UNHCR: Migranten in Libyen als Kämpfer rekrutiert

Im Libyen-Krieg werden Migranten nach Informationen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) nicht nur erpresst und als Zwangsarbeiter ausgebeutet, sondern auch von beiden Seiten zum Kampf gedrängt. „Menschen, die in Internierungslagern waren, berichten, dass sie vor die Wahl gestellt wurden, dort für unbestimmte Zeit zu bleiben oder an der Front zu kämpfen“, sagte der Sonderbeauftragte des UNHCR für das zentrale Mittelmeer, Vincent Cochetel. Um wie viele Menschen es gehen könnte, konnte er nicht sagen.

„Wir haben festgestellt, dass diese Rekrutierungsbemühungen vor allem auf Sudanesen abzielten. Wir vermuten, dass es daran liegt, dass sie Arabisch sprechen können. Sie werden von beiden Seiten rekrutiert“, führte Cochetel aus. „Wenn sie sich dafür entschieden, wurden sie mit Uniform und Gewehr ausgestattet und direkt in diesem städtischen Guerilla-Krieg eingesetzt.“ UNHCR ist als eine von wenigen internationalen Organisationen in Libyen präsent und erhält auch gelegentlich Zugang zu Internierungslagern. Aus Sicherheitsgründen hat die Organisation zuletzt Mitarbeiter reduziert.

In Libyen tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg. General Chalifa Haftar kontrolliert weite Teile des Landes und kämpft mit Verbündeten gegen die international weitgehend anerkannte Regierung in Tripolis unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch. Dessen Regierung beherrscht nur kleine Gebiete. Die Türkei unterstützt die Regierung von Sarradsch auch militärisch. Russland stärkt – wie Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) – General Haftar.

Athen droht mit Blockade von EU-Beschlüssen

Internationale Akteure treffen sich am Sonntag in Berlin zu einem Libyen-Gipfel. Dabei gibt es Unmut über die Teilnehmerliste. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beschwerte sich schriftlich bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber, dass Athen nicht zu dem Treffen eingeladen wurde. Griechenland droht mit einer Blockade aller EU-Beschlüsse zu Libyen, solange die Führung in Tripolis ein mit der Türkei geschlossenes Seegrenzenabkommen nicht annulliert.

Die Vertragspartner teilen sich darin ihre Einfluss- und Interessenszonen im Mittelmeer auf. Konkret geht es darum, wer in potenziell erdgasreichen Mittelmeer-Regionen forschen und bohren darf und wer nicht. Der UNHCR-Sonderbeauftragte Cochetel hält die Möglichkeiten der europäischen Staaten in dem Konflikt angesichts der beteiligten Akteure dagegen für gering. „Hier in Europa überschätzen wir den Einfluss Europas auf Libyen“, sagte er.

3.000 Menschen in Internierungslagern

Nach UNHCR-Angaben gibt es in Libyen 650.000 Migranten und 43.000 Flüchtlinge. Ungefähr 3.000 Menschen befänden sich derzeit in Internierungslagern. Die Zustände dort variierten von schlecht bis furchtbar, so Cochetel. In besseren Lagern gebe es Probleme mit sanitärer Versorgung, es grassierten Krankheiten wie Tuberkulose. In den schlimmeren Lagern gebe es Folter, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Vergewaltigungen.