Corona-Virus Zellen
Reuters/NIAID
Mysteriöses Virus in China

Ausmaß womöglich viel größer als gemeldet

Das Ausmaß einer mysteriösen Lungenkrankheit in China ist nach Einschätzung von Gesundheitsexpertinnen und -experten deutlich größer als von den chinesischen Behörden gemeldet. Die tatsächliche Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus Infizierten liege wahrscheinlich bei mehr als 1.700, heißt es.

Diese Zahl wird in einem am Freitag vom Zentrum für die Analyse globaler Viruserkrankungen in London vorgelegten Forschungsbericht genannt. Die Behörden in der chinesischen Metropole Wuhan, wo das Virus im Dezember erstmals aufgetreten war, gaben bisher zwei Todesfälle und 62 Infektionen bekannt.

Die Londoner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich bis zum 12. Jänner insgesamt 1.723 Menschen in Wuhan mit dem Virus infiziert haben. Die Forscherinnen und Forscher begründeten ihre Schätzung mit dem Auftreten des Virus auch in Thailand und Japan, wo bisher insgesamt drei Infektionen gemeldet wurden.

Anlass zu größerer Sorge – aber noch kein Alarm

Dass die Krankheit von Wuhan aus auch ins Ausland gelangt sei, setze voraus, „dass es viel mehr Fälle gibt, als gemeldet worden sind“, sagte der Studienautor Neil Ferguson der BBC. „Ich bin deutlich besorgter als noch vor einer Woche“, sagte der Wissenschaftler. Es sei jedoch zu früh, um Alarm zu schlagen.

Am Mittwoch war nach Angaben der chinesischen Behörden der zweite Patient an der Lungenkrankheit gestorben. Der 69-Jährige hatte sich den Angaben zufolge am 31. Dezember mit dem Erreger infiziert. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Wuhan trat das Virus im Dezember zuerst auf einem Fischmarkt in Wuhan auf. Er wurde am 1. Jänner geschlossen.

17 neue Fälle in Wuhan

Aus Wuhan wurden am Wochenende 17 neue Erkrankungsfälle gemeldet, drei davon seien ernsthaft erkrankt, hieß es – laut Gesundheitsamt hätten Experten weitere Patienten untersucht, die in verschiedenen Spitälern der Stadt mit Lungenleiden unbekannter Ursache behandelt worden seien.

Das Alter der neu entdeckten Patienten reiche von 30 bis 79 Jahren. Die Behörden verfolgten jetzt, welche Personen mit ihnen engen Kontakt gehabt hätten. Die Stadt werde ihre Suche nach weiteren Verdachtsfällen ausweiten und Tests machen, kündigte das Gesundheitsamt an.

Zuletzt wurden laut „South China Morning Post“ („SCMP“) auch aus der südchinesischen Metropole Shenzhen zwei Verdachtsfälle gemeldet, einer aus Schanghai – offiziell wurden dazu bisher keine Angaben gemacht, berichtete die „SCMP“.

Keine Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen

Bisher wurde den Behörden zufolge keine Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen. Allerdings könne „nicht ausgeschlossen“ werden, dass es noch dazu komme. Ferguson sagte der BBC, die Wahrscheinlichkeit von Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sollte „ernster genommen“ werden als bisher. Es sei unwahrscheinlich, dass allein die Übertragung vom Tier auf den Menschen Ursache der Infektionen sei.

Einreisekontrollen auf drei US-Flughäfen

Die USA kündigten am Freitag Viruskontrollen an drei Flughäfen an, die mit der Elfmillionenmetropole Wuhan verbunden sind. Es handelt sich um die Airports von San Francisco und Los Angeles sowie den New Yorker Airport John F. Kennedy. An den drei Flughäfen träfen die meisten der Passagiere aus der chinesischen Millionenstadt ein, hieß es.

Das Risiko für US-Bürger sei derzeit zwar als gering einzustufen, dennoch sei nun Vorsorge getroffen worden. Die Passagiere müssen den Angaben zufolge einen Fragebogen ausfüllen und ihre Temperatur messen lassen. Reisende, die mögliche Krankheitssymptome aufweisen, müssten sich weiteren Untersuchungen und einem Diagnoseschnelltest unterziehen.

Nach Schätzung der Behörden könnten in den nächsten Wochen rund 5.000 Passagiere von den neuen Einreisebestimmungen betroffen sein. Die Behörde wird hundert zusätzliche Mitarbeiter an die drei Flughäfen abstellen. Auch in Thailand werden aus Wuhan eintreffende Passagiere bereits an mehreren Flughäfen auf das Virus getestet.

Noch keine Maßnahmen in China

China hat bisher keine Reisebeschränkungen erlassen. Insbesondere mit Blick auf das anstehende chinesische Neujahrsfest haben chinesische und Hongkonger Behörden aber umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen getroffen. In Hongkong wurden unter anderem Fiebermessstationen für ankommende Reisende eingerichtet. Rund um das Neujahrsfest sind jedes Jahr Millionen Chinesen in Zügen, Bussen und Flugzeugen unterwegs.

Expertenangaben zufolge ähnelt der neue Erreger dem SARS-Virus (Severe Acute Respiratory Syndrome). Unterschiede gibt es vor allem bei den Proteinen, mit denen das Virus an menschliche Zellen andockt. Bei der SARS-Pandemie waren 2002/2003 von China ausgehend weltweit rund 8.000 Menschen an der Lungenseuche erkrankt. Knapp 800 von ihnen starben.