Amelie Niermayer
Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Amelie Niermeyer

„Wo sind die Frauen?“

Amelie Niermayer zählt zu den gefragtesten Schauspiel- und Opernregisseurinnen im deutschsprachigen Raum. Als Oberspielleiterin und Generalintendantin namhafter Theater Deutschlands war sie schon jung auch in leitenden Funktionen tätig. Bis heute ist eine Karriere wie ihre für Frauen im Theater außergewöhnlich. „Es hat sich viel zu wenig geändert“, sagt sie im Gespräch mit ORF.at.

Niermeyer startete ihre Karriere nach einem Germanistikstudium mit ersten Inszenierungen am Bayrischen Staatsschauspiel, wo sie zuvor als Regieassistentin erste Erfahrungen gesammelt hatte. Mit Mitte 20 war sie Oberspielleiterin in Dortmund, wenig später in derselben Position am Schauspiel Frankfurt. Von 2001 bis 2005 leitete sie als Generalintendantin das Theater in Freiburg im Breisgau, 2006 übernahm sie für fünf Jahre das Düsseldorfer Schauspielhaus.

Das Gefühl, die Regietätigkeit neben der Leitungsarbeit zu vernachlässigen, erklärt sie gegenüber ORF.at, habe sie dazu bewogen, sich wieder auf ihre Inszenierungen zu konzentrieren, seit acht Jahren zunehmend auch im Musiktheaterbereich.

Amelie Niermayer
Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Niermeyer inszeniert seit mehreren Jahren nicht nur Schauspiel, sondern auch Oper – eine „Bereicherung“, wie sie sagt

„Ich finde beides großartig“

Die Arbeitsdynamik in den zwei Bereichen sei extrem unterschiedlich: Während man im Sprechtheater deutlich mehr Freiheit habe, das Material zu verändern, zu streichen oder umzustellen, sei man in der Oper wesentlich festgelegter. „Im Schauspiel passiert extrem viel auf der Probe“, in der Oper seien zu diesem Zeitpunkt viele Dinge längst festgelegt worden – „man arbeitet oft auch am Modell, Monate vorher“. Die Musik empfinde sie trotzdem nie als Korsett, sondern „als Geschenk – ein riesiger Reichtum an Atmosphären und Emotionen. Ich finde beides großartig.“

In den letzten neun Monaten inszenierte die in Bonn geborene Regisseurin zufällig gleich dreimal in Wien – mit „Rusalka“ im Theater an der Wien, dem „Kirschgarten“ im Theater an der Josefstadt und nun mit der „Fidelio Urfassung (Leonore)“ an der Staatsoper.

„Zu wenige Frauen in Leitungsfunktionen“

Als Regieprofessorin und Departmentleiterin für Schauspiel und Regie am Mozarteum Salzburg arbeitet Niermeyer seit 2011 auch mit Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern. Vor allem für die Frauen sei das Pflaster nach wie vor ein hartes.

„Auch wenn manche Männer Angst haben, dass jetzt viele Frauen in wichtige Positionen kommen, frage ich mich: Wo denn? Der Prozentsatz bleibt gleich gering. Es gibt viel zu wenige Frauen in Leitungsfunktionen.“ Die Entwicklung sei deutlich zu langsam. Vor zehn Jahren hätte sie Quoten noch kategorisch abgelehnt: „Ich dachte immer, ich will doch keine Quotenfrau sein“, aber bis ein Umdenken eingesetzt habe, brauche es offensichtlich zumindest für kurze Zeit eine Quote – damit Frauen gesucht und gefördert werden.

Gerade im Musiktheaterbereich seien regieführende Frauen noch immer eine sehr deutliche Minderheit – „es gibt immer noch Spielzeiten auch an großen Häusern, in denen keine einzige Frau inszeniert – wenn das etwas mehr wahrgenommen würde, dann würde auch endlich etwas passieren.“