Saoirse Ronan in Greta Gerwig’s Little Women
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
„Little Women“

Wenn Frauen Freiheit fordern

Mit sechs Nominierungen geht Greta Gerwigs Literaturadaption „Little Women“ ins Rennen um die Oscars und beweist, dass die Themen des 150 Jahre alten Jugendromans aktuell wie eh und je sind. Vier junge Frauen im Amerika Mitte des 19. Jahrhunderts wollen ihr Leben selbstbestimmt gestalten und stoßen dabei auf Hindernisse, die teils heute noch nicht überwunden sind.

Die 36-jährige Gerwig gilt im „neuen“ Hollywood als kraftvolle Stimme weiblichen Selbstverständnisses und als Antwort der Millennials auf patriarchale Strukturen, die in Zeiten von „#MeToo“ und „Time’s Up“ immer noch vorherrschen. Eine Frau unter den Oscar-Nominierten 2020 für „Beste Regie“? Fehlanzeige.

Dafür darf sich „Little Women“ über Nominierungen in den Kategorien „Bester Film“, „Bestes adaptiertes Drehbuch“, „Beste Hauptdarstellerin“, „Beste Nebendarstellerin“, „Beste Filmmusik“ und „Bestes Kostümdesign“ freuen.

Nach dem preisgekrönten „Lady Bird“ (2017) hat Gerwig mit ihrem neuen Werk einen Literaturklassiker für die Leinwand adaptiert, der in den USA so etwas wie ein Nationalheiligtum ist. Nach Verfilmungen mit Katharine Hepburn (1933) und Elizabeth Taylor (1949) in Hauptrollen ist bei uns vor allem die Version mit dem Titel „Betty und ihre Schwestern“ (1994) mit Winona Ryder, Kirsten Dunst, Claire Danes, Susan Sarandon und Christian Bale bekannt.

Eindrucksvolles Ensemble

„Little Women“ folgt den unterschiedlichen Lebenswegen der March-Schwestern Jo (Saoirse Ronan), Meg (Emma Watson), Amy (Florence Pugh) und Beth (Eliza Scanlen) zu einer Zeit, in der die Möglichkeiten für Frauen begrenzt waren. Erzählt wird aus der Perspektive von Jo March, dem Alter Ego von Autorin Louisa May Alcott, einer Frauenrechtlerin und Gegnerin der Sklaverei, basierend sowohl auf dem Roman wie auch auf den persönlichen Schriften Alcotts.

In weiteren Rollen sind Meryl Streep als Tante March, Laura Dern als Mutter „Marmee“ March und Timothee Chalamet als Nachbar Laurie zu sehen. Gerwigs Film überzeugt durch eine leichtfüßige Inszenierung, die trotz der historischen Vorlage modern anmutet. Mit Gespür für Tempo und Rhythmus hat die Regisseurin die spritzigen Dialoge dirigiert und den hochkarätigen Schauspielerinnen die volle Bandbreite ihres Könnens entlockt.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Emma Watson, Saoirse Ronan, Eliza Scanlen and Florence Pugh in  Greta Gerwig’s Little Women.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Hochkarätig besetzt: Meg (Emma Watson), Amy (Florence Pugh), Jo (Saoirse Ronan) und Beth (Eliza Scanlen)
Szene aus Greta Gerwig’s Little Women
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
„Das Leben ist zu kurz, um wütend auf deine Schwester zu sein“
Szene aus Greta Gerwig’s Little Women
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Die burschikose Jo lässt den gutaussehenden Laurie (Timothee Chalamet) abblitzen
Saoirse Ronan in Greta Gerwig’s Little Women
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Saoirse Ronan ist für die Rolle der Jo als „Beste Schauspielerin“ für den Oscar nominiert
Florence Pughand Meryl Streep in Greta Gerwig’s Little Women.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Meryl Streep spielt die verwitwete, wohlhabende Tante March
Laura Dern in Greta Gerwig’s Little Women.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Laura Dern als Mutter „Marmee“ March, deren Mann im Krieg verwundet wurde

Die Handlung springt hin und her zwischen zwei Zeitachsen, beginnend in New York, wo Jo, die Zweitälteste der Schwestern, als junge Erwachsene lebt und mit dem Schreiben von Kurzgeschichten das bescheidene Einkommen ihrer Familie aufbessern will. Weil der Vater in der Armee dient, müssen die March-Frauen seit Jahren ihr Leben nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ganz ohne Mann im Haus meistern. Die einfachste – und für Frauen einzige – Möglichkeit, um zu Geld zu kommen, wäre eine Heirat mit einem reichen Mann, so wie es die exzentrische Erbtante (großartig gespielt von Hollywood-Legende Streep) vorgemacht hat. Doch das kommt für Jo nicht infrage. Sie ist burschikos und rastlos, und das Einzige, was für sie zählt, sind ihre Schwestern und das Schreiben.

Frauen mit Verstand und Talent

In Rückblenden wird das Leben der Familie vor sieben Jahren in ihrem Haus in Massachusetts gezeigt, eine Kindheit in warmen Farben, voller Trubel, Chaos und Kreativität. Jede der vier Schwestern hat eine künstlerische Begabung, aber keine ist so besessen von ihrer Leidenschaft wie Jo. Unermüdlich schreibt sie sich im Dachboden bei Kerzenlicht die Finger wund, erst Jahre später wird sie die Früchte ihrer Arbeit ernten können.

Regisseurin Greta Gerwig und Meryl Streep am Set von Little Women.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Wilson Webb
Regisseurin Gerwig konnte Meryl Streep für eine Nebenrolle gewinnen

Die Avancen des wohlhabenden Nachbarn Laurie – in der Kindheit ihr bester Freund – kann Jo als Erwachsene nur zurückweisen. Sie will ihre Freiheit um keinen Preis aufgeben: „Ich habe es so satt, dass die Leute sagen, dass Liebe das Einzige ist, wozu eine Frau fähig ist. Frauen haben Verstand und Talent, nicht nur ihre Schönheit.“ Dass ihre ältere Schwester Meg schließlich lieber heiraten will, als Schauspielerin zu werden und mit ihr durchzubrennen, kann Jo nicht verstehen. Doch Meg ist sich ihres Weges sicher: „Dass meine Träume anders sind als deine, heißt nicht, dass sie weniger wert sind.“

Und die Männer?

Es muss noch erwähnt werden, dass wohl kaum einer so schön auf einer Chaiselongue des 19. Jahrhunderts herumlümmeln kann wie er: Timothee Chalamet ist einer der derzeit angesagtesten und begabtesten Jungschauspieler und geht in der Rolle des charmanten, aber unreifen Playboys Laurie sichtlich auf. Trotzdem ist auch er letztlich nur ein Vehikel, um Gerwigs Darstellung von Liebe jenseits des ökonomischen Konzepts Ehe auf den Punkt zu bringen.

Der bedingungslose Zusammenhalt der vier so unterschiedlichen Schwestern und ihr Streben nach einem selbstbestimmten Leben lässt die Männer in dieser Geschichte zu liebenswerten Komparsen werden. Gerwig erzählt von den Träumen und Abenteuern der Schwestern und den Schwierigkeiten, die sie auf ihrem Weg zum Erwachsensein überwinden müssen, so zeitlos und bewegend, dass es keine Rolle spielt, in welchem Jahrhundert hier Frauen für ihre Überzeugungen kämpfen. Und auch wenn in der March-Familie der Haussegen oft genug schiefhängt, ist am Ende eines klar: „Das Leben ist zu kurz, um wütend auf deine Schwester zu sein.“