Sogar Kriegsdrohungen standen im Raum. In die jahrelang blockierten Gespräche mischten sich nun die USA als Vermittler ein. Die Gespräche in Washington mit Beteiligten aus allen drei an dem Projekt beteiligten bzw. betroffenen Staaten – Ägypten, Äthiopien und der Sudan – in der vergangenen Woche endeten nun mit einer vorläufigen Einigung für die Inbetriebnahme des Vier-Milliarden-Dollar-Projekts (3,6 Mrd. Euro).
Festgelegt wurde in dieser ersten Einigung, dass die Befüllung des Damms bereits in der kommenden Regensaison, üblicherweise zwischen Juli und August, beginnen soll. Ende des Jahres könnte dann der erste Strom erzeugt werden, geht es nach den Wünschen Äthiopiens. Zugleich soll es aber auch Richtlinien geben, um im Fall von Dürre in Ägypten und im Sudan entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Details wurden bisher aber noch nicht veröffentlicht. Zudem wurde betont, dass die vorläufigen Entscheidungen erst mit einem finalen Abkommen endgültig sind. Dafür sind Ende Jänner erneut Gespräche in Washington vereinbart.
Strittige Dauer der Befüllung
Die entscheidende Frage über die seit Jahren gestritten wird, ist der Zeitraum der Befüllung des Staubeckens. Das nach seiner Fertigstellung größte Wasserkraftwerk Afrikas fasst eine Kapazität von rund 74 Milliarden Kubikmeter. Je länger es dauert, das Becken zu füllen, desto schwächer sind auch die Auswirkungen auf das Flussniveau. Vor allem Ägypten wollte Zusicherungen haben, dass die Befüllung im Fall von Dürre verlangsamt werde.
In den bisherigen Verhandlungen forderte Ägypten einen Befüllungszeitraum von zwölf bis 21 Jahren – für Äthiopien inakzeptabel. Nach der von den USA begleiteten neuerlichen Verhandlungsrunde meinte Ägypten nun, dass der Damm in mehreren Etappen befüllt werden könne und unter normalen Bedingungen auch innerhalb von sechs bis sieben Jahren. Wenn diese Frage auch im finalen Abkommen fixiert wird, wäre das der endgültige Durchbruch in einer jahrelang schwelenden Konfliktsituation.
Streit über Kontrolle des Nils
Beide Länder fühlten sich durch die Position des anderen bedroht. Ägypten, das weiter stromabwärts einen eigenen Staudamm hat, befürchtet, dass mit dem Grand-Renaissance-Damm Äthiopien den Nil als längsten Fluss Afrikas kontrollieren könnte, berichtete BBC. Zudem sind die rund 100 Millionen Ägypter nahezu vollständig für seine Wasserversorgung vom Nil abhängig. Auch der Schiffstransport könnte schwieriger werden.
Die Kontrolle über den Nil geht bereits auf einen Vertrag von 1929 und einem darauf folgenden von 1959 zurück. Darin wurden Ägypten und dem Sudan nahezu alle Rechte am Nilwasser gegeben. Das Dokument aus der Kolonialzeit gab Ägypten zudem eine Vetomöglichkeit über Projekte von stromaufwärts liegenden Ländern. Der Nil fließt durch insgesamt elf Länder.
Nachbarstaaten würden profitieren
Äthiopien fühlte sich nicht an diese Verträge gebunden und begann nahezu zeitgleich mit dem Ausbruch des „arabischen Frühlings“ im März 2011 mit dem Bau des Damms. Ein Großteil der äthiopischen Bevölkerung hat keinen Zugang zum Stromnetz. Das Land hofft mit dem Kraftwerk nicht nur das ganze Land mit Elektrizität versorgen zu können und der Wirtschaft einen Auftrieb zu geben, sondern auch Strom exportieren zu können.
Das Kraftwerk soll eine Kapazität von mehr als 6.000 Megawatt haben. Davon würden Nachbarländer wie der Sudan, der Südsudan, Kenia und Eritrea profitieren. Der Sudan hätte noch andere Vorteile aus dem äthiopischen Staudammprojekt, würden doch der Fluss durch den Damm reguliert und die regelmäßigen Überflutungen im August und September eingedämmt.
Äthiopien kann „keine Kraft“ stoppen
In den vergangenen Jahren gab es vor allem von Äthiopien wie auch von Ägypten immer wieder harsche Töne mit der Bereitschaft, auch mit Gewalt die eigenen Interessen durchzusetzen. Erst im Oktober vergangenen Jahres betonte der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed, dass „keine Kraft“ Äthiopien stoppen könne, den Damm zu bauen.
Der ägyptische Präsident Abdel-Fattah al-Sisi wiederum meinte noch vor wenigen Monaten, dass er Äthiopien niemals erlauben werde, eine „De-facto-Situation“ zu schaffen, indem der Damm ohne Abkommen gefüllt werde. Dieses Abkommen könnte es nun Ende Jänner geben.
Erstes Grundsatzabkommen schon 2015
Ein erstes gemeinsames Grundsatzabkommen gab es allerdings bereits 2015. Die International Crisis Group (ICG) bezeichnete diese Einigung als „bedeutenden Kompromiss“. Ägypten ließ seinen Widerstand gegen Großprojekte am Nil fallen, der Sudan signalisierte mehr Flexibilität in seiner Position und Äthiopien gestand zu, „bedeutenden Schaden“, der durch das Dammprojekt entstehen könnte, zu verhindern.
Seit diesem Grundsatzabkommen gab es aber trotz regelmäßiger Treffen keine weiteren Fortschritte mehr. Erst mit der Machtübernahme durch den äthiopischen Premier Abiy kam wieder mehr Bewegung in die Gespräche. Ende Jänner könnte es nun endgültig grünes Licht für das größte Wasserkraftwerk Afrikas geben.