Europa-Ministerin Karoline Edtstadler
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Kulturposten

Kritik an Edtstadler-Entscheidungen

Die überraschenden Last-Minute-Personalentscheidungen von Interimskulturministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sorgen für Kritik seitens der Opposition. SPÖ, FPÖ und NEOS kritisieren vor allem die Vorgangsweise und auch die inhaltliche Begründung. Laut Regierungsspitze war das Vorgehen in der Koalition akkordiert – doch auch in den Reihen der Grünen gibt es Unverständnis.

Wie die ZIB2 Mittwochabend berichtete, berief Edtstadler am Dienstagabend drei Kuratoriumsvorsitzende per E-Mail von deren Funktion ab. Die jetzige Europaministerin war für die Kulturagenden zuständig, weil diese während der Übergangsregierung bei ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg lagen, der wieder die Agenden von Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) übernommen hatte und damit nicht nur für Europa, sondern eben auch für Kunst und Kultur zuständig war.

Mit Ulrike Lunacek (Grüne), die seit der endgültigen Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen seit Mittwoch als Staatssekretärin für Kunst und Kultur zuständig ist, sei dieses Vorgehen abgesprochen gewesen. Bei der Pressekonferenz nach der Regierungsklausur in Krems bestätigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag diese Darstellung: „Natürlich wurde das besprochen. Alles andere wäre unüblich.“

Das Motiv dafür, diese Entscheidungen jetzt zu treffen, sei einfach: „Es gibt Regeln und die sind klar. Alle, die in den Funktionen tätig waren, waren bis zum 31.12.2019 darin tätig.“ Im Jänner sei eine potenzielle Verlängerung besprochen worden. „Natürlich kann man alle Personen hinterfragen.“

Lunacek bestätigt, Kogler will sich kümmern

Lunacek bestätigte am Donnerstag in einer Aussendung, informiert gewesen zu sein. „Der Koalitionspartner hat vor Übergang der Zuständigkeit für Kunst und Kultur die Neubenennungen vorgenommen. Wir wurden informiert und haben darüber gesprochen. Die Entscheidung lag noch im Zuständigkeitsbereich von Ministerin Edtstadler“, so Lunacek. „Die Neunominierung für den Vorsitz des Albertina-Kuratoriums werde ich in den nächsten Tagen entscheiden und darüber informieren.“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte, er sei mit der Regierungsklausur beschäftigt gewesen, werde sich aber in den nächsten Tagen darum kümmern: „Falls Fragen offen sind, werden wir das klären.“

Wiener Grünen-Chefin reagiert mit Unverständnis

Kritik kam dennoch auch vonseiten der Grünen: Die Wiener Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin bei der kommenden Wien-Wahl, Birgit Hebein, äußerte auf Twitter ihr Unverständnis für die Abberufung des Ex-Raiffeisen-Generalanwalts und Ex-Flüchtlingskoordinators der SPÖ-ÖVP-Bundesregierung, Christian Konrad.

SPÖ kündigt parlamentarisches Nachspiel an

SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda kündigte ein parlamentarisches Nachspiel in Form einer Anfrage an. „Dass maßgebliche Teile der ÖVP sich nur für Kultur interessieren, wenn es um Bälle geht oder Posten zu besetzen sind, ist leider nicht neu“, so Drozda am Donnerstag in einer Aussendung. „Dass die Grünen nun Teil davon sind, ist eine herbe Enttäuschung“, sagte er und erinnerte auch an die Besetzung der kaufmännischen Geschäftsführung der Staatsoper mit ÖVP-Niederösterreich-Landesrätin Petra Bohuslav, die die Grünen „abgenickt“ hätten.

Auch beim „Ibiza“-Untersuchungsausschuss seien sie vorne dabei, um die Aufklärung der ÖVP-Beteiligung zu verhindern, kritisierte Drozda und meinte: „Diese Regierung erweist sich leider als ÖVP-Alleinregierung mit grüner Duldung.“ Laut Drozda gibt es keine inhaltliche Begründung für die per Mail ausgeschickte Absetzung der drei Kuratoriumsvorsitzenden Konrad, Peter Kostelka und Hannes Sereinig.

NEOS: „Türkise Härte“

Auch NEOS kritisierte die Vorgehensweise. Parteichefin Beate Meinl Reisinger bezeichnete die Abberufung der Kuratoriumsvorsitzenden durch Edtstadler kurz vor der Übergabe der Kulturagenden an Lunacek am Mittwoch auf Twitter als „türkise Härte“. NEOS zeigte sich allgemein enttäuscht, dass sich die Grünen „am Nasenring durch die Manege“ ziehen lassen würden, wie Kultursprecher Sepp Schellhorn sagte.

Die FPÖ sieht einen „Postenschacher in Reinkultur“. Es wirke sehr eigenartig, dass diese Entscheidungen nicht dem neuen Kulturminister Kogler oder seiner Staatssekretärin Lunacek überlassen wurden, so FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger. „Während höchstqualifizierte Personen, die dem freiheitlichen Lager nahestehen, bei Neuantritt einer Führungsfunktion stets in heftige mediale Kritik geraten, ist bei Schwarz-Grün unverhohlen und mit einer überheblichen Selbstverständlichkeit dreiste Postenschacherei bereits nach kürzester Zeit des gemeinsamen Regierens an der Tagesordnung“, beklagte er.

Prominente Vorsitzende nicht verlängert

Betroffen sind drei prominente Namen: Konrad saß dem Kuratorium der Albertina vor. Kostelka war früher SPÖ-Klubchef und Kuratoriumsvorsitzender des Technischen Museums. Sereinig, früher Kabinettschef von Franz Vranitzky, war Kuratoriumsvorsitzender des Museums für angewandte Kunst (MAK).

Alle drei erhielten laut ZIB2 die Information per E-Mail am Dienstagabend. Ihre Amtszeit sei beendet, hieß es darin. Die Bestellung aller drei lief mit Jahresende 2019 aus, dem Vernehmen nach boten die Vorsitzenden aber eine Weiterführung der Funktion an. Andrea Mayer, Kuratoriumsvorsitzende im Belvedere, wurde hingegen in dieser Funktion verlängert. Sie ist hauptberuflich Kabinettschefin von Van der Bellen.

Änderungen im Kulturbereich in der letzten Minute

Einige Vorsitzende von Museumskuratorien wurden per Ministerin-E-Mail von Karoline Edtstadler informiert, dass sie nicht verlängert werden.

Angefragte Konrad-Nachfolgerin will Posten nicht

Die als vorgesehene Nachfolgerin Konrads in der Albertina kolportierte Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat zeigte sich am Donnerstag verwundert über die Aufregung. Sie sei am Dienstag von Lunacek dafür angefragt worden, habe die Aufgabe aber abgelehnt.

„Ich habe darüber nachgedacht und bin dann zu dem Entschluss gekommen, dass ich es nicht machen möchte. Den Vorsitz einer solchen Institution, bei der es stark um die Kontrolle von Bilanzen geht, möchte ich nicht machen“, betonte die Kunsthistorikern.

Ihren Entschluss habe sie dem Kabinettschef von Lunacek mitgeteilt. Umso verwunderter sei sie gewesen, als dann die E-Mail von der zu diesem Zeitpunkt noch für die Kulturagenden zuständigen Ministerin Edtstadler gekommen sei. Verständnis für die Vorgehensweise konnte Hammer-Tugendhat nicht aufbringen. „So etwas soll man nicht in Eile machen, das ist doch vollkommen unerklärlich“, sagte sie. Zweitens sei es aus ihrer Sicht „bemerkenswert“, dass die ÖVP Konrad in seiner Funktion nicht verlängerte. „Das zeigt, wie sich die ÖVP zu einer türkisen Partie verändert hat.“

Abgeltung mit Sitzungsgeld

Die Funktionen in den Kuratorien werden mit Sitzungsgeld abgegolten. Zuletzt waren das 200 Euro pro Sitzung für den Vorsitzenden. Sitzungen finden – je nach Satzung und ungeachtet außerordentlicher Einberufungen – mindestens einmal pro Quartal statt.

MAK bestätigt neue Kuratoriumsmitglieder

Laut „Kurier“ (Onlineausgabe) sind die Umbesetzungen Teil eines von der Regierung intern ausgearbeiteten Personalpakets. Demzufolge sollen u. a. die Ex-Akademie-Vizerektorin Andrea Braidt und „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand in das Albertina-Direktorium einziehen.

Seitens des Museums bestätigt wurden inzwischen die Namen der neuen Kuratoriumsmitglieder des MAK: Den Vorsitz übernimmt Lilli Hollein, als Stellvertreterin fungiert künftig Elisabeth Gürtler. Weiters neu auf der Liste finden sich Barbara Glück und Martin Böhm, bisherige Mitglieder wie Otto Aiglsperger, Beate Murr, Claudia Oetker und Alexander Palma wurden erneut bestellt. Lediglich die Entsendung aus dem Bundesministerium für Finanzen ist noch offen.

Laut Bundesmuseengesetz ist das Kuratorium ein „wirtschaftliches Aufsichtsorgan der Geschäftsführung, insbesondere in Bezug auf Voranschlag, Budgetvollzug und Rechnungsabschluss“, seine Rechte und Pflichten leiten sich aus der „sinngemäßen Anwendung der den Aufsichtsrat betreffenden Bestimmungen des GmbH-Gesetzes“ ab. Die Mitglieder werden auf die Funktionsdauer von fünf Jahren bestellt.