Baustelle der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre bei Sonnenuntergang, 2019
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Dialog mit Ägypten

Durchbruch für Äthiopiens Megastaudamm

Mit einem Megastaudamm am Blauen Nil, einem wichtigen Arm im Flusssystem des Nils, möchte Äthiopien zu einem der größten Stromproduzenten Afrikas aufsteigen. Heuer soll bereits der erste Strom produziert werden. Doch Ägypten, das für seine Wasserversorgung nahezu ausschließlich vom Nil abhängig ist, legte sich bisher quer. Nun gibt es aber nach jahrelangem Patt eine vorläufige Einigung.

Sogar Kriegsdrohungen standen im Raum. In die jahrelang blockierten Gespräche mischten sich nun die USA als Vermittler ein. Die Gespräche in Washington mit Beteiligten aus allen drei an dem Projekt beteiligten bzw. betroffenen Staaten – Ägypten, Äthiopien und der Sudan – in der vergangenen Woche endeten nun mit einer vorläufigen Einigung für die Inbetriebnahme des Vier-Milliarden-Dollar-Projekts (3,6 Mrd. Euro).

Festgelegt wurde in dieser ersten Einigung, dass die Befüllung des Damms bereits in der kommenden Regensaison, üblicherweise zwischen Juli und August, beginnen soll. Ende des Jahres könnte dann der erste Strom erzeugt werden, geht es nach den Wünschen Äthiopiens. Zugleich soll es aber auch Richtlinien geben, um im Fall von Dürre in Ägypten und im Sudan entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Details wurden bisher aber noch nicht veröffentlicht. Zudem wurde betont, dass die vorläufigen Entscheidungen erst mit einem finalen Abkommen endgültig sind. Dafür sind Ende Jänner erneut Gespräche in Washington vereinbart.

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Arbeiter blickt über die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre, 2019
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Die Baustelle für den Grand-Renaissance-Staudamm ist rund elf Quadratkilometer groß.
Baukran auf der Baustelle der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre, 2013
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Der Staudamm wird in Äthiopien nahe der Grenze zum Sudan errichtet. Tausende Arbeiter sind in mehreren Schichten im Einsatz.
Brücke nahe der Baustelle der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre, 2013
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Das Kraftwerk entsteht am Blauen Nil, einem wichtigen Zufluss des Nil
Blick auf die Baugrube
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2011 wurden die Bauarbeiten begonnen. Hier ist der Baufortschritt drei Jahre später zu sehen.
Baustelle der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre, 2014
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Äthiopien möchte bereits Ende des Jahres die ersten Turbinen starten und Strom erzeugen
Blick auf die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre, 2015
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Mehr als die Hälfte der äthiopischen Haushalte hat keinen Zugang zu Elektrizität. Das Kraftwerk soll Abhilfe schaffen. Äthiopien will den übrigen Strom sogar exportieren.
Blick auf den Damm mit Arbeitern, 2015
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Eigentlich sollte das Kraftwerk bereits 2017 in Betrieb gehen. Missmanagement und Korruptionsvorwürfe begleiteten den Bau.
Arbeiter auf der Baustelle, 2015
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Der Stausee soll 74 Milliarden Kubikmeter Wasser fassen. Über die Dauer der Befüllung des künstlichen Sees wurde jahrelang gestritten. Mit Ende Jänner könnte es eine endgültige Einigung geben.
Schweißer auf der Baustelle, 2019
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Bei Gesprächen in Washington gab es vor wenigen Tagen bereits eine vorläufige Einigung zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan über die weitere Vorgangsweise bei der Inbetriebnahme des Kraftwerks
Aufgestaute Wassermassen, 2019
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Ägypten fürchtet um seine Wasserversorgung, hängt das Land doch nahezu vollständig vom Nil ab, und erwartet Garantien von Äthiopien im Fall von extremer Trockenheit
Blick auf die Talsperre, 2019
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Der Grand-Renaissance-Damm ist inzwischen auf eine Länge von 1,8 Kilometern mit einer 145 Meter hohen Staumauer gewachsen
Arbeiter auf der Baustelle der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre mit dem blauen Nil im Hintergrund, 2019
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Rund 70 Prozent des gesamten Projekts sind bis jetzt fertiggestellt. In der kommenden Regensaison im Juli und August soll mit der Befüllung des Wasserreservoirs stufenweise begonnen werden.

Strittige Dauer der Befüllung

Die entscheidende Frage über die seit Jahren gestritten wird, ist der Zeitraum der Befüllung des Staubeckens. Das nach seiner Fertigstellung größte Wasserkraftwerk Afrikas fasst eine Kapazität von rund 74 Milliarden Kubikmeter. Je länger es dauert, das Becken zu füllen, desto schwächer sind auch die Auswirkungen auf das Flussniveau. Vor allem Ägypten wollte Zusicherungen haben, dass die Befüllung im Fall von Dürre verlangsamt werde.

In den bisherigen Verhandlungen forderte Ägypten einen Befüllungszeitraum von zwölf bis 21 Jahren – für Äthiopien inakzeptabel. Nach der von den USA begleiteten neuerlichen Verhandlungsrunde meinte Ägypten nun, dass der Damm in mehreren Etappen befüllt werden könne und unter normalen Bedingungen auch innerhalb von sechs bis sieben Jahren. Wenn diese Frage auch im finalen Abkommen fixiert wird, wäre das der endgültige Durchbruch in einer jahrelang schwelenden Konfliktsituation.

Streit über Kontrolle des Nils

Beide Länder fühlten sich durch die Position des anderen bedroht. Ägypten, das weiter stromabwärts einen eigenen Staudamm hat, befürchtet, dass mit dem Grand-Renaissance-Damm Äthiopien den Nil als längsten Fluss Afrikas kontrollieren könnte, berichtete BBC. Zudem sind die rund 100 Millionen Ägypter nahezu vollständig für seine Wasserversorgung vom Nil abhängig. Auch der Schiffstransport könnte schwieriger werden.

Die Kontrolle über den Nil geht bereits auf einen Vertrag von 1929 und einem darauf folgenden von 1959 zurück. Darin wurden Ägypten und dem Sudan nahezu alle Rechte am Nilwasser gegeben. Das Dokument aus der Kolonialzeit gab Ägypten zudem eine Vetomöglichkeit über Projekte von stromaufwärts liegenden Ländern. Der Nil fließt durch insgesamt elf Länder.

Nachbarstaaten würden profitieren

Äthiopien fühlte sich nicht an diese Verträge gebunden und begann nahezu zeitgleich mit dem Ausbruch des „arabischen Frühlings“ im März 2011 mit dem Bau des Damms. Ein Großteil der äthiopischen Bevölkerung hat keinen Zugang zum Stromnetz. Das Land hofft mit dem Kraftwerk nicht nur das ganze Land mit Elektrizität versorgen zu können und der Wirtschaft einen Auftrieb zu geben, sondern auch Strom exportieren zu können.

Das Kraftwerk soll eine Kapazität von mehr als 6.000 Megawatt haben. Davon würden Nachbarländer wie der Sudan, der Südsudan, Kenia und Eritrea profitieren. Der Sudan hätte noch andere Vorteile aus dem äthiopischen Staudammprojekt, würden doch der Fluss durch den Damm reguliert und die regelmäßigen Überflutungen im August und September eingedämmt.

Äthiopien kann „keine Kraft“ stoppen

In den vergangenen Jahren gab es vor allem von Äthiopien wie auch von Ägypten immer wieder harsche Töne mit der Bereitschaft, auch mit Gewalt die eigenen Interessen durchzusetzen. Erst im Oktober vergangenen Jahres betonte der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed, dass „keine Kraft“ Äthiopien stoppen könne, den Damm zu bauen.

Abdel Fattah El-Sisi und Abiy Ahmed
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Äthiopiens Premierminister Abiy (li.) und der ägyptische Präsident Sisi zeigten sich noch vor wenigen Monaten kompromisslos

Der ägyptische Präsident Abdel-Fattah al-Sisi wiederum meinte noch vor wenigen Monaten, dass er Äthiopien niemals erlauben werde, eine „De-facto-Situation“ zu schaffen, indem der Damm ohne Abkommen gefüllt werde. Dieses Abkommen könnte es nun Ende Jänner geben.

Erstes Grundsatzabkommen schon 2015

Ein erstes gemeinsames Grundsatzabkommen gab es allerdings bereits 2015. Die International Crisis Group (ICG) bezeichnete diese Einigung als „bedeutenden Kompromiss“. Ägypten ließ seinen Widerstand gegen Großprojekte am Nil fallen, der Sudan signalisierte mehr Flexibilität in seiner Position und Äthiopien gestand zu, „bedeutenden Schaden“, der durch das Dammprojekt entstehen könnte, zu verhindern.

Seit diesem Grundsatzabkommen gab es aber trotz regelmäßiger Treffen keine weiteren Fortschritte mehr. Erst mit der Machtübernahme durch den äthiopischen Premier Abiy kam wieder mehr Bewegung in die Gespräche. Ende Jänner könnte es nun endgültig grünes Licht für das größte Wasserkraftwerk Afrikas geben.