce Pflege“ starten und dann auch die Zielsteuerungsgruppe von Bund, Ländern und Gemeinden. Ein wichtiges Anliegen ist es Anschober, auch auf die Hilfsorganisationen zuzugehen. Es gelte, die NGOs „in diesen Arbeitsprozess“ zu integrieren. Die nächsten konkreten Schritte sollen in ein paar Wochen folgen: „Sie können mich da in drei bis vier Wochen im Detail befragen, wie es hier weitergeht.“ Klar sei, dass man vor „enormen Herausforderungen“ stehe. Das Thema stehe daher „ganz oben auf der Agenda“, versicherte er.

Themen des Ministerrats unter der Lupe

ORF-Innenpolitikredakteurin Simone Stribl hat die Themen des Ministerrates unter die Lupe genommen und analysiert. Vor allem beim Thema Pflege liegt noch viel Arbeit vor der Regierung.

„Einer der schwierigsten Berufe überhaupt“

Wichtig sei auch, die Arbeitsbedingungen im Pflegesektor zu verbessern, sagte der Ressortchef. „Es ist ein Bereich, der eine enorme Wertschätzung verdient. Es ist einer der schwierigsten Berufe überhaupt, aus psychologischer, aber auch aus physischer Sicht.“ Die Pflege sei aber nicht nur ein Thema für die unmittelbar Betroffenen selbst, sondern eines, „von dem wir alle betroffen sind“ – oder einmal betroffen sein werden, sagte er.

Lob aus dem Pflegebereich

Während die Opposition die Pflegevorhaben der Regierung kritisierte, kam Lob aus der Vertretung des Pflegebereichs. So sah etwa der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) eine langjährige Forderung erfüllt. Bei der Caritas ist man erfreut, dass der Weg für den Start der ersten Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege in Gaming frei sei.

Schon im Herbst solle gestartet werden. Als wichtige flankierende Maßnahme nannte wiederum der Pflegeverband ÖGKV, klar zwischen Betreuung und fachpflegerischer Intervention zu unterscheiden. Zudem seien weitere Fördermaßnahmen für Berufsumsteiger wie voller Zeit- und Lohnausgleich während aller Ausbildungsvarianten und Qualifikationsstufen sowie die Nutzung von Kompetenzen aus vorangegangenen Berufen auf den Weg zu bringen.

Zwei große Themen im Ministerrat

Der Fachkräftemangel in der Pflege und eine Ausbildungsoffensive bei der Polizei waren die großen Themen im Ministerrat am Mittwoch.

Der klare Vorteil des aktuellen Konzepts liege darin, dass beim Ausbildungsbeginn die Alterslücke für 15- bis 17-Jährige geschlossen wird, so die GÖD-Gesundheitsgewerkschaft. Das neue Modulsystem mit differenzierten Ausprägungen und variabler Ausbildungsdauer ermögliche einen Abschluss mit Matura und somit auch den Zugang zum Pflegestudium, was einen unschätzbaren Wert bringe.

Die neue Schule trage maßgeblich zum Schluss einer „schmerzlichen Lücke“ in der derzeitigen Pflegeausbildung bei, so das Hilfswerk. Die Politik und mutige Träger müssten jetzt dranbleiben, den Schulversuch gut nutzen und als Regelmodell ausrollen. Vorsichtig positiv äußerte sich Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl: „Die Pflegeproblematik rasch anzugehen ist ganz im Sinne der AK.“ Der geplante Schulversuch sei ein richtiger erster Schritt.

Skepsis und Ablehnung der Opposition

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch begrüßte zwar, „dass die Regierung im Ministerrat die SPÖ-Forderung für eine BHS Pflege beschlossen hat“. 150 Plätze seien aber „zu wenig“. Hier sei „mehr Ambition nötig“.

Die FPÖ lehnte den Schulversuch zur Pflegeausbildung ab. Klubobmann Herbert Kickl und Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch wandten sich in einer Pressekonferenz gegen die vorgesehene Matura und meinten, man solle die Ausbildung nicht weiter „akademisieren“. Auch die angedachte Versicherungslösung zur Finanzierung lehnt die FPÖ ab.

Skeptisch war NEOS: Sozialsprecher Gerald Loacker verwies in einer Aussendung darauf, dass die Ausbildung erst 2016 reformiert worden sei. „Daran braucht man jetzt nicht schon wieder herumdoktern.“ Viel wichtiger und dringender wäre, die Pflegekräfte endlich aufzuwerten: mit mehr Rechten, mehr Handlungsspielraum und einer besseren Vergütung von pflegerischen Leistungen durch die Kasse.

Polizei: Nehammer will 4.300 Beamte mehr

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte beim „Doorstep“ im Kanzleramt, zwar habe man sich vorgenommen, „effizient aufs Sparen zu schauen“, man werde aber „genau dort, wo offenkundig mehr (Personal, Anm.) gebraucht wird, auch mehr zur Verfügung stellen“.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) brachte am Mittwoch im Ministerrat die angekündigte Personaloffensive bei der Polizei auf den Weg. Begonnen wurde mit der Personalaufstockung bereits unter Türkis-Blau, jetzt soll sie 200 Beamte mehr umfassen. Ziel sei es, bis zum Ende der Legislaturperiode 4.300 Polizisten mehr zu haben, so Nehammer im Pressefoyer nach der Regierungssitzung.

Es sollen 2.300 zusätzliche Planstellen und 2.000 zusätzlichen Ausbildungsplanstellen kommen. Der Rekrutierungsstand liegt laut dem Innenminister derzeit bei 1.600. Die ersten Polizisten sollen somit im Sommer des heurigen Jahres auf Dienststellen in ganz Österreich verteilt werden.

Argumente von Migrantionskrise bis Cyberkriminalität

Die Herausforderungen für die Polizei würden immer größer, so Nehammer, der diesbezüglich auf die Migrationskrise im Jahr 2015 und auf den aktuellen Cyberangriff auf das Außenministerium verwies: „Kriminalität verändert sich.“ Daher müssten auch neue Sondereinheiten geschaffen werden.

Die zusätzlichen Planstellen würden die Rahmenbedingungen für eine moderne Polizei schaffen und Spezialisierungen wie zur Bekämpfung der Cyberkriminalität ermöglichen. „Sicherheit ist ein Grundbedürfnis in der Bevölkerung“, so Nehammer. Es sei Aufgabe der Politik, die Polizei, die für dieses Sicherheitsgefühl sorge, „an sich zu stärken“, sagte er: „Das ist das Ziel der Sicherheitsoffensive.“

Beschwerdestelle soll kommen

Angesprochen auf die Entscheidung des Wiener Landesverwaltungsgerichts, wonach eine Amtshandlung der Polizei gegen einen Aktivisten bei einer Klimademo in Wien zumindest teilweise rechtswidrig war, meinte Nehammer, dass die zuständige Landespolizeidirektion Wien angewiesen wurde, Konsequenzen zu ziehen. Es solle aber nicht das Bild der Polizei insgesamt darunter leiden. Gleichzeitig verwies Nehammer darauf, dass Gewaltübergriffe gegen Polizisten dramatisch zunehmen würden. Vergangenes Jahr sei es zu rund 1.000 Körperverletzungen bei Polizisten im Einsatz gekommen.

Das müsse man ernst nehmen und Maßnahmen ergriffen werden, um das zu verhindern. Umgekehrt sollen Missbrauchsvorwürfe gegen Polizeibeamte künftig von einer unabhängigen Beschwerdestelle im Innenministerium geprüft werden. Er habe den Generalsekretär angewiesen, ein entsprechendes Projekt aufzusetzen, sagte der Innenminister.

Opposition abwartend bis kritisch

Eine „richtige Richtung“ konstatierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch der angekündigten Polizeiaufstockung. Die Regierung habe so eine „langjährige Forderung der SPÖ aufgegriffen“, so Deutsch, jetzt müssten den Ankündigungen Taten folgen. Kritik kam auch von der FPÖ.

„Dem neuen Innenminister scheint unsere Polizei lediglich drei Minuten und 25 Sekunden wert zu sein – so lange dauerte heute nämlich Nehammers erstes öffentliche Statement im Pressefoyer nach dem Ministerrat“, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Er bemängelte, dass Migration kein Sicherheitsthema für Nehammer mehr sei. „Abwartend positiv“ hingegen war die Haltung von NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, zur Personaloffensive der Polizei, begrüßenswert sei, dass bereits für die zu erwartende Pensionierungswelle bei der Polizei vorgesorgt wird. Es würde jedoch an Konkretisierungen mangeln.