Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew mit Präsident Wladimir Putin
AP/Alexander Zemlianichenko
Nach Putin-Rede

Regierung Medwedew tritt zurück

Nach der Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch die von Premier Dmitri Medwedew angeführte Regierung überraschend ihren Rücktritt eingereicht. Medwedew habe Putin über diesen Schritt informiert, nachdem dieser eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt hatte. Bereits geklärt ist unterdessen, wer Medwedew als neuer Regierungschef nachfolgen wird.

Die Vorschläge des Präsidenten zu „grundlegenden Änderungen an der Verfassung“ sähen Medwedew zufolge erhebliche Änderungen im „Gleichgewicht der Kräfte“ vor, sagte Medwedew. „Als Regierung der Russischen Föderation müssen wir dem Präsidenten unseres Landes die Möglichkeit geben, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen", sagte Medwedew im russischen Fernsehen. Deshalb sei die Regierung in ihrer jetzigen Form zurückgetreten“.

Nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen habe Putin Medwedew im Rahmen eines „Arbeitsgesprächs“ aufgerufen, mit seinem Kabinett noch so lange im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung gefunden und einberufen sei. Putin dankte in der Folge der Regierung für ihre Arbeit. Es könne aber nicht alles gelingen, sagte er nach einem Vieraugengespräch mit Medwedew. Die Regierung stand wegen der Wirtschaftskrise im Land unter großem Druck.

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew mit Präsident Wladimir Putin
Reuters/Sputnik Photo Agency
Nach Putins Rede traf sich der russische Präsident laut Kreml mit Medwedew zu einem „Arbeitstreffen“

Chef von Steuerbehörde übernimmt

Neuer Premierminister wird Agenturmeldungen zufolge mit Michail Mischustin der bisherige Leiter der russischen Steuerbehörde. Mischustin habe bereits zugesagt, wie AP mit Verweis auf Angaben des Kremls am späten Nachmittag mitteilte. Der 53 Jahre alte Wirtschaftsexperte aus Moskau steht seit 2010 an der Spitze der Behörde. Das Parlament muss den Wunschkandidaten von Putin noch bestätigen – das wird für Donnerstag erwartet. Das gilt jedoch unter Beobachtern als Formsache.

Treffen mit Fraktionen und Abgeordneten

Zuvor werde sich Mischustin mit den einzelnen Fraktionen und Abgeordneten treffen, sagte Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin am späten Mittwochabend im staatlichen Fernsehen.

Mischustin ist bisher kaum politisch in Erscheinung getreten, weswegen bereits von einem möglichen Übergangskandidaten die Rede ist. Als weitere Anwärter auf den Regierungschefsessel wurden nach Medwedews Rücktrittserklärung zunächst der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin, der bisherige Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin und der amtierende Energieminister Alexander Nowak genannt.

Russlands Präsident Wladimir Putin und der neue Premierminister Mikhail Mishustin
APA/AFP/Sputnik/Alexey Nikolsky
Putin mit dem künftigen Premier, Mikahil Mischustin

Referendum angekündigt

Putin hatte in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt, dem Parlament im Zuge einer Verfassungsreform mehr Macht einräumen zu wollen. So soll das Parlament künftig den Regierungschef und die führenden Kabinettsmitglieder bestimmen. Bisher schlägt der Präsident den Regierungschef vor, und die Duma – das russische Parlament – stimmt über ihn ab. Zudem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden. An dem starken Präsidialsystem wolle er aber festhalten.

Über die Verfassungsänderungen sollen Putins Angaben zufolge die russischen Wähler im Rahmen eines Referendums mitentscheiden. Offen bleibt, ob auch die Anzahl der Amtszeiten Teil der Abstimmung sein wird. Darüber wird laut Putin diskutiert – er selbst halte das aber „nicht für ausschlaggebend“.

Seit 2000 an der Macht

Klare Aussagen über seine politische Zukunft sparte Putin allerdings aus. Kritiker werfen ihm vor, bereits an seinem Machterhalt über das Jahr 2024 hinaus zu arbeiten, in dem seine Amtszeit als Präsident endet und er gemäß der Verfassung abtreten muss. Spekuliert wurde neben einer Verfassungsänderung für eine weitere Kandidatur auch darüber, dass Putin dem Parlament mehr Macht verleihen und als Ministerpräsident mit größeren Befugnissen weiterregieren könnte.

Russlands Präsident Wladimir Putin während seiner Rede an die Nation
Reuters/Shamil Zhumatov
Bei seiner Rede zur Lage der Nation kündigte Putin eine Verfassungsänderung an

Neuer Job für Medwedew

Im Dezember hatte sich Putin offen für eine Verfassungsreform gezeigt, die die Zahl der Amtszeiten eines Präsidenten stärker begrenzen könnte. Er signalisierte, die Zahl der präsidialen Amtszeiten könnte grundsätzlich auf zwei limitiert werden. Bisher begrenzt die Verfassung lediglich die Zahl der aufeinanderfolgenden Amtszeiten auf zwei. Putin selbst ist seit 1999 entweder als Präsident oder als Ministerpräsident an der Macht. 2024 endet seine vierte Amtszeit als Präsident.

Die genauen Hintergründe für den Regierungsrücktritt bleiben indes offen. Medwedew soll nach Angaben Putins nun Vizechef des Sicherheitsrates werden. „Ich halte es für möglich und bat ihn, sich in Zukunft mit Fragen dieser Kategorie zu befassen.“ Der 54 Jahre alte Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands. Danach übernahm der Jurist von Putin den Posten des Regierungschefs. Zudem ist er Vorsitzender der Kreml-Partei Geeintes Russland.

Verfassungsreform könnte Putins Machterhalt dienen

Der Rücktritt und die Ankündigung einer Verfassungsreform durch Putin könnte dazu dienen, den Machterhalt für diesen zu sichern. Diese These unterstützte am Mittwochabend der Politologe Gerhard Mangott im Interview mit der ZIB2. Die wirklichen Vorhaben seien aber noch nicht klar, so der Russland-Experte von der Universität Innsbruck.

Russland-Experte Mangott über Regierungsrücktritt

Russland-Experte Gerhard Mangott spricht über mögliche Ursachen für den Rücktritt der russischen Regierung.

So stelle sich die Frage, ob Putin eventuell als Präsident oder als Regierungschef, allerdings in einem „kompetenteren Amt“ als bisher, weitermachen wolle, sagte Mangott. Allerdings sei die Regierung des zurückgetretenen Premiers Medwedew in der Bevölkerung „diskreditiert“ gewesen. Daher brauche Putin einen „Neustart“.

Möglicherweise wolle er auch suggerieren, dass Russland künftig „demokratischer“ werden solle. Allerdings müsse erst geklärt werden, ob das Parlament durch die Verfassungsreform tatsächlich gestärkt werde, so Mangott.