„Keine Angleichung“ an EU-Regeln nach Brexit

Der britische Finanzminister Sajid Javid hat die Wirtschaft in seinem Land aufgerufen, sich von der Forderung nach einer Angleichung an EU-Regeln nach dem Brexit zu verabschieden. „Es wird keine Angleichung geben, wir werden keine Empfänger von Regeln sein, wir werden nicht im Binnenmarkt sein und wir werden nicht in der Zollunion sein“, sagte Javid der „Financial Times“ in einem gestern veröffentlichten Interview.

Unternehmen müssten sich dieser neuen Realität anpassen, so der Schatzkanzler. Immerhin hätten sie nun drei Jahre Zeit gehabt, um sich auf eine Veränderung der Handelsbeziehungen mit dem Kontinent einzustellen.

„Totengeläut für reibungslosen Handel“

Unternehmerverbände reagierten mit Unverständnis. „Das stellt das Totengeläut für den reibungslosen Handel dar“, sagte der Chef des Lebensmittelverbands in Großbritannien (Food and Drink Federation), Tim Rycroft. „Es wird bedeuten, dass Unternehmen sich auf teure neue Kontrollen, Prozesse und Abläufe einstellen müssen.“ Das könne zu höheren Preisen für britische Verbraucher führen.

Der Chef des Verbands der Automobilhersteller und -händler in Großbritannien (SMMT), Mike Hawes, warnte vor Milliardenkosten, die durch auseinanderdriftende Standards in der EU und Großbritannien entstehen könnten.

Übergangsphase bis Jahresende

Auch die Generalsekretärin des Verbands der britischen Industrie (Confederation of British Industry), Carolyn Fairbairn, zeigte sich besorgt. Selbst wenn die Loslösung von EU-Regeln für einige Unternehmen Vorteile bringe, sei die Anbindung an die EU-Standards für viele andere wichtig, um Jobs und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das gelte vor allem in den wirtschaftlich am stärksten benachteiligten Regionen des Landes.

Großbritannien soll die EU am 31. Jänner verlassen. In einer Übergangsphase bis Ende des Jahres wollen beide Seiten ein Abkommen über die neuen Beziehungen vereinbaren. Als Ziel hat London ausgegeben, keine Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im Handel einzuführen.

Brüssel stellt Bedingungen

Doch Brüssel will sich darauf nur einlassen, wenn sich die Briten auch an EU-Standards in Sachen Umwelt, Arbeitnehmerrechte und staatliche Wirtschaftshilfen einlassen.

Zudem drohen nicht tarifäre Handelshemmnisse, wenn sich London nicht langfristig zur Angleichung an EU-Produktstandards verpflichtet. Dann müssten Unternehmen aufwendige Verfahren in Kauf nehmen, damit ihre Produkte für den jeweils anderen Markt zugelassen werden.

Gibraltar erwägt Beitritt zum Schengen-Raum

Gibraltar erwägt indes einen Beitritt zum Schengen-Raum, um auch nach dem Brexit einen reibungslosen Grenzverkehr zu ermöglichen. „Ergibt es für die EU Sinn, dass 2,5 Quadratmeilen an der südlichsten Spitze der Iberischen Halbinsel für EU-Bürger nicht zugänglich sein sollten? Ich glaube nicht“, sagte Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo.

Gibraltar gehört seit 1713 zu Großbritannien, wurde aber regelmäßig von Spanien zurückgefordert. In den vergangenen Jahren – insbesondere seit die Briten 2016 den Brexit beschlossen – habe sich aber die „traditionelle Haltung“ Spaniens geändert, sagte Picardo. So habe der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez signalisiert, über „die ewige Frage der Souveränität“ hinausgehen und stattdessen Möglichkeiten zur „Verbesserung der Wirtschaft in der Region“ in den Blick zu nehmen zu wollen.